Barockes Schwelgen auf Malta

Das Valletta International Baroque Festival brachte vom 11. bis 27. Januar viele Ensembles zu Gehör, darunter Les Passions de l’Âme aus Bern.

Zuschauerraum des Teatru Manoel. Foto: Jungledaughter/wikimedia commons

Malta und Barock – auf den ersten Blick kein offensichtliches Paar, auf den zweiten hingegen sehr. La Valletta, die 1566 gegründete Hauptstadt, ist purer Barock, erbaut aus einem wunderbar warmen gelbtönigen Stein und unverändert seit dem 17. Jahrhundert. So ist es nur angemessen, dass hier und in einigen baulich ebenso betörenden Städtchen der Umgebung die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts zelebriert wird, und dies heuer schon zum siebenten Mal. Initiiert und seither geleitet wird das Valletta International Baroque Festival vom Intendanten des Teatru Manoel, Kenneth Zammit Tabona. Das Festival geniesst die uneingeschränkte Unterstützung der Regierung, vertreten durch den Hon. Owen Bonnici, Minister für Justiz, Kultur und Gemeindeverwaltung, der an vielen Konzerten anzutreffen war.

Zwischen dem 23. und 27. Januar, den Tagen des Festivals, die hier besprochen werden können, fanden sieben Konzerte statt, von denen das erste und das letzte einmalige Höhepunkte darstellten.

Da war einmal in der St.-Katharina-von-Alexandria-Kirche in Żejtun, wenige Kilometer von der Hauptstadt entfernt, die Präsentation des Dixit Dominus a 4 concertato von Niccolò Jommelli (1714–1774) und der Messe in D-Dur von Giovanni Battista Pergolesi (1710–1736) durch den Chor und das Orchester des historischen Collegio Ghisleri in Pavia, Italien, unter der Leitung von Giulio Prandi (der notabene den ganzen Abend inspirierend und auswendig dirigierte). Beide Klangkörper musizierten dynamisch und agogisch unglaublich differenziert und engagiert. Solopartien wurden so selbstverständlich und überzeugend durch Mitglieder des Chores ausgeführt, dass es nicht einmal für nötig befunden wurde, ihre Namen im Programmheft zu nennen …
 

Bach und viele andere

Das Archäologische Museum Valletta in einem der stilvollsten Paläste der Stadt (aus dem Jahr 1571) beherbergte in seinem Gran Salon – wo man die Restauration der Wandmalereien verfolgen konnte – die Mittagskonzerte. Das Signum Saxophone Quartet, 2006 gegründet, interpretierte dort unter dem Titel Bach and Beyond Musik von J. S. Bach, J. Chr. Bach, Steve Reich (1936), David Maslanka (1943–2017) und Marcelo Zarvos (1969). Die vier (gerade noch) jungen Saxofonisten Blaž Kemperle, Hayrapet Arakelyan, Alan Lužar und Guerino Bellarosa entfachten in den modernen Stücken ein wahres Feuerwerk an Virtuosität, spielten sich gegenseitig die musikalischen Bälle zu und nahmen sich der barocken Partituren mit grosser Sorgfalt und Fantasie an. Für einen eingefleischten Barockfan ist allerdings der Saxofon-Bach schwer verdaulich, und die Argumentation, so gute Musik sei in allen möglichen Ausführungen immer noch gute Musik, vermag nicht wirklich zu überzeugen.

Am selben Ort gab es zwei weitere Konzerte, beide mit dem Pianisten Paul Gulda, der auf einem wunderbaren Cembalo von Bruce Kennedy spielte. Im ersten erklang Teil eins des Wohltemperierten Klaviers von Johann Sebastian Bach. Gulda spielte gekonnt und engagiert, mit sehr eigenwilligen Rubati und vielen Registerwechseln. Zwischen den einzelnen Präludien und Fugen las er philosophische Sprüche (etwa vom Dalai Lama) vor, was nicht überall gut aufgenommen wurde, zum einen, weil das etwas sehr belehrend wirkte, und zum anderen, weil nur Zuhörerinnen in unmittelbarer Nähe sie verstehen konnten. Im zweiten Konzert musizierte Gulda mit dem Oud-Spieler und Sänger Marwan Abado. Kompositionen von Abado selbst und weitere nahöstliche Komponisten standen auf dem Programm, dazu begeisterten die beiden mit mitreissenden Improvisationen. Wiederum war es leider nur einem kleinen Teil des Publikums möglich, die zahlreichen Kommentare mitzubekommen.

Im Teatru Manoel wurde Händels Oratorium Il trionfo del tempo e del disinganno aufgeführt. Diese Spielstätte entstand 1731 durch den Umbau von zwei noblen Stadthäusern; Auftrag- und damit Namensgeber war der Grossmeister Anton Manoel de Vilhena. Das Kleinod ist heute Nationaltheater von Malta und zählt zu den ältesten Bühnen in Europa. Ein Solistenquartett und das Orchester Armonia Atena aus Athen musizierten unter der Leitung von George Petrou. Man hätte sich bei der schönen Aufführung doch noch etwas mehr dynamische Freiheiten und bei den Solisten auch eine Spur Theatralik gewünscht.

In der Kirche der Assumption in Qrendi ertönte die Missa in illo tempore von Claudio Monteverdi (1567–1643), ergänzt durch kurze Werke anderer Meister aus der Zeit, hervorzuheben vielleicht die Erstaufführung in der Neuzeit der Motette In convertendo von Michelangelo Falusi (1645–1733). Die acht Sänger des Ensembles Cantar lontano unter der Leitung von Marco Mencoboni sangen sehr klangschön, wenn auch etwas statisch, was Tempo und Lautstärke betraf. Das angekündigte Vokalensemble Monteverdi Project aus Valletta kam leider kaum zum Zug.
 

Prestissimo zum Schluss

Wiederum im Teatru Manoel fand das Festival seinen fulminanten Abschluss durch die Aufführung der 6 Brandenburgischen Konzerte von J. S. Bach. Das Berner Barockorchester Les Passions de l’Âme (Leitung und Violine Meret Lüthi) versprühte Spielfreude und bestach durch eine stupende Virtuosität, in den langsamen Sätzen durch betörende Musikalität. Man darf sich vielleicht fragen, weshalb die Ecksätze, meist von Bach mit Allegro bezeichnet, im unglaublichen Prestissimo gespielt werden mussten. Es schien, als fänden die Musikerinnen hauptsächlich darin ihren Spass.

Ein Aufführungsort, der bisher nicht erwähnt werden konnte, dies aber unbedingt verdient: die wunderbare, goldene Co-Kathedrale St. John in Valletta, welche nebst einem Originalbild von Caravaggio und vielen weiteren Kunstschätzen über eine ausgezeichnete Akustik verfügt. Man darf sich auf das nächste Festival freuen!
 

Die Autorin war Gast des Valetta Baroque Festivals.

 

vallettabaroquefestival.com.mt

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