Musik und Politik – eine komplexe Beziehung

Treffsicher analysiert dieses Buch die Rolle der Musik bei gesellschaftlichen Umbrüchen, geschichtlichen Ereignissen und für staatspolitische Ziele.

Die Freiheit führt das Volk. Gemälde von Eugène Delacroix, 1830. Wikimedia commons

In welchem Verhältnis stehen Musik, Macht und Staat? Macht Musik Staat? Macht Staat Musik? Dass sich diese einleitenden Fragen der beiden Herausgeberinnen des Sammelbandes Musik – Macht – Staat, Sabine Mecking und Yvonne Wasserloos, keineswegs nur auf Musikpraxis in faschistischen oder totalitären Staaten beziehen, wird anhand der zahlreichen Beiträge zum Thema rasch überdeutlich.

Klaus Pietschmann etwa durchmisst die höfische Musik der frühen Neuzeit aus dem Blickwinkel ihrer Propagandawirkung und Herrschaftssymbolik. Dabei kommt er zum Schluss, dass mit geistlichen Kompositionen mitunter eine «Strategie zur sakralen Überhöhung der Person des Herzogs» verfolgt werden konnte, während sich die Oper im 17. Jahrhundert zunächst der Darstellung eines «gütigen Herrschers» verschrieb, um im Laufe des 18. Jahrhunderts «zunehmend in den Dienst einer nationalpatriotischen Identitätsstifung» gestellt zu werden. Hier setzt auch Michael G. Esch an, der sich mit Musik in der Französischen Revolution beschäftigt, während Sebastian Hansen die Bedeutung der Musik in den napoleonischen Kriegen untersucht: «Die Töne der Schlacht waren auch Töne der Kunst», resümiert er, auch unter Verweis auf Beethovens Wellingtons Sieg.

Dass Militärmusik «immer als klingendes Abbild des jeweils etablierten gesellschaftlich-politischen Systems und seines Militärs» wirkte, bestätigt auch Manfred Heidler in seinen Anmerkungen zur Militärmusik zwischen Reichsgründung und Weimarer Republik. Eine solche Verquickung lässt sich freilich auch abseits des Militärischen erkennen. Sabine Mecking etwa betont die enge Verknüpfung von Gesang und Nationsbildung im 19. Jahrhundert und stellt fest, dass die «Synthese von Monarchie und Nation» auch überaus folgenreich für die Sängerbewegung gewesen sei: «Nun gingen ihre Repräsentations- und Ausdrucksformen zunehmend mit den obrigkeitlichen Selbstdarstellungen des monarchischen Staates einher.» In der Folge beobachtet Andreas Jacob eine «Pluralisierung der Lebens- und Musikstile» in der Weimarer Republik, die jedoch – zunächst – von kurzer Dauer war. Wie sehr sich die staatliche Macht in musikgestalterische Fragen einzumischen begann, wird an Volker Kalischs Beitrag zur Musik im Nationalsozialismus deutlich: Er untersucht Goebbels‘ «Zehn Grundsätze deutschen Musikschaffens» vor der Folie der NS-Kulturpolitik. Ein wesentlicher Teil der Beiträge befasst sich ausserdem mit der Nachkriegszeit – sie bestätigen einen wiedergewonnenen musikalischen Pluralismus, wenn auch unter anderen Vorzeichen als nach dem Ersten Weltkrieg. Von Erörterungen zur Musikpolitik der Sowjetunion (Kerstin Armborst-Weihs) über diverse überaus erhellende Popularmusikanalysen von Christoph Nonn, Detlef Siegfried, Carsten Dams und Andreas Kühn bis zu einer musikfokussierten Betrachtung des Nordirland-Konflikts von Yvonne Wasserloos bespiegelt der Sammelband das Musikphänomen Macht mit dem Machtphänomen Musik in ansehnlicher Breite und mitunter mit beträchtlichem Tiefgang.

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Musik – Macht – Staat. Kulturelle, soziale und politische Wandlungsprozesse in der Moderne, hg. von Sabine Mecking und Yvonne Wasserloos, 399 S., € 49.90, V&R unipress, Göttingen 2012, ISBN 978-3-89971-872-0

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