PGM: Zwei Geschwindigkeiten
Am Treffen der Parlamentarischen Gruppe Musik vom 30. Mai 2018 ging es um die Revision des Urheberrechts.
Dass die technische Entwicklung der digitalen Medien rasend schnell vor sich geht, braucht nicht speziell erwähnt zu werden. Der gesetzgeberische Prozess ist dagegen langsam.
Als der Bundesrat 2011 als Antwort auf das Postulat Savary befand, es brauche keine gesetzlichen Massnahmen gegen illegales Herunterladen von Musik im Internet, erntete er einen Sturm der Empörung von Seiten der Musikschaffenden. Das führte zur Einsetzung der Arbeitsgruppe AGUR 12 I und – nach einer intensiv genutzten Vernehmlassung – zur Fortführung des Austauschs in der AGUR II. Aus diesen Vorarbeiten entstand schliesslich der Vorschlag zur Revision des Urheberrechtsgesetzes, wie er jetzt vorliegt.
Geteilte Unzufriedenheit
Andreas Wegelin, Generaldirektor der Suisa, zeigte in seinem Referat auf, welche Themen in der AGUR II behandelt wurden und welche davon schliesslich in den Revisionsentwurf eingeflossen sind. Als für die Musik wichtige Punkte hob er hervor:
- Anpassung der Schutzfrist für verwandte Schutzrechte an EU-Niveau (70 statt wie bisher 50 Jahre)
- Stay-down-Verpflichtung (Hosting-Provider müssen dafür sorgen, dass illegal hochgeladene, dann gelöschte Inhalte, nicht wieder hochgeladen werden.)
- Datenerhebung bei Verdacht auf illegalen Upload (IP-Adressen dürfen in diesem Fall ausgeforscht werden, damit rechtliche Schritte möglich sind.)
- beschleunigte Tarifverfahren
- elektronische Meldung von Nutzungsdaten an die Suisa
- erweiterte Kollektivlizenz
Christoph Trummer, Musiker, Co-Präsident von Sonart und Mitglied der AGUR seit 2012, betonte, der illegale Download, der den Musikschaffenden damals am stärksten zu schaffen gemacht hätte, sei heute nur noch ein marginales Problem. Netzsperren, wie von Musikerseite gewünscht, hätten in diesem Zusammenhang keine Chance gehabt.
Und er verwies auf das im Moment zur Abstimmung stehende Geldspielgesetz, bei dem Netzsperren durchaus vorgesehen sind. Trotzdem sei es wichtig, dass diese Revision nun durchkomme. Der Musiksektor werde sie auch unterstützen, wenn die langwierig ausgehandelte «geteilte Unzufriedenheit» (ein Zitat von Bundesrätin Sommaruga) im Lot bleibe, wenn also keine Änderungen in die eine oder andere Richtung mehr dazukämen. – Mit Ausnahme eines Passus in Art. 13a und analog in Art. 35a, wo, wie Andreas Wegelin zuvor erwähnt hatte, durch das Eingreifen der Verwaltung ein bereits gefundener Kompromiss wieder aus dem Entwurf herausgestrichen worden sei. Trummer endete mit der Bemerkung: «Es wäre ein sehr schlechtes Zeichen, wenn dieser Kompromiss nicht durchkäme.»
Gemeinsame Ohnmacht
Wenn auch die Piraterie kein Hauptproblem mehr ist, hat sich die Einkommenssituation der Musikschaffenden dennoch nicht verbessert. Das aktuelle Problem ist Streaming! Kaum jemand lädt mehr Musik herunter, alle sind ständig online. Die grossen Anbieter wie Spotify, Apple-Music und Deezer zahlen zwar Urheberrechte, diese sind aber gering im Vergleich mit denjenigen aus Radio oder Fernsehen. Besonders stossend sei die Praxis von Youtube, das einen nochmals viel tieferen Ansatz zahle, führte Marlon MacNeill aus, Geschäftsführer von IndieSuisse, der Vereinigung der unabhängigen Plattenlabel. Er sprach von Value Gap, der Lücke in der Wertschöpfung, der stossenden Tatsache, dass nur ein verschwindender Teil der Einnahmen von solchen Plattformen an die Urheber fliessen, das meiste in ihre eigene Tasche.
In der abschliessenden Diskussion stellte Stefan Müller-Altermatt, Nationalrat und Präsident der Parlamentarischen Gruppe Musik (PGM), fest, dass man bei der Revision des Gesetzes wohl wieder einmal drei Schritte zu wenig gemacht habe. Nationalrätin Christa Markwalder gab zu bedenken, die Gesetzgebung gelte ohnehin nur bis an die Landesgrenzen und diese Tech-Giganten seien rechtlich kaum zu greifen. Angesichts dieser Machtlosigkeit war an dieser Stelle unter Parlamentariern und Vertreterinnen der Musikorganisationen eine Art Galgenhumors fühlbar.
Ob die Motion von Balthasar Glättli hier etwas verbessern könnte, der vorschlägt, Plattformen mit mehr als 200 000 Nutzern in der Schweiz müssten auch einen Firmensitz in der Schweiz haben? Der Vorstoss wird jedenfalls in Kürze in den Räten diskutiert.
Mit Matthias Aebischer, Christa Markwalder, Stefan Müller-Altermatt, Rosmarie Quadranti, Albert Vitali und Karl Vogler waren bei diesem Treffen erfreulich viele Mitglieder aus den eidgenössischen Räten vertreten.