Geld verdienen im Internet
An der Sessions-Stubete vom 8. März wurde die Revision des Urheberrechtsgesetzes unter die Lupe genommen, über Internetpiraterie und die Entwicklungen beim Streaming diskutiert.
Zum Abschluss der jüngsten Sessions-Stubete im Berner Progr kalkulieren Indie-Suisse-Präsident Andreas Ryser, Anja Illmaier von Intakt Records und Matthias Stürmer, Geschäftsleiter der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit, welche Einnahmen auf Spotify ein Künstler erwarten kann. Was angesichts der notorischen Klagen über den Zerfall des Musikgeschäftes eher überrascht: Ryser interpretiert das Resultat im Grunde genommen zuversichtlich. Letztlich bringe ein auf der angesagten Plattform gestreamter Titel Erlöse, die mit denjenigen einer traditionellen CD vergleichbar seien. Allerdings gibt es ein Problem: Verkauft ein Künstler eine CD, hat er die gesamten Einnahmen dafür sofort in der Hand; werden wie auf Spotify die tatsächlichen Streams vergütet, verteilen sich die Einnahmen über die gesamte Nutzungszeit. Die Konsequenz ist, laut Ryser, dass es Banken oder Labels geben werde geben müssen, die dem Musiker das Geld vorstreckten. Tatsächlich zeichne sich ab, dass die Industrie wieder auf ein solches Modell zusteuere.
Mit Spotify und dem Streaming als wichtigster künftiger Einnahmequelle für Musikschaffende ist die Sessions-Stubete, eine Veranstaltung von Musikförderung Bern und Sonart –Musikschaffende Schweiz, in der absehbaren Zukunft angekommen. Ausgangspunkt war allerdings das Phänomen der illegalen Downloads und die Frage, ob sie in der aktuellen Revision des nationalen Urheberrechtsgesetzes (URG) eine Rolle spielen müssen. Am Entwurf zum revidierten Gesetz liess im Progr niemand auch nur ein gutes Haar. Darin Eingang finden nämlich weder Sperren für anonyme Pirateriesites noch zivilrechtliche Werkzeuge gegen Uploader noch Vergütungen für Social-Media-Nutzungen. Aber selbst die handwerkliche Qualität des Entwurfs wird von den anwesenden Fachleuten stark bemängelt.
Umstrittene Folgen illegaler Downloads
Ob illegale Downloads angesichts des geänderten Nutzerverhaltens künftig überhaupt noch eine Rolle spielen werden, stand allerdings auch zur Debatte. Welchen Schaden die Betroffenen dahinter nach wie vor vermuten, illustrierte zum Auftakt der Veranstaltung Anja Illmaier. Das Label Intakt stellt seit zwei Jahren seinen ganzen Katalog auf der Plattform Bandcamp zur Verfügung. Ein Musiker machte es darauf aufmerksam, dass seine Musik aber auch illegal von Dritten angeboten wird. Den Anbieter zurückzuverfolgen habe sich allerdings, so Illmaier, als schwierig herausgestellt. Die Recherchen hätten letztlich auf einen in Togo stationierten Server verwiesen. Auf das Begehren, die illegalen Angebote zu entfernen – selbst unterstützt von der Suisa – habe der Anbieter nicht reagiert. Solche Gegenmassnahmen seien sehr aufwendig, erklärte die Label-Vertreterin, in der Regel zudem ohnehin wirkungslos. Es sei für Plattenfirmen überdies völlig unmöglich, das Netz proaktiv nach illegalen Angeboten ihrer Produkte abzusuchen. Intakt rechnet aufgrund derartiger Piraterien für den betroffenen Musiker mit einem jährlichen Einkommensausfall von rund 10 000 Franken. Eine solche Kalkulation wurde im Progr allerdings skeptisch aufgenommen.
Moderator der Sessions-Stubete war Christoph Trummer, bis Ende 2017 Präsident des Pop-Rock-Verbandes Musikschaffende Schweiz, der auf Druck des Bundesamtes für Kultur zur Fusion mit dem Schweizer Musik Syndikat SMS (Jazz und Improvisation) und dem Schweizerischen Tonkünstlerverein STV (Neue Musik) gezwungen wurde. Als Delegierter des Kulturdachverbandes Suisseculture arbeitete Trummer in der Arbeitsgruppe Urheberrecht (AGUR12) von Bundesrätin Sommaruga mit. Die Arbeitsgruppe wurde 2012 ins Leben gerufen und beendete ihre Arbeit im April 2017. Eines ihrer Themen waren mögliche Strategien zur Bekämpfung von Urheberrechtsmissbräuchen im Internet. Davon ist schliesslich nicht mehr viel übriggeblieben: zum einen eher unverbindliche Anreize für Hoster, Missbräuche ihrer Plattformen zu unterbinden; sie wurden an der Sessions-Stubete als juristisch überaus dilettantisch eingeschätzt. Zum andern sollen Möglichkeiten geschaffen werden, Uploader zu identifizieren. Den Gesetzesentwurf und die Botschaft hat der Bundesrat am 22. November 2017 verabschiedet. Er behandelt nicht bloss Aspekte, die für die Musikwirtschaft von direktem Interesse sind. Weitere vorgesehene Neuerungen betreffen zum Beispiel Forschende und Bibliotheken. Letztere sollen ihre Bestände für bestimmte Zwecke ohne eine explizite Erlaubnis der Rechteinhaber nutzen können. Darbietungen sind neu 70 statt wie bisher 50 Jahre urheberrechtlich geschützt. Die Schutzfristverlängerung soll Produzenten mehr Zeit geben, ihre Investitionen zu amortisieren.