Verdrängt KI die Kreativen?

Rechtsprechung im Bereich KI und Musik war das Thema des jüngsten Treffens der Parlamentarischen Gruppe Musik (PGM) am 5. März in Bern. Die Ratlosigkeit war mit Händen zu greifen.

Nationalratssaal in Bern. Foto: Olha Solodenko/depositphotos.com

Wir leben in bewegten Zeiten, Disruption ist das Wort der Stunde. Wie abrupt für sicher gehaltene Regeln der Weltpolitik ausser Kraft gesetzt werden können, war vor Kurzem noch kaum vorstellbar. Das gilt auch für die Kreativwirtschaft. Nach den Zerstörungen traditioneller Distributionsmodelle für Musik, Film, Literatur und Kunst durch Internet-Plattformen scheint nun ein zweiter Tsunami die Kulturschaffenden zu überrollen: Künstliche Intelligenz (KI) droht jetzt auch noch die Produktionsmodelle zu demontieren. Wie soll man darauf reagieren?

Kann es sein, dass es in absehbarer Zukunft keine Komponisten, Schriftstellerinnen, Modefotografen oder Regisseurinnen mehr braucht? Systeme wie Chat-GPT, Deepseek, Claude oder speziell in der Musik Mubert oder Suno erschaffen mittlerweile nach alltagssprachlich formulierten Anweisungen automatisch Werke: «Komponiere einen Tango im Stil von Piazzolla für Flöte und Kammerorchester! Schreib einen Popsong mit Reggae-Elementen als Ode an die Berge!» So etwas reicht als Anweisung, und selbst musikalische Analphabeten können sich von der Maschine Stücke nach ihren Wünschen zurechtschustern lassen.

Allerdings tun dies KI-Modelle erst, nachdem die Anbieter sie dafür mit real existierenden Vorbildern trainiert haben. Sie nutzen damit Werke, die eigentlich urheberrechtlich geschützt sein sollten. Die Frage, die im Zentrum des von Nationalrat Stefan Müller-Altermatt geleiteten PGM-Treffens stand, war denn auch: Gibt es rechtlich Möglichkeiten, den Anbietern der KI-Systeme gegenüber Ansprüche geltend zu machen?

Juristische Spitzfindigkeiten

Auf welche Schwierigkeiten man dabei stösst, erläuterten die Rechtsanwältin Chantal Bolzern und der Jurist Noah Martin, die beide für die Schweizer Rechteverwertungsgesellschaft Suisa tätig waren oder sind. Wie ihre Referate zeigten, herrscht auf dem Gebiet zurzeit tatsächlich noch Verwirrung. Das beginnt schon bei den Fragen, gegen wen man wo rechtlich vorgehen müsste. Die Akteure sind global tätig, mit komplexen internationalen Firmenstrukturen, was es ja schon schwierig gemacht hat, Rechtshändel mit Plattformen wie Facebook auszufechten. Es ist zudem völlig unklar, in welcher Art KI-Anbieter Originalwerke benutzen, um ihre Modelle zu trainieren, und welche Gesetze dabei relevant werden: Neben dem Urheberrecht könnten je nachdem auch Patent- und Wettbewerbsrechte ins Spiel kommen.

Chantal Bolzern betonte deshalb, die zentrale Voraussetzung für Rechtssicherheit auf dem Gebiet sei Transparenz. Wir müssten wissen, wie genau die Trainings gemacht werden. Dies offenzulegen, interessiert die KI-Anbieter aber kaum. Sie schützen ihre Geschäftsmodelle mit Geheimniskrämerei. Das hat zur Folge, dass Debatten geführt werden, die manchmal eher wie Wortklauberei anmuten. Zentral scheint der rechtlich definierte Begriff der «Verwendung» zu sein, der Urhebern Kontrolle über die eigenen Werke erlaubt.

KI-Anbieter stellen sich auf den Standpunkt, dass sie die Originalwerke zum Training ihrer Systeme eben gar nicht «verwenden», sondern – und jetzt wird es juristisch spitzfindig – sie bloss «geniessen», was urheberrechtlich frei machbar ist. «Werkgenuss» ist ebenfalls ein rechtlich definierter Begriff und meint «die blosse Kenntnisnahme eines Werks». Diese wiederum ist stets frei erlaubt. Und selbst wenn man Argumente dafür hätte, dass die KI-Anbieter die Werke im rechtlichen Sinne «verwenden», könnten diese sich auf den Standpunkt zurückziehen, dass sie sie bloss zu «wissenschaftlichen Zwecken nutzen», was wiederum frei möglich ist.

Sind also die rechtlichen Grundlagen zum Umgang mit dem neuen Phänomen KI noch völlig ungeklärt, so gilt dies noch mehr für die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. Der am Treffen ebenfalls anwesende Neu-Nationalrat und Musiker Ueli Schmezer wies darauf hin, dass schon seit Jahren eine Motion von Balthasar Glättli zur Rechtsdurchsetzung im Internet hängig sei. Sie sollte dazu führen, dass Plattformen wie Facebook eine nationale Anlaufstelle einrichten. Auch da ist die Politik noch nicht weiter. Eine griffige rechtliche Strategie mit Blick auf die kommenden Herausforderungen durch die KI scheint damit in weiter Ferne. Und wenn man bedenkt, dass die Politikerinnen und Politiker zurzeit tatsächlich ganz andere Sorgen haben, dürften für die Kreativen schwierige Zeiten anbrechen.

Steter Hunger nach Originalwerken

Etwas Schadenfreude könnte allerdings doch übrigbleiben, denn es gibt Anzeichen dafür, dass die zurzeit überfallartig über die Kreativwirtschaft einbrechende künstliche Intelligenz schneller implodiert, als man meinen könnte. Am PGM-Treffen wiesen die Rechtsvertreter darauf hin, dass die statistischen Modelle der KI im Korpus der Trainingsdaten immer den Durchschnitt suchen. Mit jeder neuen Trainingsrunde dürften die Daten wiederum auch KI-generierte Werke umfassen und damit die Resultate immer flacher und nichtssagender werden. Ihre Kraft werden die Systeme nur behalten, wenn sie ständig mit originalen, von der Masse abweichenden Werken gefüttert werden.

Was das für die Geschäftsmodelle der Kreativen bedeutet? Angesichts der Ratlosigkeit ist die Versuchung gross, die Frage Chat-GPT und seinen Kumpanen zu stellen. «KI-Modelle haben das Potenzial, die Geschäftsmodelle kreativer Branchen erheblich zu beeinflussen. Sie bieten sowohl Chancen als auch Herausforderungen, da sie den kreativen Prozess verändern und neue Möglichkeiten schaffen», antwortet Chat-GPT. Na ja, so weit waren wir auch schon.

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