Gestandene und kommende Wagner-Interpreten
Die Schweizerische Wagner-Gesellschaft geniesst Oper im Kurzformat und vergibt langfristig wirkende Unterstützungen für junge Bühnenkünstler.

Wagners Monumentaloper Tristan und Isolde, aufgeführt in eindreiviertel Stunden – geht das? Wenn man sich auf das Wesentliche beschränkt, mit einem Flügel als «Orchester» zufrieden ist und einen guten Arrangeur zur Seite hat, dann geht das sehr wohl. Das Abenteuer gewagt hat die Schweizerische Richard-Wagner-Gesellschaft, die am 21. April unter dem Titel O sink hernieder … in den Grossen Saal der Musikschule Konservatorium Zürich einlud.
Angekündigt war eine «Collage nach Tristan und Isolde», das halbszenische Konzept stammte von John H. Müller, ein seit Jahren engagierter «Wagnerianer». Für das musikalische Arrangement zeichnete der Pianist und Komponist Edward Rushton, der auch am Flügel sass. Er entpuppte sich schnell als souveräner Begleiter, der mit Gefühl für dramatische Steigerungen und einem unerhörten Klangsinn der Aufführung seinen Stempel aufdrückte.
Rushtons Kürzungen zielten auf das Wesentliche: im ersten Aufzug auf die Sühne-Liebestrankszene, im zweiten Aufzug auf die Liebesnacht mit anschliessendem Auftritt König Markes. Der dritte Aufzug bestand aus einer sehr kurzen Tristan-Leidensszene und dem nicht minder verkürzten Liebestod Isoldes. Für Mona Somm, die 2015 in Erl mit grossem Erfolg die Isolde gesungen hat, war es sicherlich nicht ganz einfach, diese Version zu meistern, es gelang ihr aber gut. Ihre Stimme wirkte allerdings in der Mittellage etwas gepresst.
Rolf Romei hat sich am Theater Basel in den Rollen von Lohengrin und Parsifal bewährt, nun versuchte er sich am Mini-Tristan. Seine Stimme ist etwas unberechenbar, einmal absolut topp, dann wieder hat er merkwürdige Brüche zu überstehen, um danach erneut souverän weiterzusingen. Mit Wucht griff Martin Snell als König Marke ins Geschehen ein: mit seinem tragenden Bass wirkte sein Gesang aber zuweilen etwas starr und stentorhaft.
Das Ereignis schlechthin war der Auftritt von Susannah Haberfeld als Brangäne, eine Rolle, die der Mezzosopranistin wie auf den Leib geschrieben ist. Mit tragenden Legatobögen und weich klingender Tiefe sang sie raumgreifend ihren Part mit dem mahnenden «Habet Acht» als Höhepunkt. Hier hätte man sich von Arrangeur Rushton etwas weniger Kürzung gewünscht, um länger dieser wunderbaren Stimme zu lauschen.
Einblicke in Werk und Festspielbetrieb
Das Publikum, das mehrheitlich aus Wagnerianern bestand und sogar aus Freiburg im Breisgau und Vorarlberg angereist war, spendete begeisterten Applaus. Im Gegensatz zu dieser Insiderveranstaltung schreibt die Verbandssatzung allerdings vor, «das Werk von Richard Wagner einem grossen Publikum zugänglich zu machen». Einen öffnenden, zukunftsweisenden Aspekt verfolgt die Wagner-Gesellschaft durch ihr Stipendienwesen.
Die internationale Richard-Wagner-Stipendienstiftung vergibt seit 1882 Beiträge an begabte Sänger, Musiker oder sonstige Bühnenschaffende, die als Nachwuchs für die Bayreuther Festspiele in Betracht kommen. Die Stipendien beinhalten den kostenlosen Besuch der Festspiele, ein Stipendiatenkonzert, bei dem diese ihr Können demonstrieren, und den Besuch von Einführungsvorträgen. Zu den internationalen Gewinnern in der Vergangenheit gehörten etwa Christian Thielemann, Waltraud Meier, Michael Volle oder Anja Kampe, um nur wenige zu nennen.
2013 schloss sich die Schweizerische Gesellschaft dieser Vergabe an und schreibt jährlich an den Musikhochschulen das Stipendium aus. Es kann auch Empfehlungen geben. Eine Gewinnerin der ersten Stunde war die Pianistin Andrea Wiesli, die 2013 Bayreuth besuchte: «Diese geschichtsträchtige Spielstätte mit ihrer besonderen Akustik hat mich sehr beeindruckt», erzählt sie. «Mit einer ehemaligen Mitstipendiatin, der Mezzosopranistin Stephanie Szanto aus Bern, trete ich regelmässig mit einem Liederabend auf, auch werde ich zu Rezitals auf Wagners Erard-Flügel in Tribschen eingeladen.»
Im letzten Jahr gehörte Serafin Heusser, der von seinem Dozenten Peter Brechbühler empfohlen wurde, zu den Stipendiaten. Auch er schwärmt: «Der Besuch der Vorstellungen und die Führung durch das Festspielhaus waren für mich ein einmaliges und sehr interessantes Erlebnis! In andern Opernhäusern hatte ich bei Wagner-Aufführungen immer das Gefühl, dass die Sänger gegen das Orchester kämpfen müssen und nie piano singen können. Umso schöner war für mich, dass etwa Michael Volle dank der genialen Akustik wunderschöne Mezza-voce-Töne singen konnte.»
Wie sinnvoll dieses Stipendium ist, zeigt die diesjährige Auswahl der Gewinner, die am 26. Mai im Schlössli Wartegg in Luzern ihr Stipendiatenkonzert geben. Es tritt die Geigerin Lisa Rieder auf, die Beethovens Kreutzer-Sonate spielt, begleitet von Luka Hauser. Hauser wird zudem Skrjabins mit Tristan-Akkorden gespickte 4. Klaviersonate interpretieren und den Tenor Omar Kobiljak begleiten. Dieser ist unlängst mit Erfolg im Opernhaus Zürich als Steuermann in Wagners Holländer eingesprungen.
-
- Interpreten des nächsten Stipendiatenkonzerts (v.l.): Lisa Rieder, Luka Hauser, Omar Kobiljak. Foto: zVg