Wagner? – Für Jugendliche!
Buchrezension: Keine Angst vor der ambivalenten Figur Wagners und seinem «grossformatigen» Musiktheater. Eine gekonnte Einführung.
Richard Wagner hat viele Jahre seines Lebens in der Schweiz verbracht. Als Revolutionär flüchtete er 1849 von Dresden nach Zürich, wo er fast zehn Jahre lebte und immer wieder Gönner und Freunde aufsuchte. Von 1866 an wohnte er in Tribschen bei Luzern. Von dort zog er 1871 nach Bayreuth. Die Schweiz war also viel mehr als eine Durchgangsstation eines unruhigen Künstlers. Richard Wagner ist zwar ein «deutscher» Komponist, der aber der Schweiz viel zu verdanken hat. Und umgekehrt hat er viele Schweizer ausserordentlich fasziniert.
Das Schrifttum über Richard Wagner ist enorm: Biografien, Monografien, Brief- und Dokumentensammlungen, Hagiografien und Schmähschriften. Ist denn immer noch nicht alles gesagt? Offenbar ist Richard Wagner bei einer älteren Generation nach wie vor hoch aktuell. Doch wie sieht es wohl bei der Jugend aus, wie ist deren Verhältnis, deren Interesse an Leben und Werk eines grossen Musikers, der so viele Jahre in unserem Land gelebt hat?
Fragt man nach geeigneter Literatur, um jungen Menschen den Zugang zu Wagners Musik zu erleichtern, schrumpft das Riesenangebot sogleich empfindlich zusammen. Offenbar braucht es heute sowohl auf der Seite der Autoren wie auf jener der Verlage sehr viel Mut zu einem derartigen Unterfangen. Der Berliner Verlag Bloomsbury hat den Schritt gewagt. Mit Schönheit, Glanz und Wahn. Richard Wagner und die Magie der Musik ist es der Musiktheaterpädagogin Iris Winkler gelungen, eine echte Lücke zu füllen. Das Werk ist spannend, farbig und überrascht immer wieder mit humorvollen Sprachbildern und Erklärungen von Fachausdrücke wie «Kadenz», «mystischer Abgrund» oder «Wagnertuben». Ausserdem gelingt es der Autorin ganz besonders gut, sich in die Sprache Jugendlicher einzufühlen ohne sich anzubiedern. Hans Baltzer hat das Buch mit schönen, aussagestarken Illustrationen geschmückt.
Man nimmt den schmalen Band (167 Seiten) gerne zur Hand, blättert mit Vergnügen darin, freut sich an den vielen Illustrationen – und erlebt gleichzeitig die Inszenierung eines Opern- Dramas in fünf Akten. Sogar ein «Vorspiel» darf nicht fehlen: So hat die theatererfahrene Autorin das Leben Wagners gegliedert. Gekonnt sind die vielen Szenenwechsel in diesem rasanten Lebenslauf als «Verwandlungen» eingeblendet. Damit rollt Wagners Leben mit all seinen Verwerfungen vor den Augen des jungen Lesers, der jungen Leserin ab, als sässen sie selber in der Loge eines grossen Opernhauses.
Die Sprache Winklers ist wohltuend gradlinig und voll feinen Humors, der auch den erfahrenen Musikfreund zum Schmunzeln bringt. Geschickt vermeidet sie jegliche Wertung der Persönlichkeit Wagners. Er ist in ihrer Darstellung ein grosser Magier der Klänge und gleichzeitig ein hoch problematischer Mensch mit vielen Brüchen. Dem noch wenig Musikerfahrenen gibt die Autorin viele echte Hilfen an die Hand: Jeder Fachausdruck wird mit einfachen Worten erläutert, die Inhalte der Opern kurz und prägnant auf dunkler getöntem Hintergrund zusammengefasst und mit weiterführenden kleinen Kommentaren versehen. Notenbeispiele sind eingefügt und – als besondere Beigabe des Verlags – gibt es eine eigens für dieses Buch eingerichtete Website, auf welcher man sich die erwähnten Musikauszüge auch gleich anhören und Szenen aus den Opern anschauen kann! Eine Zeittafel fasst die wichtigsten Stationen kurz zusammen. Das gelungene Werk schliesst charmant mit «Tipps für einen guten Beginn».
So ist es wenig verwunderlich, wenn ein 13-jähriger Junge dazu meint:
«Ich habe das Buch gern gelesen und dafür nur drei Tage gebraucht. Das Buch ist seeeehr interessant und das romanhafte Erzählen mit Dialogen macht es spannend und toll zu lesen. Das Buch ist für mich ein Roman, ein Buch über Musik und die Oper, eine Lebensgeschichte, ein Geschichtsbuch – alles zugleich und nie verwirrend, denn es ist gut unterteilt, damit habe ich die Übersicht behalten können.
Ich konnte mich beim Lesen sehr gut in die damalige Zeit und manche Situationen im Leben von Richard Wagner hineinversetzen. Ich habe über vieles gestaunt: wie z.B. Wagner das Komponieren ‚erforscht‘ und die gesamte Partitur von Beethovens 9.Sinfonie per Hand abschreibt – echt verrückt und doch verständlich, wenn man sich für ein bestimmtes Thema eben richtig begeistert. Besonders gefallen hat mir, dass das Buch auch über seine Freunde, Begleiter und Vorbilder berichtet und man so fast nebenbei auch noch viel über andere große Musiker erfährt …
Das Buch ist besonders schön und abwechslungsreich illustriert. Beim Lesen habe ich mich einfach auf die nächste Seite gefreut! Einfach das Durchblättern des Buches machte mir schon Spaß und man kann gut auf einzelnen Seiten hängenbleiben …
Ich habe das Buch nun meiner Mutter empfohlen – sonst ist es immer umgekehrt!»
Iris Winkler, Hans Baltzer, Schönheit, Glanz und Wahn – Richard Wagner und die Magie der Musik, ab 12 Jahren, 167 S., € 16.99, Bloomsbury (Ars Edition), Berlin 2012, ISBN 978-3-8270-5505-7