Hervorragend interpretierte Werke an der Basel Composition Competition
Die vierte Ausgabe der Basel Composition Competition rückte bisher unbekannte Komponistinnen und Komponisten unterschiedlicher Generationen in den Fokus. Der Brasilianer Leonardo Silva gewann den mit 60 000 Franken dotierten 1. Preis.
In diesem Jahr konnte die Basel Composition Competition (BCC) vom 9. bis 12. Februar unter ganz normalen Bedingungen stattfinden, was wohl von allen Beteiligten sehr geschätzt wurde. Im Gegensatz zum Kompositionswettbewerb am Genfer Concours vor einigen Monaten, wo nur gerade drei ausgewählte Werke im Finale erklangen, wurden in Basel immerhin zwölf Kompositionen für Sinfonie- bzw. Kammerorchester aufgeführt. Im Musik- und Kulturzentrum Don Bosco spielten die Basel Sinfonietta, das Sinfonieorchester Basel und das Kammerorchester Basel an drei Abenden unter der Leitung von Jessica Cottis, Clemens Heil und Sylvain Cambreling je vier Werke.
Um es gleich vorwegzunehmen: Alle drei Klangkörper waren sehr gut vorbereitet und motiviert, was jeder Komposition eine adäquate Aufführung garantierte. Selbst technisch anspruchsvollste Aufgaben wurden beeindruckend gemeistert.
Stilistische Breite, geografische Lücken
Bei der BCC gibt es keinerlei Beschränkungen, was Alter oder Nationalität der Teilnehmenden betrifft. Die Jury bestand dieses Jahr aus den Komponisten Michael Jarrell (Vorsitz), Toshio Hosokawa (dessen neues Violinkonzert am 2. März 2023 von den Berliner Philharmonikern uraufgeführt wurde), Luca Francesconi, Andrea Scartazzini und dem Direktor der Paul-Sacher-Stiftung, Florian Besthorn. Isabel Mundry war zwar an der Auswahl im Oktober beteiligt gewesen, musste aber wie Rebecca Saunders krankheitshalber ihre Teilnahme absagen.
Ohne die Herkunftsländer der Komponistinnen und Komponisten aller eingesandten Werke zu kennen, bleibt die Tatsache erstaunlich, dass unter den gespielten Stücken keines aus Nordamerika oder Osteuropa stammte, die Mehrzahl hingegen aus Ostasien. Stilistisch waren sie dennoch recht unterschiedlich, ihre Titel oft rätselhaft (Metempsychosis, e-e IV, Opus reticulatum, Incognita_C) und einige ziemlich uninteressant. Einmal mehr stellte sich heraus, dass ein komplexes Notenbild mit extremer Auffächerung der Stimmen keine Garantie für einen besonderen Klang ist, ebenso wenig wie die in den Werkerläuterungen erwähnten persönlichen Schicksalsschläge oder die Bezugnahme auf bekannte bildende Künstler oder Dichter, von deren Glanz etwas auf das jeweilige Stück abstrahlen soll.
Erstaunliche Rangliste
Die Werke für das Abschlusskonzert auszuwählen, dürfte etwas einfacher gewesen sein, als die Schlussrangliste festzulegen. Erfreulich war, dass man – obwohl vielleicht kein Meisterwerk darunter war – jedes der fünf im Finale am 12. Februar gespielten Werke gerne ein zweites Mal gehört hat.
Einen dritten Preis (je 7500 Franken) erhielt die Japanerin Nana Kamiyama (*1986) für Umbilical Cord für Kammerorchester, ein vom Klang japanischer Instrumente beeinflusstes Werk, das auf attraktive Weise Geräuschhaftes und definierte Tonhöhen verbindet. Auch chameleon des Südkoreaners Jinseok Choi (*1982) erhielt einen dritten Preis. Diese von traditioneller koreanischer Musik inspirierte virtuose und kraftvolle Komposition basiert auf mehreren unabhängigen musikalischen Zellen. Diese sind kontrastierend angeordnet und erzeugen sich überlappend laufende Veränderungen von Klang und Farben.
Den zweiten Preis in der Höhe von 25 000 Franken gewann der 1981 geborene Japaner Masato Kimura für –minusIX für fünf Streichquartette und Ensemble. Dieses interessant besetzte Werk ist Teil einer Serie, die der Komponist als «negativen akustischen Raum» bezeichnet. Sein Klang wird auf der Grundlage negativer Aspekte von Phänomenen wie Instabilität, Stille, Zweideutigkeit und Langsamkeit erzeugt. Daraus abgeleitet – nicht ganz leicht zu verstehen – entsteht ein für das Werk charakteristischer «Klangnebel».
Den Hauptpreis, gestiftet von der Isaac-Dreyfus-Bernheim-Stiftung, erhielt der in Berlin lebende brasilianische Komponist Leonardo Silva (*1989) für sein Stück Lume (musica d’immenso I). Es ist von einem kurzen Gedicht des italienischen Lyrikers Giuseppe Ungaretti inspiriert. Sicher kein schlechtes Werk, das sich aber in keiner Weise von den anderen Kompositionen abhob. Eher könnte man sagen, dass man seiner Klangwelt schon in vielen anderen Stücken der klassischen Avantgarde wie etwa jenen von György Ligeti begegnet ist. Dass auch Werke von Wagner, Strawinsky oder Boulez wie sein eigenes mit einem Es beginnen, hätte der Komponist wohl besser für sich behalten.
Von den Werken, die keinen Preis erhielten, waren Gou Chen IV der 22-jährigen Chinesin Jin-Han Xiao und Jenseits des Engländers John Weeks (*1949) am bemerkenswertesten. Das sehr schwer zu spielende Stück der jungen Chinesin, das auch elektronische Effekte imitiert, ist eine unglaubliche Klangeruption und liess die meisten anderen Werke blass aussehen. Jenseits für Kammerorchester von Weeks, aus einer völlig anderen Welt stammend, war eine der wenigen Kompositionen, die der Instrumentation einen ganz wichtigen Stellenwert beimassen. Altflöten, Englischhörner (mit einem von Matthias Arter wunderbar geblasenen Solo), Bassklarinetten und Kontrafagotte verliehen dem Werk eine aussergewöhnliche Aura.
Verankerung in der Stadt
Eine Besonderheit des BCC ist bestimmt, dass die Organisatoren grossen Wert darauf legen, den Wettbewerb in der Stadt zu verankern. So arbeiteten zum Beispiel mehrere Komponistinnen und Komponisten mit Schulklassen zusammen, erzählten aus ihrem Leben und erklärten ihre Werke und Kompositionsmethoden. In zwei Vorkonzerten erklangen ausserdem Kammermusikwerke der Jurymitglieder Toshio Hosokawa und Rebecca Saunders. Die von Marcus Weiss einstudierten Ensembles der Hochschule für Musik brillierten mit hervorragenden Interpretationen ausgesprochen interessanter Werke.
Im Februar/März 2025 findet die fünfte Ausgabe der Basel Composition Competition statt.