«360-Grad-Panorama der musikalischen Bildung»
Do-re-mi im stillen Kämmerlein – ist es das, was eine Musikpädagogin, ein Musikpädagoge im Alltag tut? Seit Juni 2021 nahm eine breit abgestützte Arbeitsgruppe unter der Leitung des Verbands Musikschulen Schweiz den Beruf unter die Lupe und entwickelte ein zeitgemässes Berufsleitbild.
Der berufliche Weg zum Musikpädagogen, zur Musikpädagogin ist klar vorgegeben. Nach der bestandenen Aufnahmeprüfung an einer Hochschule absolvieren Studierende einen Bachelor- und einen Masterstudiengang, letzteren mit Fokus auf Musikpädagogik und Fachdidaktik. Daraufhin unterrichten sie selbständig oder an Musikschulen, oft in Teilzeit, damit genug Raum bleibt für die eigene künstlerische Arbeit. – Eine knappe Zusammenfassung, die dem Strauss an Möglichkeiten, die sich nach erfolgreichem Abschluss bieten, nicht ganz gerecht wird. Denn was bedeutet das: Musik unterrichten? Ist es der Einzelunterricht am Instrument für Kinder im Schulalter? Ist es die Leitung eines Angebots im Bereich Musik und Bewegung? Die Leitung des Eltern-Kind-Singens, des Ensembles für Senioren, des Jugendorchesters, von Bands aller Stilrichtungen? Der Unterricht im Teamteaching mit Lehrpersonen der Volksschule? Die Organisation und Leitung von Musicals und Konzerten? Der Aufbau eines Angebots für Music Producing am Smartphone oder am Computer?
Berufsverständnis vereinheitlichen
Im November 2023 veröffentlichte die Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern verschiedener Verbände sowie Vertreterinnen und Vertretern von Hochschulen und Musikschulen aus der ganzen Schweiz, das Berufsleitbild Musikpädagog*in. Das Dokument soll sowohl Musikstudierenden und Musikhochschulen wie auch Bildungsverantwortlichen, Politikerinnen und Politikern als Grundlage dienen. Es ist als Aktualisierung des 2006 entwickelten Leitbilds zu verstehen und gibt in vier Kapiteln Einblick in Themen wie den Bildungsauftrag, die Aus- und Weiterbildung sowie das musikalische Lehren und Lernen an sich.
Der Schüler, die Schülerin im Zentrum
Besonders wichtig ist der Arbeitsgruppe der Grundwert der «Schüler*innenzentriertheit»: Musiklehrpersonen sollen sich ganz auf ihr Gegenüber ausrichten. Dazu gehört zum Beispiel die Berücksichtigung unterschiedlicher Biografien, aber auch des individuellen Erfahrungsschatzes der Schülerinnen und Schüler. Von den Lehrpersonen erfordert dies eine inklusive Haltung und die Sensibilität für vielfältige Bedürfnisse und spezielle Lernprofile. Diese Haltung, gerade unter Einbezug der körperlichen Dimension, ist vor allem im Bereich Musik und Bewegung zentral, wie Céline Shuler, Leiterin der Geschäftsstelle Rhythmik Schweiz, betont.
Breiten- und Talentförderung – Musik für alle
Ein weiterer zentraler Punkt im Berufsleitbild besagt, dass Musikpädagoginnen und -pädagogen Botschafter der musikalischen Bildung sind und sich für Chancengerechtigkeit einsetzen. «Musikpädagogen und -pädagoginnen führen ihre Schülerinnen und Schüler zum aktiven Musizieren sowohl in der Breite als auch in der Spitze», meint dazu Marcel Blanchard, Prorektor Musikschule Konservatorium Zürich. Auch Matteo Piazza, Präsident der Tessiner Musikschulvereinigung FeSMuT (Federazione delle Scuole di Musica Ticinesi), unterstreicht die Bedeutung der Chancengerechtigkeit in der musikalischen Bildung, die im Artikel 67a der Bundesverfassung ja gesetzlich verankert ist.
Weiterentwickeln, weiterdenken
Das Konzept des lebenslangen Lernens kommt auch in der Musikpädagogik zum Tragen. Dieses Lernen könne sich vielfältig gestalten, besagt das Leitbild. Genannt werden Gefässe wie Coaching oder Teamteaching genauso wie die Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen sowohl im pädagogischen wie auch im künstlerischen Bereich.
Öffentliches Bewusstsein fördern
Kreativ seien Musiklehrpersonen, musikalische Vorbilder, motivierend, kompetent in Organisation und Projektmanagement und doch, wo nötig, spontan, interessiert an aktuellen Entwicklungen und fähig zur Zusammenarbeit in verschiedenen Teams. Das sind hohe Anforderungen. – Gibt es solche Musikpädagoginnen und -pädagogen? «Oh ja, vieles ist nicht neu und wird bereits so gelebt», sagt Christian Braun, Leiter der Musikschule St. Gallen. «Leider sind viele Facetten dieses tollen Berufs in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt», ergänzt Philippe Müller, Leiter des Cercle Lémanique d’Études Musicales in Lutry. Julien Feltin, Leiter der École de Jazz et de Musique Actuelle in Lausanne, bezeichnet das Dokument als ein «360-Grad-Panorama der musikalischen Bildung in der Schweiz». Für die Arbeitsgruppe ist klar: Das Berufsleitbild soll inspirieren und als Grundlage für Reflexion und Weiterentwicklung dienen. Gleichzeitig soll es aufzeigen, worin das Potenzial der musikalischen Bildung liegt – mit dem Ziel, das Angebot in der ganzen Schweiz strukturell und politisch weiter zu verankern.
Das Berufsleitbild liegt in
Deutsch https://www.verband-musikschulen.ch/de/musikschule/musikpaedagogik/berufsleitbild
Französisch https://www.verband-musikschulen.ch/fr/musikschule/musikpaedagogik/berufsleitbild
und Italienisch https://www.verband-musikschulen.ch/it/musikschule/musikpaedagogik/berufsleitbild
vor.