«Appassionata»
Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Sonate für Klavier Nr. 23 f-Moll «Appassionata».
Wo genau nun Beethoven mit dem Manuskript seiner Klaviersonate durch einen offenbar ergiebigen Platzregen lief oder mit der Extrapost fuhr, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. War es im mährischen Troppau (Opava), als er nach einer seinen Stolz untergrabenden Auseinandersetzung mit dem Fürsten Lichnowsky das Schloss Grätz überstürzt voller Grimm verlies? So berichtet es jedenfalls Theodor von Frimmel unter Verweis auf eine kolportierte Erinnerung des bei der Tafel anwesenden Arztes Anton Weiser. Oder drang auf der anschliessenden Fahrt nach Wien einfach nur Wasser durch eine Reisetasche, wie Paul Bigot de Morogues, einst Bibliothekar bei Fürst Rasumowsky, viele Jahre später auf einer Druckausgabe des Werkes notierte? In letzterem Fall soll Beethoven «lachend sein noch ganz nasses Werk» der Pianistin Marie Bigot gezeigt haben, die daraufhin die durchfeuchtete Komposition vom Blatt spielte. Im anderen Fall ist die Sonate (und damit auch ihr musikalischer Ausdruck) Teil einer Szene, bei der aristokratischer Hochmut und künstlerisches Selbstbewusstsein aufeinanderprallten. Ob Beethoven am folgenden Tag noch von Troppau aus einen Brief an den Fürsten schrieb, der ihm bis dahin mäzenatisch verbunden gewesen war, ist fraglich. Die folgende, offenbar nur dem Sinn nach überlieferte Aussage spiegelt aber (ähnlich wie bei der ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammenden Anekdote über Mozart und Joseph II.) die unüberwindliche Diskrepanz zwischen Stand und Talent trefflich: «Fürst! Was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich. Fürsten hat es und wird es noch Tausende geben, Beethoven gibt es nur einen.»
Vor diesem Hintergrund könnte daher für die Sonate f-Moll op. 57 der Beiname «Appassionata» kaum treffender gewählt sein: Leidenschaftlich und stürmisch sind die Charaktere der beiden Ecksätze allemal. Vor allem im Kopfsatz rüttelt die kaum abgeschlossen formulierte Thematik mit ihrem impulsiven Drängen an der äusseren Form, und die virtuos rasenden Kaskaden des Finales stürzen durch den Ambitus dem Ende entgegen. Vielleicht weil Beethoven im Gegensatz dazu die Tempoangaben recht neutral hielt (Allegro assai, Andante con moto und Allegro ma non troppo), war das Werk aber beim Publikum am Anfang nicht besonders beliebt. Dazu bedurfte es, wie so oft, erst eines posthumen Zusatzes: Die Bezeichnung als «Sonata appassionata» findet sich erstmals 1838 auf dem Titelblatt einer in Hamburg bei Cranz erschienenen vierhändigen (!) Bearbeitung und wurde alsbald von anderen Verlegern dankbar aufgenommen. Carl Czerny indes konnte diesem romantisierenden Beinamen nichts abgewinnen – weil in seinen Augen die Sonate «jedenfalls zu großartig ist».
Wer sich von dem Wasserschaden im Autograf überzeugen möchte, dem sei das Online-Faksimile auf den Seiten der Bibliothèque national de France empfohlen.
Hören Sie rein!