Werner Reinhart: Stille treibende Kraft
An den «Werner-Reinhart-Tagen» vom 27. bis 29. Januar 2023 in Winterthur wurde der Mäzen erstmals in den Mittelpunkt eines Symposiums gerückt. Konzerte und Ausstellungen begleiteten den Anlass.
Der ausserordentlich umfangreiche Briefwechsel des Winterthurer Kaufmanns und Mäzens Werner Reinhart (1884–1951) wurde im Rahmen eines achtjährigen Forschungsprojekts des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Zürich in Kooperation mit dem Musikkollegium Winterthur in einer Datenbank erschlossen. Diese bildete die Basis für das Symposium der «Werner-Reinhart-Tage», die auf Initiative der ehemaligen Projektmitarbeitenden (Franziska Gallusser, Lion Gallusser, Ulrike Thiele) stattgefunden haben.
Nach einer Einleitung von Laurenz Lütteken (Zürich) gab Kerstin Richter (Winterthur) am Freitagabend einen Einblick in die Geschichte und die Tradition des Mäzenatentums der Familie Reinhart. Ulrike Thiele (Zürich) führte das Publikum darauf in Reinharts Tätigkeit als Kaufmann, sein Wirken als Mäzen und seine Vernetzung mit der europäischen Musik- und Kulturszene ein. In der anschliessenden Podiumsdiskussion zwischen Ulrike Thiele, Elisa Bortoluzzi (Zug) und Dominik Deuber, Direktor des Musikkollegiums Winterthur, wurde der Bogen von Werner Reinhart als Mäzen bis zur Diskussion der Reichweite und der Wahrnehmung des Mäzenatentums heute geschlagen.
Sowohl finanziell wie organisatorisch unterstützen
Die am Samstag und Sonntag folgenden Referate näherten sich Werner Reinhart über von ihm unterstützte oder anderweitig mit ihm verbundene Personen, immerzu im historischen Kontext, auch im Hinblick auf die beiden Weltkriege, die etwa das Exil von Komponisten in der Schweiz zur Folge hatten. Anhand seiner Beziehungen zu Richard Strauss und Hans Pfitzner (Michael Meyer, Trossingen) sowie zu Paul und Gertrud Hindemith (Franziska Gallusser, Luzern/Zürich) wurden die unterschiedlichen Verhältnisse und Unterstützungsformen betrachtet. Auch Anton Weberns Rychenberg-Variationen als musikalische Erinnerungen an Winterthur (Esma Cerkovnik, Zürich) wurden unter diesem Gesichtspunkt beleuchtet.
Am Beispiel der Vorgeschichte und Uraufführung von Alban Bergs Lulu (Daniel Ender, Wien) und der nicht nur mäzenatischen, sondern auch kaufmännischen Begleitung bei der Entstehung von Igor Strawinskys Histoire du Soldat (Christian Kämpf, Dresden) wurde deutlich, wie überlegt Reinhart vorging. Eine fruchtbare finanzielle und organisatorische Unterstützung zeigte sich auch im Lebenslauf des Dirigenten Hermann Scherchen und dessen Gründung verschiedener Musikinstitutionen in der Schweiz (Ullrich Scheideler, Berlin). Die erwähnten Akteure, Werke und Konzerte kamen im Beitrag über das Winterthurer Konzertrepertoire und Reinharts grosses Engagement für das Musikkollegium Winterthur aus einem anderen Blickwinkel erneut zur Sprache (Alessandra Origani, Zürich).
Fördern, was die Musik weiterbringt
Weitere Ausblicke wurden mit der Betrachtung der kulturell einflussreichen Londoner Zeit des jungen Werner Reinharts (Thomas Irvine, Southampton) und seiner massgeblichen, wenn auch indirekten Beteiligung an der Gründung der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik gegeben (Matthew Werley, Salzburg). Lion Gallusser (Zürich) stellte angesichts der Förderung von Schweizer Komponisten Überlegungen zur «Etablierung einer Schweizer Moderne» an. Auch Reinharts «literarischer Kosmos», der sich vor allem auf die Frühzeit seiner Mäzenatentätigkeit zu beschränken scheint, wurde anhand seiner Beziehung zu Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse und Stefan Zweig illustriert (Arturo Larcati, Salzburg). So kristallisierte sich während des ganzen Symposiums heraus, dass Werner Reinhart zu jenen Mäzenen gehörte, die weniger nach persönlichem Geschmack, sondern mehr mit Blick auf die Entwicklung der Musik förderten. Dabei hielt er sich persönlich bewusst im Hintergrund. Wie viele Referentinnen und Referenten betonten, lehnte er nämlich den Druck oder die öffentliche Erwähnung von Widmungen kategorisch ab.
Die weiteren Veranstaltungen stellten einen Kontrapunkt zum reichhaltigen Symposium dar. Am Samstagabend machte das Musikkollegium Winterthur Reinharts Welt mit Werken von Paul Hindemith, Hans Pfitzner, Ernst Krenek und Heinrich Kaminski hörbar. Visuell begleitet wurde das Symposium von einer spontanen Führung am Sonntagnachmittag von Kerstin Richter durch die Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» sowie von Andres Betschart, Leiter der Sammlungen der Winterthurer Bibliotheken, mit einer kommentierten Vorstellung der Quellen zur Histoire du Soldat in der Villa Rychenberg, Reinharts Residenz. Die anschliessende konzertante Aufführung des Werks am Sonntagabend im Stadthaus Winterthur rundete die «Werner-Reinhart-Tage» ab.