Ästhetisch oder doch ästhetizistisch?

Grossartige Fotografien von Konzerthäusern – etwas menschenleer und abgehoben kommentiert.

Auditorio de Tenerife, eines der Konzerthäuser, die Manfred Hamm für das Buch fotografiert hat. Hier ein Bild von Wladyslaw / Wikimedia commons

Es gibt Bauaufgaben, nach denen sich Architekten ihre Finger lecken. Dazu gehört gewiss der Entwurf eines Konzerthauses. Trotz heikler akustischer Aspekte, trotz räumlicher Vorgaben und trotz manch spezieller Wünsche eines Bauherrn kann der Architekt seine besonderen Ideen ausbreiten: siehe die ebenso teure wie faszinierende Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron, siehe Norman Fosters imposante Zénith de Saint-Étienne Métropole oder die Berliner Philharmonie von Hans Scharoun, eingeweiht im Jahr 1963.

Nicht nur Fosters und Scharouns Bauten sind im Fotoband Konzerthäuser zu sehen. Insgesamt sind es 104 weitestgehend bekannte europäische Häuser, die der Herausgeber Michel Maugé präsentiert. Schöne Aufnahmen gelangen dem Fotografen Manfred Hamm, sowohl Innen- wie Aussenansichten der Gebäude aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert. Eine «vorrangig ästhetische Perspektive» liege der Sammlung zu Grunde, schreiben Michael Astroh und Manfred Hamm im Vorwort. Letztlich aber könnte man auch von einem auf die Spitze getriebenen Ästhetizismus sprechen, wenn man sich die menschenleeren Innenansichten der grossen, oft ja bis zu 2200 Plätze bietenden Hallen anschaut. Zwar «klingen» die Bilder im Kopf auch ohne Musiker auf der Bühne. Dass Architektur letztlich aber doch «für Menschen» gemacht ist, gerät in einer zu sterilen und aseptischen Präsentationsform aus dem Blickfeld.

Den Vorwurf einer wenig «geerdeten» und lebensfernen Darstellung muss sich auch Michael Astroh, der Autor des Einführungstexts „Räume der Musik“ gefallen lassen. Viel zu wenig schreibt er über konkrete Problemstellungen, seien es akustischen Fragen oder besondere architektonische Erfordernisse von Werken des 20. und 21. Jahrhunderts. Stattdessen changiert der Philosoph Astroh zwischen Allgemeinplätzen und merkwürdig redundanten Betrachtungen über so etwas wie metaphysische Konstellationen. Nach solch elaborierten Episoden wie der folgenden wendet man sich doch lieber den vielen farbigen und schwarz-weissen Fotografien zu: «In einer technologisch ausgerichteten Kultur kontrastieren Kunst und Unterhaltung recht offensichtlich miteinander. Ihre disparaten Zielsetzungen, zum einen die gemeinsame Verinnerlichung autonomen Ausdrucks, zum anderen das hier und jetzt intensive Erlebnis gemeinsamer Wahrnehmung und Bewegung, erfordern unterschiedliche ästhetische Strategien. Allerdings konvergieren die Alternativen in der Apotheose einer gemeinschaftlichen Subjektivität, die sich auf ihre kulturellen Bestände verlässt.» (S. 23) Nun ja.

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Konzerthäuser, photographiert von Manfred Hamm, hg. von Michel Maugé, 192 S., € 98.00, m:con Edition, Mannheim 2012, ISBN 978-3-9814220-0-9

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