Kultur ist, was das Leben besser macht
Am 9. November fand in Baden ein Forum lanciert vom Aargauischen Kulturverband und der Kulturstiftung Pro Argovia statt. Die Referate und Podiumsdiskussionen kreisten um das Thema «Kultur ist systemrelevant!».
Der Aargauische Kulturverband ist relativ neu. Im November 2019 haben sich diverse Aargauer Kulturinstitutionen und Freischaffende darin zusammengeschlossen. Der engagierte Vorstand deckt verschiedene Sparten ab und hat sich zum Ziel gesetzt, das Aargauer Kulturschaffen sichtbarer zu machen und vor allem in politischen Kreisen mit einer Stimme für die Kultur zu lobbyieren. Eben wurde mit Daniel Hertli ein neuer Geschäftsführer gewählt.
Unter seinem ersten Geschäftsführer Michael Schneider hat der Verband nicht nur deutlich Stellung genommen zu Grossratsentscheidungen und zum Aargauer Kulturkonzept 2023–2028. Er kümmerte sich auch um eine bessere Information der Grossratsmitglieder über die schwierigen Rahmenbedingungen der Kultur. Dank Grossrat Markus Lang ist eine Kulturgruppe entstanden, die rund 40 Mitglieder aus verschiedenen Parteien zählt. Für diese Gruppe werden Führungen organisiert, die einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen.
Der Stellenwert der Kultur
In seinem Grusswort zur Eröffnung des Forums betonte Stadtammann Markus Schneider, dass Baden eine selbstwusste und lebendige Kulturstadt sei, auf die er stolz sei. Und Regierungsrat Alex Hürzeler meinte im Gespräch mit der Moderatorin Monika Schärer, dass Kultur vor allem in unseren geopolitisch schwierigen Zeiten wichtig sei für den Zusammenhalt der Gesellschaft und für die Attraktivität eines Standorts.
Katja Gentinetta reflektierte als politische Philosophin in ihrem Eröffnungsreferat den Kulturbegriff. Kultur sei die Weiterentwicklung der geistigen und moralischen Kräfte, alles, was unser Leben besser mache. Ihrer Meinung nach ist Kultur nicht weniger systemrelevant als Landwirtschaft oder das Gesundheitswesen. Und eine gute Unternehmenskultur sei zwar nicht messbar, aber unverzichtbar.
Eine interessant besetzte Runde führte nach jedem Referat eine Podiumsdiskussion: Für den Physiker Christian Brönnimann, Gründer und VR-Präsident der Firma Dectris, hat Kultur viel gemein mit der Wissenschaft. Beide Bereiche seien mit grossen Anstrengungen und mit viel Passion verbunden, das Geld stehe nicht im Vordergrund. Seine Firma unterstützt Kultur mit einem Anteil des Firmengewinns. Das gehe aber nur, wenn das Geschäft erfolgreich ist.
Für Maja Wanner, die Ehefrau von Peter Wanner, VR-Präsident des Medienunternehmens CH-Media, ist Kultur das Schmiermittel der Gesellschaft und ein Bollwerk gegen die Verrohung. Sich zu treffen, das gemeinsame Liveerlebnis werde immer wichtiger. Sie, die sich im Fundraising für Kultur stark engagiert, sieht in der wachsenden Anonymität der Unternehmen ein Problem. Es fehlten selbständige und begeisterungsfähige Unternehmer, die man persönlich ansprechen könne.
Kunst ist für Christine Egerszegi, ehemalige Ständerätin und Kulturbotschafterin, keine gemeinnützige Arbeit, sondern ein ernst zu nehmender Beruf. Ein Problem des Aargaus sei, dass es hier sehr wenige Stiftungen gebe. Zudem plädierte sie vehement dafür, dass per Quote ein Teil jedes Firmengewinns für Kultur ausgegeben werden sollte. Wenn man bedenkt, was das Migros-Kulturprozent bis heute bewirkt hat, kann man Egerszegi nur recht geben.
Welche Werte generiert Kultur? Und für wen?
Christoph Weckerle, Direktor des Zurich Center for Creative Economies an der ZHdK, relativierte in seinem Referat den Wertebegriff, indem er ihn global betrachtete. Und Nicola Forster, Präsident der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, betonte, dass die Schweiz mit ihren vier Sprachkulturen eine Willensnation sei. Sie habe nicht eine Leitkultur, eher das Bedürfnis nach Herkunft und Heimat.
Mit Antonina Businger diskutierte eine junge Künstlerin auf dem Podium mit, die erfolgreich eine eigene GmbH gegründet hat. Bei der Badenfahrt im Sommer war sie die jüngste Festgestalterin und künstlerische Leiterin, die dieser Anlass je hatte. Am Forum wurde auch für originelle Unterhaltung gesorgt, die sprachakrobatischen Intermezzi des Schriftsteller Simon Libsig kamen gut an. Als Monika Schärer nachfragte, ob im Publikum auch Unternehmerinnen und Politiker sässen, gingen doch etliche Hände hoch. Auch Georg Matter, der Chef der Abteilung Kultur im Aargauer Departement Bildung, Kultur und Sport, war anwesend und wurde zum Schluss von Schärer über die Rolle der Wirtschaft in der Kulturförderung befragt. Er meinte treffend, dass sich auch dieses Forum in einer Blase befinde. Er habe die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen keine Ahnung hätten von Kultur. Umso wichtiger sei es, öffentlich über sie zu sprechen und sie sichtbarer zu machen. Der volle Saal machte deutlich, dass der Aargauische Kulturverband und das Forum Pro Argovia mit diesem Anlass einen Anfang gemacht haben.