Politischer Pop made in Amerika

Ein Sammelband beleuchtet die wechselseitige Beziehung zwischen Popmusik und Politik, fokussiert dabei aber zu stark auf amerikanische Aspekte.

Ausschnitt aus dem Buchcover

Es sind wenige Wochen vergangen, als im Zusammenhang mit den deutschen Echo-Awards eine heftige Kontroverse entbrannte. Im Kreuzfeuer stand die Südtiroler Band Frei.Wild. Kritiker warfen der Rockgruppe vor, mit rechtsradikalem Gedankengut zu sympathisieren. Daraufhin entschlossen sich die Veranstalter, die Gruppe von der Preisverleihung wieder auszuladen. Man wolle verhindern, dass der Echo zum Schauplatz einer Debatte über die politische Gesinnung werde.

Dies nur eines von vielen Beispielen, in dem die Verbindung von Popmusik und Politik zum Tragen kommt. Die Liste liesse sich beliebig fortsetzen, angefangen bei politisierenden Musikern wie dem Brasilianer Gilberto Gil bis hin zu den Schnitzelbänken der Basler Fasnacht. Es überrascht, dass dieses scheinbar so präsente Themengebiet von der Wissenschaft bislang erst punktuell betrachtet wurde. Eben ist mit dem Sammelband A change is gonna come, herausgegeben vom deutschen Politikwissenschaftler Dietmar Schiller, einer der seltenen Beiträge in dieser Sparte erschienen.

In sowohl wissenschaftlichen als auch journalistischen Aufsätzen erkunden die Autoren und Autorinnen ganz unterschiedliche Facetten des beschriebenen Spannungsfeldes. Zum Thema gemacht werden der politische Erfolg von Protestkonzerten wie Live-Aid, die musikalische Verarbeitung von 9/11 oder das Verhältnis der Folkikone Woody Guthrie und dem Genre Punk. Die Beiträge zeigen auf, dass sich Musik nicht nur auf textlicher Ebene politisch manifestiert. So sind auch die körperlichen Darstellungsformen der weiblichen Vertreterinnen des Motown-Souls als politische Statements aufzufassen. Höhepunkt des Bandes ist eine politische Geschichte des Blues, die gleich zu Beginn mit dem Stereotyp des »melancholischen Blues« bricht und die gesellschaftspolitische Relevanz des Genres im Wandel der Jahrzehnte aufzeichnet.

Aus zwei Gründen kann der an sich spannende und immer wieder aufschlussreiche Band jedoch nicht überzeugen. Zum einen ist das Gefälle zwischen den einzelnen Beiträgen zu gross. Von einer abstrakten und komplexen wissenschaftlichen Sprache bis hin zum lockeren Studienbericht findet sich in dem Buch eine ganze Bandbreite sprachlicher Ausdrucksformen. Nicht alle Beiträge bringen neue Erkenntnisse zutage und immer wieder mangelt es an stichhaltigen Belegen in der Argumentationskette. Zum anderen erweckt sowohl der Titel – A change is gonna come: Popmusik und Politik – als auch die Einleitung eine ausgedehnte Abhandlung der Thematik. In letzterer wird von Pussy Riot in Russland über den Eurovision Song Contest in Baku bis hin zu Gaddafis Hofkonzerten von Usher, Nelly Furtado & Co. ein weiter Bogen gespannt. Die Aufsätze berichten in der Folge dann aber vorwiegend über die (afro)-amerikanische Popgeschichte, gleich drei Beiträge widmen sich der Country Music. Dadurch ergeben sich nicht nur inhaltliche Wiederholungen, es drängt sich auch die Frage auf, warum das Genre Hip-Hop nur durch Abwesenheit glänzt.

Omnipräsent ist der amtierende amerikanische Präsident. Ob Empfang für Blues-Musiker im Weissen Haus, Interview mit der Pop-Zeitschrift Rolling Stone oder persönliche iPod-Playlist: Die Lektüre des Buches macht klar, dass dieser Präsident die amerikanische Popkultur als Mittel seiner Politik einsetzt, wie kaum ein anderer zuvor. Das Titelbild zeigt das Konterfei Obamas in doppelter Ausführung und der Titel nimmt auf seine erste Rede als Präsident Bezug. Mit A change is gonna come zitierte Obama 2008 einen Protestsong des Soul-Sängers Sam Cooke.

Unter dem Strich verpasst es der Band leider, die mit dem Titel suggerierte, breite Darstellung der Thematik vorzulegen und wartet stattdessen mit interessanten, wenn nicht immer überzeugenden Aspekten aus der amerikanischen Popgeschichte auf. Gerade die eingangs erwähnten Beispiele zeigen aber, welche Dimensionen innerhalb des – vermutlich unerschöpflichen – Spannungsfeldes von Popmusik und Politik auch noch behandelt werden könnten.

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A change Is gonna come: Popmusik und Politik. Empirische Beiträge zu einer politikwissenschaftlichen Popmusikforschung, hg. von Dietmar Schiller, 338 S., Fr. 46.90, LIT-Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-643-11429-7

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