«Bitte, ich versuche zu sprechen»
Diesen Titel setzte Jürg Halter über seine Intervention am Symposium «Sprachkunst in der Musiktherapie» an der ZHdK. Improvisierend reflektierte er das Verstehen und Verstandenwerden und bewegte sich virtuos an den Übergängen von Sprache, Musik und körperlicher Darstellung.
Begriffe wie Musiksprache, Wortmusik, Körpersprache weisen darauf hin, dass Sprache, Musik und Körper sich aufeinander beziehen, sich gegenseitig gar bedingen. Im Idealfall – und das wissen nicht nur Bühnenkünstlerinnen und -künstler – verdichten sich die drei Elemente zu einem kunstvollen Ganzen.
Das Symposium «Sprachkunst in der Musiktherapie» vom 26. und 27. Januar an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) thematisierte «die Übergänge zwischen Sprache und Musik». Fachleute aus Literatur, Musik, Performance und Therapie beleuchteten das Dachthema in Vorträgen und Workshops aus verschiedenen Blickwinkeln. Beate Roelcke und Diandra Russo moderierten die Veranstaltung.
Musik und Sprache werden in der Therapie verantwortungsbewusst, wissenschaftlich fundiert, aber auch auf künstlerisch-kreative Weise eingesetzt. Der Leiter der Abteilung Musik an der ZHdK, Michael Eidenbenz, sagte dazu in seinem Grusswort: «Musikmachende tragen Verantwortung, gute Musik zu machen. Im therapeutischen Kontext gilt dies erst recht.»
Drei Keynote-Referate breiteten die mannigfaltigen Aspekte aus: Sandra Lutz Hochreutener sprach unter dem Titel «Körper-, Musik- und Wort-Sprache im Trialog» über das wissenschaftliche Gerüst der Musiktherapie und veranschaulichte ihre Arbeit mit Beispielen aus der Praxis. Benjamin Hoeltje berichtete über die bei «Risiko-Jugendlichen» gut funktionierende «Rapmusiktherapie», und der bekannte Schweizer Autor, Lyriker, Performer und bildende Künstler Jürg Halter erwies sich als die perfekte Besetzung, um die Bedeutung von Sprache in Verbindung mit Musik in künstlerischer Form zu demonstrieren.
Sinn und Klang vereinen
Jürg Halter hat unter anderem als Poetry-Slammer und als Kunstfigur Kutti MC erfolgreich als Rapper gearbeitet. Zu Beginn seines Vortrags «Bitte, ich versuche zu sprechen» stellte er den Titel gleich szenisch dar. Stammelnd und nach Worten ringend begab er sich zur Bühne und erörterte anhand vieler Beispiele und Zitate, teils aus eigenen Gedichten, seine Auffassung von Sprache. Ruhelos wanderte er dabei zwischen zwei Notenständern hin und her, als ob er seine Argumente zusammensuchen wollte. Tatsächlich sprach er frei, und über weite Strecken improvisierte er. «Wenn Geist und Körper sich zusammentun, kann Sprache entstehen», sagte er und fuhr fort: «Sinn und Klang, ich werde euch vereinen.» Das Aneinanderreihen von Wörtern müsse immer auch einen Rhythmus aufweisen. Er nannte dies «Wortmusik». Er zitierte nicht nur, sondern performte die Textausschnitte, kleidete sie in einen eigentümlichen Sprechgesang und versah sie mit den vom Rap her bekannten, coolen Vorwärtsbewegungen der Arme.
Keine Angst vorm Scheitern
Improvisieren in Musik und Sprache habe viel mit Selbsterfahrung und Selbsterweiterung zu tun, führte Halter aus und knüpfte damit wieder beim Thema der Veranstaltung an. Der Angst vor dem Scheitern setze er sich bewusst aus und bereite sich nie bis ins Letzte auf Auftritte vor. Er möge Menschen, die sich dem Risiko der Blamage auslieferten. «Es fragt sich allerdings, auf welchem Niveau man scheitert», fügte er schmunzelnd hinzu. Als Vorbereitung einer Improvisation begebe er sich in einen «Zustand zwischen absoluter Konzentration und Loslassen».
Auf verblüffende Weise demonstrierte er seine Improvisationskunst mit einer spontanen Performance über den aus dem Publikum vorgegebenen Begriff «Enten». Nach kurzer Zeit befand er sich in einer Art Trance. Als ob er von einem imaginären Teleprompter abläse, trug er einen in seiner Sinnlosigkeit vollendet gestalteten Text vor.
«Sprache ist der Versuch, sich verständlich zu machen», betonte Halter, und doch begleite ihn die Gefahr, missverständlich zu sein. Ziel wäre es, eine gemeinsame Sprache zu finden, in der Missverständnisse weitgehend vermieden werden könnten. Eine kritische Reflexion über das Medium Sprache sei für den denkenden Menschen unverzichtbar.