Meeres Stille und Glückliche Fahrt
Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Kantate «Meeres Stille und Glückliche Fahrt» für Chor und Orchester.
Weder in Wien noch in Weimar, sondern im böhmischen Teplitz sind sie sich ein einziges Mal begegnet: Beethoven und Johann Wolfgang von Goethe. Abseits der hohen künstlerischen Achtung hegte jeder allerdings seine Vorbehalte gegenüber der Person des anderen. So notierte Goethe am 21. Juli 1812 in sein Tagebuch: «Abends bey Beethoven. Er spielte köstlich», führte dann aber einige Wochen später in einem Brief an Carl Friedrich Zelter aus: «Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht Unrecht hat wenn sie die Welt detestabel findet, aber sie freylich dadurch weder für sich noch für andere genußreicher macht. Sehr zu entschuldigen ist er hingegen und sehr zu bedauern, da ihn sein Gehör verläßt, das vielleicht dem musikalischen Theil seines Wesens weniger als dem geselligen schadet. Er der ohnehin lakonischer Natur ist, wird es nun doppelt durch diesen Mangel.» Auch Beethoven, der 1811 Goethe über dessen Trauerspiel Egmont begeistert geschrieben hatte, machte nach der Begegnung in einem Brief an den Verlag Breitkopf & Härtel seiner Enttäuschung Luft: «Göthe behagt die Hofluft zu sehr mehr als es einem Dichter ziemt, Es ist nicht vielmehr über die Lächerlichkeiten der Virtuosen hier zu reden, wenn Dichter, die als die ersten Lehrer der Nation angesehen seyn sollten, über diesem schimmer alles andere vergessen können –»
So blieb das Aufeinandertreffen folgenlos. Der junge Mendelssohn berichtete noch 1830 von Goethes gänzlicher Zurückhaltung: «An Beethoven wollte er nicht heran.» Zuvor war bereits Beethovens Ersuchen (vom 8. Februar 1823), der Weimarer Hof möge doch eine Abschrift seiner Missa solemnis subskribieren, erfolglos geblieben. Auch reagierte Goethe offenbar nicht auf die Widmung von Meeres Stille und Glückliche Fahrt. Dabei hatte Beethoven im selben Schreiben noch angefügt: «Beyde Gedichte schienen mir ihres Kontrastes wegen sehr geeignet auch diesen durch Musick mittheilen zu können, wie lieb würde es mir seyn zu wissen, ob ich passend meine Harmonie mit der Ihrigen verbunden, auch Belehrung welche gleichsam als wahrheit zu betrachten, würde mir äußerst willkommen seyn, denn leztere liebe ich über alles ….» – Dass die Partitur bereits acht Jahre zuvor abgeschlossen und am 25. Dezember 1815 erstmals öffentlich aufgeführt worden war, liess er unerwähnt.
Wie gut, dass sich solch persönliche Unverträglichkeiten nicht zwingend in den Künsten spiegeln müssen. Beethovens knappe, zweiteilige Vertonung erschien den Zeitgenossen jedenfalls kongenial: «Es ist eine hohe Lust, zwey so erhabene Gemüther so innig vereint zu erblicken …» (Allgemeiner Musikalischer Anzeiger, 1830)