Sachers Geist im 21. Jahrhundert

Die zweite «Basel Composition Competition» (BCC) fand im Kirchgemeindehaus Oekolampad statt. – Die hohe Qualität der Veranstaltung überzeugte auch diesmal.

Foto: Niklaus Rüegg

 

Von aussen betrachtet hat sich der Wettbewerb verkleinert, doch der Wechsel vom Foyer des Basler Stadttheaters ins vergleichsweise kleine «Oekolampad» hatte keinen Einfluss auf die Bedeutung der Veranstaltung. Wohl waren die Platzverhältnisse etwas beengend, besonders für die Musiker, doch fürs Publikum war die Nähe zum Geschehen eher förderlich. In fünf Konzerten sollten vom 20. bis 24. Februar dreizehn Wettbewerbsbeiträge aufgeführt werden – nachdem ein Mitbewerber seinen Beitrag zurückgezogen hatte, blieben noch zwölf.

Organisator Christoph Müller hat mit seiner BCC ein offenes Format ohne Alters- und Herkunftsbeschränkungen entwickelt. Ein gut funktionierendes Sponsoring oder besser gesagt ein typisch baslerisches, stilles Mäzenatentum erlaubt es ihm, bescheidene Anmeldegebühren zu verlangen, zugleich hohe Preisgelder auszuschreiben (1. Platz: 60 000 Franken; 2. Platz: 25 000; 3. Platz: 15 000) sowie sämtliche drei Basler Profiorchester zu engagieren. Kammerorchester, Sinfonietta und Sinfonieorchester präsentieren die fürs Finale ausgewählten Stücke, deren Einstudierung – als Uraufführungen – mit einigem Aufwand verbunden ist. Betreffend Länge der Kompositionen und des Instrumentariums gelten klare Bestimmungen. Ein Wettbewerbsbeitrag darf nicht länger als 20 Minuten dauern und die Besetzungen ergeben sich aus den Ressourcen der Orchester.

Der Veranstaltung wurde, wie schon bei der ersten Austragung 2017, ein Jugend-Musikvermittlungsangebot angegliedert. Ein Musiklehrer vom Bäumlihof-Gymnasium lud während der Wettbewerbswoche einzelne Komponisten in die Schule ein und band seine Schülerinnen und Schüler in das Wettbewerbsgeschehen mit ein.

Hoher Anspruch

Die attraktive Konstellation des Wettbewerbs zog sehr viele Anmeldungen nach sich: 450 aus 59 Ländern, der älteste Bewerber mit Jahrgang 1929. Schliesslich wurden 250 Partituren eingesandt, von denen die Jurymitglieder 13 auszuwählen hatten. Das Ziel war, eine stilistisch breite Auswahl zu treffen, die sich bis ins Finale hinein bemerkbar machen sollte. Die Jury widerspiegelte den hohen Anspruch dieses Wettbewerbs: Michael Jarrell (Jurypräsident), Wolfgang Rihm (krankheitshalber abwesend), Helmut Lachenmann, Magnus Lindberg, Andrea Scartazzini – allesamt international anerkannte Komponistengrössen. Ausserdem war je ein Orchestervertreter mit dabei. Felix Meyer vertrat die Paul-Sacher-Stiftung, welche als beratender Partner fungiert, ohne allerdings den Anlass finanziell zu unterstützen. Der Geist Sachers schwingt gehörig mit in diesem Projekt. Christoph Müller nimmt denn auch direkt Bezug auf diesen Förderer und Ermöglicher zeitgenössischer Musik: «Ganz im Geiste Sachers sollen heute die spannendsten Komponistinnen und Komponisten des 21. Jahrhunderts nach Basel geholt werden, mit dem Ziel, Anstösse zu Kompositionen zu geben. Damit will die BCC mithelfen, ein Repertoire von Orchesterwerken aufzubauen, das auch noch Jahre später Relevanz haben wird».

Klasse Schlusskonzert

In der Moderation von Patricia Moreno von SRF 2 Kultur lief das Abschlusskonzert in einer lockeren und, was die Ausführung betrifft, hochkonzentrierten Art und Weise ab. Fünf Werke hatten es ins Finale geschafft. Den Beginn machte das Kammerorchester Basel unter der Leitung von Franck Ollu mit Manuel Martínez Burgos’ Komposition Daivāt, ein Wort aus dem Sanskrit, das der Komponist mit «time beyond the mind» übersetzte. Das Publikum bekam ein schnelles, kleinteiliges, expressives Stück mit marterndem Blech und bedrohlicher Grundstimmung zu hören. Ganz anders das leichter zugängliche Werk des Japaners Takuya Imahori Con mille fiori che sbocciano così belli: Im Schnelldurchgang schilderte die Basel Sinfonietta unter Baldur Brönnimann musikalisch das Blühen und Verblühen von elf Blümchen bei Sonne, Wind und Wetter. Spätromantische Stimmungen wechselten mit sphärischen, poetischen, bunten Klangbildern, um zuweilen in ein mächtiges Forte zu münden: ein grosser Publikumserfolg.

Die Programmpunkte 3 bis 5 wurden alle vom Sinfonieorchester Basel unter Francesc Prat bestritten. Den Anfang machte der Deutsche Benjamin Scheuer, der es in seinem Stück versungen verstand, zeitgenössische Klänge mit Witz und Humor zu verbinden. Aus verfremdeten Musikfetzen, die sich in seiner Erinnerung über viele Jahre abgespeichert hatten, zimmerte er ein höchst innovatives Stück. Grotesk rallentierende Glissandi verlieren sich atemlos im Nichts, um sich rasant wieder aufzuschwingen. Zischen, Zwitschern und penetrante Pfeiftöne gehörten zum reichen Klangmaterial und vermischten sich mitunter bedrohlich mit des Zuhörers Tinnitus. Im zweiten Teil entstand im Dialog zwischen Klavier und Streichern ein etwas kohärenteres Klangkontinuum.

Der Schweizer Thomas Mattenberger schaffte es mit seinem reduktionistischen Labyrinth zu Recht bis unter die letzten Fünf – eine echte Erholung zwischen all diesen intensiven und tönereichen Werken: meditativ mit geringem Intervallumfang, liegenden Bläserklängen, um die sich Orchesterclusters gruppierten, signalgebende Röhrenglocken, kaum Dynamik.

Der junge Argentinier Alex Nante verblüffte mit einem kurzen (man hätte gerne noch etwas länger gelauscht) Stück mit romantisch-impressionistischem Duktus namens Helles Bild, inspiriert vom gleichnamigen Gemälde von Wassily Kandinsky. Das dominierende Gelb des Bildes konnte mit den grellen Forte-Stellen assoziiert werden. Sie wechselten sich ab mit feinen Geigen- und Harfenklängen, garniert mit Klarinetten und Celesta. Am Schluss stand markant eine grosse Sext wie ein Fragezeichen im Raum.

Das Verdikt der Jury: 1. Platz Scheuer, 2. Platz Nante, 3. Platz Imahori.

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Foto: Niklaus Rüegg
Von links: Takuya Imahori (3.), Alex Nante (2.) Benjamin Scheuer (1.)

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