God save the «Nachwuchsarbeit»: Junger Chor Solothurn
Was ursprünglich als Corona-Projekt begann, bereichert seit 2021 das musikalische Leben der Region an der Aare. An Ostern präsentierten rund 25 junge Erwachsene unter der Leitung von Lea Scherer und Joël Morand ihr drittes Programm.
Der Werdegang seiner Co-Leitung ist bezeichnend für den neuen Projektchor: Selbst in der Kindheit bereits mit der Passion für Chormusik und gemeinsames Singen infiziert, engagieren sich Lea Scherer und Joël Morand seit Jahren an den zwei grossen örtlichen Chorschulen. So sind nahezu alle Sängerinnen und Sänger des Jungen Chors im Solothurner Mädchenchor oder bei den Singknaben der St.-Ursen-Kathedrale ausgebildet worden und teilweise dort aktiv – und welch ein Pfund das ist, liess sich am 4. April beim Konzert in der Franziskanerkirche Solothurn hören.
Just Good Music
Ein anspruchsvolles britisch-schweizerisches A-cappella-Programm unter dem Titel God save the Queen music! hatten Lea und Joël zusammengestellt und vor gut besetzten Reihen mit zahlreichen jungen Zuhörenden war rasch klar: Hier wird auf hohem Niveau musiziert.
Martha von Castelbergs O bone Jesu liess klare Höhen und einen erstaunlich samtenen Tiefklang hören, gute Diktion und klare Vokalführung in Ich hebe meine Augen auf von Willy Burkhard. In der herausfordernden Kirchenakustik zwei Sätze der Messe pour double chœur von Frank Martin zu präsentieren, meisterte das junge Ensemble mit Bravour. Mit homogenem Klang (und der offensichtlichen Schulung in Vokalmusik der Renaissance) überzeugte Music divine von Thomas Tomkins, ebenso der Pyramid Song von Radiohead.
Eindringlich interpretierte das Ensemble Advance Democracy von Benjamin Britten aus dem Jahr 1938, ein Werk, welches im Vorfeld des 2. Weltkriegs zur Verteidigung demokratischer Werte aufrief. Erwähnenswert ist auch, dass auf jeglichen inszenatorischen «Firlefanz» (Zitat aus dem Publikum) verzichtet wurde und die Musik die «Queen» des Abends war.
Basisausbildung lohnt sich
Der Junge Chor Solothurn zeigt auf berührende Weise, wie wertvoll alle Bemühungen in der musikalischen Kinder- und Jugendausbildung sind. Die unzähligen Stunden Stimmbildungs-, Proben- und Projektarbeit bilden eine Basis, auch für das beeindruckende Niveau, auf welchem hier musiziert wird.
Auch wenn die Ressourcen vielleicht noch nicht allzu üppig sind und es an Zeit für zukünftig zwei Projekte pro Jahr mangelt: Hohe Ambition und Zuversicht, sich in einem stimmigen Umfeld musikalisch zu beweisen, strahlen die jungen Sängerinnen und Sänger aus. Der Junge Chor Solothurn kann auf ein unterstützendes Umfeld in der Stadt zählen und ist Mitglied des kantonalen Chorverbands.
Zwischen Jugendchor und 60+
Das Angebot schliesst eine Lücke, auf die viele junge (semiprofessionelle) Sängerinnen und Sänger stossen, sobald sie den Jugendchören entwachsen: Wo können sie mit hohem Anspruch weitersingen, sich mit Gleichaltrigen (in jedem Fall mit «Nicht-60+») musikalisch weiterbilden, gute Programme präsentieren? Unichöre haben vielleicht nicht das erhoffte Niveau, der «gap» zu den bestehenden Erwachsenenchören und den traditionellen Amateurchören scheint mitunter gross.
Die bescheidene und offensichtlich mit Herzblut engagierte Leitung des Jungen Chors versetzt die Sängerinnen und Sänger, die nur zu einem kleinen Teil eine professionelle Musikerlaufbahn anstreben, in die Lage, sich eine eigene musikalische Heimat zu errichten. Die Möglichkeit einer identitätsstiftenden musischen Betätigung im nur vermeintlich abgeschriebenen «Chorverein», noch dazu für ein begeistertes Publikum, ist in Solothurn nunmehr vorhanden.
Die nächste Generation schickt sich an, das Chorleben in der Schweiz weiterzuentwickeln und das regionale Kulturleben zu bereichern.