Lobbying und Unternehmertum als Vorbild
Der Verband Musikschulen Schweiz lud am 17. und 18. Januar zur 9. Ausgabe des Forums Musikalische Bildung (FMB) ins Trafo Baden. Das Thema lautete «Wege zum Ziel – Chancen einer Gesellschaft im Wandel».
Das FMB findet seit 2012 alle zwei Jahre statt und gehört zum festen Bestandteil der Agenda vieler Bildungsverantwortlicher. Christine Bouvard Marty, Präsidentin des Verbands Musikschulen Schweiz (VMS), durfte in diesem Jahr eine beeindruckende Zahl an Besucherinnen und Besuchern begrüssen, die Mehrheit davon war an beiden Tagen anwesend: Weit über 400 Tageseintritte wurden abgesetzt.
Im Jahr 2007 rief der damalige Präsident des VMS, Hector Herzig, das FMB ins Leben, um die musikalische Bildung als wichtigen Bestandteil der Gesamtbildung im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern. Dieses Anliegen fand in der grandios gewonnenen Volksabstimmung über die «Musikalische Bildung» 2012 einen ersten Höhepunkt. In den ersten fünf Foren (2007 bis 2012, anfänglich noch jährlich stattfindend) wurden folgerichtig neben musikpädagogischen und Zukunftsthemen die politischen Aspekte der Bildung stark gewichtet. Da sich die Umsetzung des Verfassungsartikels 67a «Musikalische Bildung» inzwischen am Vierjahresrhythmus der Kulturbotschaft orientiert, deren dritte Periode (2021–2024) in diesem Jahr in die entscheidende Phase der parlamentarischen Beratung geht, lag es nahe, auch diesmal einen Fokus auf die Politik zu richten.
Menschenrecht Musik
Ein ebenso aufschlussreiches wie unterhaltsames Referat zu den Mechanismen der Macht in Bundesbern hielt Markus Ritter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbands und CVP-Nationalrat (SG). Unter dem Titel «Politisch erfolgreich sein – was man von den Bauern lernen kann» präsentierte er eine Sieben-Punkte-Anleitung. Als äusserst erfolgreicher und bekennender Lobbyist hat Ritter mehrfach bewiesen, dass seine Rezepte zum Erfolg führen: «Das Richtige, zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Form, mit der richtigen Person, am richtigen Ort zu tun, ist grundlegend für den Erfolg», stellte er fest.
Über ein grosses politisches Wissen verfügt auch Max Fuchs, Honorarprofessor für Erziehungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. Für seine Leistungen als ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Kulturrats und als Mitglied des Bundesjugendkuratoriums wurde Fuchs mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. In einer wissenschaftlich stringenten Art und Weise leitete er in seinem Vortrag, ausgehend von der «Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte» der UNO (1948), ein «Menschenrecht Musik» ab.
David Vitali vom Bundesamt für Kultur (BAK), dort unter anderem zuständig für die musikalische Bildung, sprang als Referent für die verunfallte Direktorin des BAK, Isabelle Chassot, ein. Vitali erläuterte die in parlamentarischer Beratung befindliche Kulturbotschaft und hob die Pläne zur Umsetzung der musikalischen Begabtenförderung hervor. Der Referent nahm anschliessend unter der Gesprächsleitung von Jodok Kobelt zusammen mit Christine Bouvard Marty, Max Fuchs und dem Direktor des Schweizer Gemeindeverbands, Christoph Niederberger, an einer «Table ronde» teil.
Im Bann der Digitalisierung
Das FMB versteht sich traditionellerweise als Impulsgeberin für Zukunftskonzepte der Bildung. Den Auftakt des zweiten Tags machte Jan Rihak, Start-up-Gründer und Entwickler von «Classtime», einer in verschiedenen Ländern bereits erfolgreich eingesetzten, webbasierten Partizipations- und Prüfungsplattform für den modernen Unterricht. In seinem Vortrag «Ein unternehmerischer Spirit mit Modellcharakter für Bildungsinstitutionen?» präsentierte er Learnings aus der Programmentwicklung, und bot diese den Zuhörenden als Hilfestellung für eventuelle eigene Projekte an.
Anstelle des erkrankten Peter Röbke sprach Michaela Hahn, Professorin für Musikschulforschung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, zum Thema «Aspekte einer Musikpädagogik der Gegenwart». Sie warf einen Blick auf die Wurzeln und die Entwicklung der Musikschulbewegung bis heute, benannte den gesellschaftlichen Auftrag der musikalischen Bildungsinstitutionen und stellte einige impulsgebende europäische Modellprojekte vor.
Einer der führenden Soziologen Deutschlands, Armin Nassehi, Ordinarius an der Ludwig-Maximilians-Universität München, äusserte sich in seinem Referat «Bildung gestalten in der digitalen Gesellschaft» zur Bedeutung der Digitalisierung. Er erörterte die Frage: «Für welches Problem ist die Digitalisierung die Lösung?» und stellte diese epochale Errungenschaft in eine Reihe mit anderen weltverändernden Erfindungen wie dem Buchdruck oder der Dampfmaschine. Wie in allen Lebensbereichen sei die Digitalität auch in der Bildung ein Fakt. Die Technik sei aber in den Dienst der Bildungsziele zu stellen.
Gut umrahmt und Good Practices
Das musikalische Rahmenprogramm war wie immer von erlesener Qualität. Das Klarinettenquartett Quadrifoglio hatte sich im Thurgauer und im Schweizerischen Jugendmusikwettbewerb (SJMW) bereits erste Preise mit Auszeichnung erspielt. Damit verdienten sich diese hochmusikalischen jungen Menschen auch einen VMS-Spezialpreis. Der zweite VMS-Preis ging an die Rockband Weird Fishes. Sie hatte bereits am SJMW Jazz&Pop für Furore gesorgt und mit ihrem progressiven Sound das Publikum vom Hocker gehauen. Der Hitparaden-Habitué Gustav setzte den Schlusspunkt des ersten Tages. Er ist seit Jahren bekannt für seine pädagogisch motivierten Schulkonzerte.
Zum dritten Mal führte der VMS seinen Wettbewerb mit zukunftsweisenden Musikschulprojekten durch. Dieses Mal gab es keine Zweit- und Drittplatzierten, sondern gleich drei erste Plätze: Die «Ecole de Jazz et de Musique Acutelle» (EJMA) verdiente sich nach Ansicht der Fachjury unter dem Vorsitz von Felix Bamert einen davon für ihr Projekt «Département de musique assistée par ordinateur (MAO)». Der nächste ging an die Swiss Jazz School Bern (SJS), für das Projekt «iMPro-Webapp: Das digitale Lehrmittel für Improvisation».
Den Publikumspreis holte sich die Musikschule Olten mit «Offene Musikschule Olten – Mehr Raum und Zeit für die Musik».
Das nächste FMB findet am 21. und 22. Januar 2022 in Baden statt.