Rätsel lösen und Oper spielen

Vom Klassenmusizieren im Schulzimmer auf die Opernbühne. Kinder und Profis führen in Basel gemeinsam Detlev Glanerts «Die drei Rätsel» auf.

«Die drei Rätsel»: ein Opernabend mit der Orchesterschule Insel in Basel. Foto: Matthias Müller

Das Inselschulhaus steht in einem der sozial schwächsten Quartiere Basels. Der Ausländeranteil und die Anzahl der Sozialhilfeempfänger gehören zu den höchsten im Kanton. Hier nahm vor acht Jahren ein spannendes Klassenmusizier-Projekt seinen Anfang. Im zweiten und dritten Primarschuljahr steht drei Mal pro Woche das Erlernen eines Streichinstruments auf dem Lehrplan. Vor sechs Jahren gründete die Cellistin und Leiterin des Klassenmusizierens, Dorothee Mariani, den Verein Orchesterschule Insel, um den Kindern die Möglichkeit zu bieten, in einem Orchesterverband mit Profis zusammen musikalische Erfahrungen zu sammeln. Der Verein hat sich über das angestammte Schulhaus hinaus geöffnet und zählt inzwischen rund 50 musizierende Kinder. Sie bekommen jeweils freitagnachmittags unter der Anleitung von Berufsmusikerinnen und -musikern instrumentenspezifischen Gruppenunterricht. Am Samstagvormittag wird gemeinsam geprobt: «Der Unterricht ist gratis und die Kinder erhalten unentgeltlich ein Instrument, das sie zum Üben mit nach Hause nehmen dürfen. Als Gegenleistung werden der regelmässige Probenbesuch sowie eine entsprechende Vorbereitung verlangt», schreibt die Musikerin auf der Webseite. Es gibt vier Leistungsniveaus. Ein wichtiges Prinzip des Unterrichts besteht darin, dass die Fortgeschrittenen den Anfängern beim Lernen helfen. Neben klassischem Streicherrepertoire spielt die Orchesterschule Volksmusik aus den verschiedenen Herkunftsländern der Kinder.

Funktionierendes Konzept

Die Aufführung der Kinderoper Die drei Rätsel beweist, dass das instrumentale Lernen in heterogenen Gruppen an der Volksschule eine gültige Alternative zum konventionellen Instrumentalunterricht an Musikschulen sein kann. Der in die Stundentafel integrierte Instrumentalunterricht erreicht Kinder, die niemals an eine Musikschule gehen würden, dies aus sozialen, aber vor allem auch aus finanziellen Gründen. Die Arbeit in einem Orchester mit professioneller Anleitung, wie sie an der Orchesterschule angeboten wird, scheint die Kinder mächtig zu motivieren. Rund 100 Kinder und Jugendliche der Orchesterschule Insel, der Mädchen- und Knabenkantorei Basel, der Primarschule Insel, von Musikschulen sowie einige Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel waren beteiligt an dieser gelungenen Aufführung. Zu den 20 fortgeschrittensten Streicherinnen und Streichern der Orchesterschule gesellten sich Instrumentengruppen aus verschiedenen Musikschulen beider Basel, z. B. Flöten, Gitarren, Blasinstrumente und Perkussion. Es war ein wunderbares Erlebnis, die vielen kleineren und grösseren Kinder anderthalb Stunden konzentriert am Pult sitzen und aufmerksam den Signalen des Dirigenten folgen zu sehen. Die restlichen Kinder der Orchesterschule spielten, sangen und tanzten auf der Bühne zusammen mit den jungen, hervorragenden Gesangsprofis, oder sie halfen hinter der Bühne mit. An der besuchten Vorstellung am 13. Mai spielte der 11-jährige Yannick Köllner die Hauptrolle des Lasso. Er besucht die Musikschule Liestal, und sein Lehrer war als Solist mit auf der Bühne. Mit hübscher, intonationssicherer Stimme bewegte er sich darstellerisch souverän und bewältigte ohne Probleme die rhythmischen Klippen seiner umfangreichen Partie. – Chapeau!

Pyjamaparty mit Prinzessin

Unter der klaren Leitung von Stefano Mariani wurde die abwechslungsreiche, farbig instrumentierte und rhythmisch anspruchsvolle Partitur von Detlev Glanert überzeugend interpretiert. Trotz widriger räumlicher und akustischer Umstände – das Stadt-Casino ist als Theaterraum nun einmal nicht geeignet – gelang ein unterhaltsamer Opernabend. Maria Riccarda Wesseling setzt in ihrer Regie auf Bewegung, Humor und Symbolik. Die Figuren werden theatralisch und plastisch herausgearbeitet. Das lieblose Elternhaus des kleinen Lasso personifiziert sich in seiner hysterischen Mutter (Christina Campsall), die aggressiv mit ihrem Staubsauger hantiert, die Erwachsenenwelt versteckt sich hinter uniformen und bedrohlichen Masken. Lasso flüchtet aus seiner biederen Welt und erträumt sich eine Prinzessin am Königshof. So einfach lassen sich seine Träume allerdings nicht umsetzen. Auf der Flucht wird er fast durch den vergifteten Kuchen seiner Mutter getötet und am Hof trifft er einen vertrottelten König (Robert Koller) und lauter skurrile Figuren. Die Prinzessin (Sophia Schwendimann) ist spröde und schützt sich mit einer übergrossen Krinoline. Er kann sie nur für sich gewinnen, wenn er ihr drei Rätsel stellt, die sie nicht lösen kann. Dieser Plan geht auf. Der König findet die Rätsel alle nur dumm und niemand am Hof weiss die Lösungen. Er darf eine Nacht mit der Prinzessin verbringen, ohne sie anzufassen. Während dieser gemeinsamen unschuldigen Pyjamaparty blüht sie auf, der Königshof geht unter und das junge Paar geht zusammen mit dem Galgenvogel (Akinobu Ono), einem guten Freund, hinaus ins Leben.

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Stefano Mariani probt mit dem Orchester. Foto: orchesterschule-insel.ch

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