Die Lage bessert sich – nicht überall

Das m4music-Festival tat sich bei seiner 22. Ausgabe einmal mehr als Konzertort und Branchentreff hervor. Während die Musik positive Zeichen setzte, gaben sowohl der Musikjournalismus als auch das Konzertgeschäft Anlass zur Sorge.

Die Zahlen waren einmal mehr beeindruckend: Nicht nur rund 1000 Vertreter der Musikbranche, sondern auch an die 6000 Fans besuchten die 22. Ausgabe des dreitägigen Popmusikfestivals m4music in Lausanne und Zürich. Während namentlich die Zürcher Folkband Black Sea Dahu und das zwischen Rock, Rap, Pop und Noise agierende Winterhurer Duo Ikan Hyu für musikalische Höhepunkte besorgt waren, wurde an den gut dreissig Veranstaltungen des Konferenzteils über so unterschiedliche Themen wie Auftrittsmöglichkeiten in Europa, das (Über-)Leben als Songwriterin oder die aktuellen Absatzahlen im Musikbusiness diskutiert.

Streaming auf dem Vormarsch

Im Panel «Der Musikmarkt 2018, 2019 und darüber hinaus» lautete die Erkenntnis: Die Lage bessert sich. Wachstumsmotor sind nicht mehr die CD-Verkäufe oder die Downloads, sondern das Streaming-Geschäft. Im vergangenen Jahr hat der Schweizer Tonträgermarkt einen Umsatz von rund 170 Millionen Franken getätigt – das sind 3,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Laut Ivo Sacchi, dem Managing Director von Universal Music Schweiz, gibt es Musikgattungen, die bis zu 95 Prozent ihrer Tonträgereinnahmen aufgrund von Streaming erzielen. «Das gilt insbesondere für Urban, Deutsch-Rap und Hip Hop.» Ein etwas anderes Bild zeichnete Marc Lynn, Bassist der Rocktruppe Gotthard: «Rockfans wollen nach wie vor das physische Produkt in den Händen halten können.» Er schätzte, dass sich rund 70 Prozent der Fans die Musik von Gotthard immer noch auf Vinyl oder CD zulegen würden. Das unterscheide sich jedoch von Kontinent zu Kontinent. «In Südamerika wird fast nur noch gestreamt.» Universal-Vertreter Sacchi zweifelt nicht daran, dass sich der Trend zum Streaming fortsetzen werde, auch in der Schweiz: «Das Potenzial ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.» Dafür spricht alleine schon die Tatsache, dass wöchentlich 15 000 Songs auf Streaming-Portale wie Spotify hochgeladen werden.

Musikjournalismus im Krebsgang

Weniger erfreulich präsentierte sich hingegen die Situation im Musikjournalismus. Beim Panel zum Thema kristallisierte sich vor allem eine gewisse Ratlosigkeit heraus. Linus Volkmann, der bis letztes Jahr für das nun eingestellte Musikmagazin Intro tätig war, erklärte: «Der Musikjournalismus hat seine Gatekeeper-Funktion eingebüsst. Dementsprechend kommen die jungen Zielgruppen von heute ohne Printprodukte aus.» Dennoch oder gerade deshalb zeigte sich Ane Hebeisen, Pop-Redaktor bei der Tageszeitung Der Bund, überzeugt, Musikjournalismus sei nach wie vor nötig – und zwar mehr denn je. «Es braucht Schreiberinnen und Schreiber, die Vertiefung schaffen und die Türe zu anderen Musikwelten aufstossen.» Tatsache ist aber, dass etwa der Tages-Anzeiger seit vergangenem Jahr kein Budget mehr für freie Musikjournalisten hat. Volkmann, der auch als Buchautor tätig ist, vermochte dem Niedergang des Musikjournalismus allerdings auch Positives abzugewinnen: «Wer Bock hat, über Musik zu publizieren, kann das jetzt einfach machen.» Etwa mittels eines Youtube-Kanals oder eines Blogs.

Clubs vom Aussterben bedroht

In seiner Keynote «Monopoly im globalen Konzertgeschäft» beschäftigte sich der unabhängige Konzertagent Berthold Seliger aus Berlin mit seiner Branche, die noch vor wenigen Jahren als Goldgrube gepriesen wurde. Seit 2012 würden nun allerdings Grosskonzerne auf diesem Gebiet laufend an Einfluss gewinnen. Während kleine Clubbetreiber versuchten, Künstlerinnen und Künstler nachhaltig aufzubauen, seien Riesenplayer wie Live Nation nur am Geschäft interessiert. Und das mit gutem Grund: «Ein Prozent aller Künstler generiert 60 Prozent aller Konzerteinnahmen», wusste Seliger. Eine Tatsache, die ihn eine staatlich verordnete Solidaritätsabgabe für unabhängige Clubs und Veranstalter fordern liess. «Und zwar für jedes Ticket, das mehr als 50 Euro kostet.» Das sei eigentlich unausweichlich, weil die örtlichen Clubs und Veranstalter zunehmend eine aussterbende Gattung darstellten. Dass sich die Situation von selbst bessert, glaubte Seliger nicht.

Stadt-Land-Graben

Und wie bewertete Festivalleiter Philipp Schnyder von Wartensee die 22. Ausgabe dieser Veranstaltung des Migros-Kulturprozents? «Es waren drei lebendige, intensive Tage mit tollen Entdeckungen von Schweizer Talenten», gab er zu Protokoll. Aufgefallen sei ihm insbesondere, wie offen viele der rund 1000 Vertreter der nationalen und internationalen Musikbranche aufeinander zugegangen seien. «Man begegnet sich je länger je stärker nicht als Konkurrenten, sondern sieht in erster Linie vielfältige Möglichkeiten zur Zusammenarbeit.» Kritischer sah er hingegen eine andere Entwicklung: Zwar gebe es keinen Graben mehr zwischen Musikern aus der Deutschschweiz und der Romandie, dafür scheine der Austausch zwischen Künstlern aus der Stadt und solchen vom Land immer mehr zu harzen. Schnyder zog jedoch eine positive Gesamtbilanz: «Seit je ist es die Philosophie von m4music, jüngere und ältere Musikschaffende an unserem Festival zusammenzubringen. Und das läuft.»

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