Zusammen denken und hineinwirken
«Musik wirkt auf drei Ebenen: regional, sozial und individuell.» Diese Feststellung im Trailer zum Symposium in Feldkirch war der Stoff, an dem sich die zweitägige Veranstaltung orientierte.
Das Vorarlberger Landeskonservatorium lud am 4. und 5. Februar zu einem Symposium für Kultur- und Musikschaffende ein. Das Thema «Musik und Gesellschaft» brachte rund 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Vierländereck im Montforthaus Feldkirch zusammen. Neben Vorträgen und Inputs wurde in Gesprächsrunden angeregt debattiert und das erstmals aufgelegte Format gern zum Austausch genutzt.
Kultur für alle, die wollen
Martin Tröndle (Zeppelin-Universität Friedrichshafen) legte mit seinem Bericht zur «Nicht-Besucher-Forschung» einen Grundstein für die anschliessenden Debatten: Kultureinrichtungen (im engeren Sinn Theater, Opernhaus und klassisches Konzerthaus) sind zwar bekannt als Orte, an denen sich nur ein kleiner Teil der Gesellschaft findet. Es ist aber noch recht unklar, an wem und vor allem aus welchen Gründen die vielen Angebote des klassischen Sektors vorbeigehen. Einige Erkenntnisse aus einer Studie (2019 in Berlin mit rund 1300 jungen Akademikerinnen und Akademikern durchgeführt) seien hier kurz erwähnt: Das klassische Feuilleton als Ort der Information und Vorbereitung wird kaum noch genutzt, hingegen sind Offline-Informationen und der Freundeskreis nach dem Internet die zweitwichtigste Quelle.
Gern werden Zeit- und Geldknappheit genannt als Gründe, klassische Veranstaltungen nicht zu besuchen; sie sind jedoch nicht ausschlaggebend für das Besucherverhalten. Tröndle spricht von 11 % sogenannter «Nie-Besuchern», um welche sich zu bemühen aussichtslos sei; lohnenswerter weil erfolgversprechender sei es, die rund 20 % der «Noch-Nicht»- und «Vielleicht-Besucher» kennenzulernen. Institutionen können sich fragen, wie sie auf allen möglichen Ebenen «Nähe» anbieten und ihr Haus und ihre Angebote für alle, welche Kultur wollen, einladend gestalten.
Musik und Regionalentwicklung
Das überregional bekannt gewordene Lokalprojekt Konzerthaus Blaibach im Bayerischen Wald wurde massgeblich über Städtebauprogramme finanziert. Das leidig bekannte Problem der Betriebskosten für die Programmarbeit gibt es auch hier, wie das viele andere Veranstalter auch kennen. Auf Mittel der öffentlichen Hand wird hier unterdessen ganz verzichtet, da diese zu geringfügig sind, im Vergleich zum Aufwand, diese zu erhalten. Intendant Thomas E. Bauer vertritt leidenschaftlich den Standpunkt, dass es Anspruch auf prominente Kultur ebenso gibt wie auf Bildung und Infrastruktur – auch auf dem Land.
Die Konzertreihe «Montforter Zwischentöne» sucht regionale Relevanz, indem sie die lokalen Communities einbindet, Stadträume bespielt und über Feldkirch hinaus ins Rheintal mit rund 250 000 Einwohnern wirkt. In Eigenproduktionen werden Themen der Region aufgegriffen und künstlerisch in neuen Konzertformaten verarbeitet; Partizipation meint hier, die «User-Kompetenz» ebenso ernst zu nehmen wie Expertentum.
Qualifizierung für Soziomusik-Projekte
Ein Beispiel praktischer Talentförderung brachte Christine Rhomberg (Hilti Foundation) mit dem Bericht zum Engagement «Musik für sozialen Wandel» und führte in das zweite grosse Thema des Treffens ein: Wie können Musikerinnen und Musiker bereits in der Ausbildung befähigt werden, sich in sozialen Kontexten einzubringen? Um den etablierten Musikbetrieb und soziomusikalische Initiativen wie JeKi oder Superar nachhaltig und gewinnbringend zu verbinden, sind kreative Menschen und kluge Kooperationen gefragt.
Musikstudium und Pädagogikausbildung verstärkt zusammen zu denken, um die verheerenden Lücken in der musischen Grundbildung von Kindern wieder zu schliessen, ist eine drängende Aufgabe. Dies machte auch der Beitrag von Peter Heiler, Musikschule Bregenz, deutlich: Für eine «Musikschule in der Schule» braucht es Musiklehrkräfte, welche das gesamte Spektrum «ausbilden – lernen – spielen» im Blick haben, da es immer weniger Unterstützung vonseiten der Eltern gibt.
Viele musikalische Programmpunkte bereicherten das Symposium, es musizierten diverse Ensembles des Vorarlberger Landeskonservatoriums wie auch der vielköpfige Superar-Chor (Leitung Magdalena Fingerlos). Die Finalrunde des Hugo-Wettbewerbs – eines internationalen Studierendenwettbewerbs der Montforter Zwischentöne für neue Konzertformate – präsentierte vier Teams deutschsprachiger Musikhochschulen mit Ideen zum Thema «Umwege nehmen». Das Kollektiv XYlit aus Leipzig überzeugte mit dem Beitrag «Traumlandschaft» Jury und Publikum; die Hugo-Sieger erhalten 1000 Euro Preisgeld und können ihr Projekt nun mit einem professionellen Produktionsbudget für das Sommerfestival der Montforter Zwischentöne ausarbeiten.
Das Symposium war ein gelungener Auftakt für weitergehenden Austausch zwischen Musik und Gesellschaft und klug platziert: Das Landeskonservatorium hat soeben die Akkreditierung als Musikuniversität beantragt. Für den künstlerischen Leiter, Jörg Maria Ortwein, stehen sein Haus und das Symposium gleichermassen als «Impulsgeber für innovative Ansätze. Ziel ist es, die entstehende Musikprivatuniversität als eine ideale Plattform zur Entwicklung von künstlerischen Persönlichkeiten zu etablieren, die vielschichtig in die Gesellschaft hineinwirkt.»
- Foto: Vorarlberger Landeskonservatorium/Victor Marin
- Für Jörg Maria Ortwein, künstlerischer Leiter des Landeskonservatoriums, sind Vernetzung und innovative Vermittlungsansätze wichtig.