Gehindert und gefördert

Das Festival «frauenkomponiert» bringt bekannte und noch zu entdeckende Komponistinnen zu Gehör.

Jessica Horsley fotografiert von Peter Schnetz

Am Frauentag im Jahr 2015 organisierten engagierte Kreise um die Dirigentin Jessica Horsley ein Konzert im Basler Stadt-Casino. Auf dem Programm standen Fanny Hensels Hero und Leander: Dramatische Szene für eine Singstimme mit Begleitung des Orchesters (1832) und Sofia Gubaidulinas Impromptu für Flöte, Violine und Streichorchester (1996). Als Dirigentin hatte sich Jessica Horsley die Frage gestellt, warum die Musik von Komponistinnen noch immer wenig aufgeführt wird, und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Manko aufzuarbeiten. Ihr Bestreben stiess schnell auf offene Ohren. Ein Jahr später führte sie mit dem Festivalorchester L’anima giusta ein Programm mit sinfonischen Werken von Emilie Mayer (1812–1883), Junghae Lee (*1964), Ethel Smith (1858–1944) und Vítĕzslava Kaprálová (1915–1940) auf. Das Ganze wurde ergänzt durch ein Podiumsgespräch mit Fachleuten.

Nach zwei Jahren Pause melden sich die Veranstalterinnen nun zurück mit einem fünftägigen Festival (7. bis 11. März) mit fünfzehn Konzerten in Basel, Zürich und Bern. Eine lange Sponsorenliste zeugt von einem grossen Interesse an diesem Thema.
 

Sinfonische Werke haben es besonders schwer

Von Frauen komponierte Orchesterwerke stehen im Mittelpunkt des Festivals, denn sie hatten es, wie Jessica Horsley ausführt, in den letzten 250 Jahren besonders schwer, Gehör zu finden. Das grosse Sinfoniekonzert wurde am Festival-Wochenende in allen drei Städten gespielt und bot damit vier bemerkenswerten Komponistinnen ein hochverdientes Podium.

Schon beim Namen Agnes Tyrrell (1846–1883), einer tschechischen Komponistin und Pianistin englischer Herkunft, reibt man sich verwundert die Augen. Erst recht, wenn man liest, sie sei eine der bedeutendsten Komponistinnen Europas, doch die meisten ihrer grösseren Werke warteten noch immer auf ihre Uraufführung. Tyrrell, so ist im Programmheft zu lesen, war «eine der wenigen Frauen, die vor 1900 eine Sinfonie schrieben» und damit in eine Männerdomäne einbrachen. Dank einer vom Verein frauenkomponiert in Auftrag gegebenen Notenausgabe konnte die Ouvertüre ihres Oratoriums Die Könige in Israel uraufgeführt werden.

Als Geschichte des Gehindertwerdens ist auch das Leben der Amerikanerin Amy Beach (1867–1944) zu lesen. Trotz hoher Musikalität soll sie von ihren Eltern und später von ihrem Ehemann davon abgehalten worden sein, eine Laufbahn als Musikerin einzuschlagen. Von Beach bekam man die grosse, spätromantische Sinfonie in e-Moll op.32 Gaelic (1896) zu hören. Beach liess sich von irischen Volksliedern inspirieren und konzipierte das Werk, so schreibt Christine Fischer im Programmheft, «als direkte Antwort auf Antonín Dvořáks Aus der Neuen Welt».

Etwas einfacher haben es Komponistinnen aus unserer Zeit. Sie werden nicht mehr aktiv an der Ausübung ihres Berufs gehindert. Im Fall von Heidi Baader-Nobs (*1940), deren Stück Evasion (2017) uraufgeführt wurde, hat aber die Betreuung ihrer drei Kinder dazu geführt, dass sie längere kompositorische Pausen einlegte. Das Virtuosenkind, die zwölfjährige Geigerin, Pianistin und Komponistin Alma Deutscher (*2005) aus England, kann sich über mangelndes Interesse der Öffentlichkeit wahrlich nicht beklagen. Sie durfte mit dem Festivalorchester unter der Leitung von Jessica Horsley ihr selbst komponiertes Violinkonzert Nr. 1 aus dem Jahr 2014 als Schweizerische Erstaufführung spielen.
 

Kammermusik von wehmütig bis humoristisch

Unter den Kammermusikkonzerten seien zwei herausgepickt. Drei berühmte Barockkomponistinnen wurden im Ackermannshof in einem hörenswerten, mit Videoprojektionen begleiteten Programm vorgestellt. Das Ensemble Musica Fiorita unter der Leitung der Cembalistin Daniela Dolci verströmte barocke Pracht in Stücken von Barbara Strozzi (1619–1677), der wohl bekanntesten der drei Komponistinnen, Elisabeth Jacquet de la Guerre (1665–1729) und Antonia Padoani Bembo (1640–1720). Sie galten in ihrer Zeit als bewunderte Talente und starke, unabhängige Frauen. Die Sopranistin Sara Bino sang, anfangs noch etwas kurzatmig, expressiv und affektgeladen zwei Stücke von Barbara Strozzi sowie eine Arie aus der Oper L’ercole amante von Padoani Bembo. Schnörkellos und mit rundem Ton interpretierte Germán Echevveri den Solopart der Sonata in d-Moll für Violine und Basso continuo von Jacquet de la Guerre. Die kunstvollen, auf drei Leinwänden präsentierten Videos des Instituts für Gestaltung und Kunst Basel sorgten für einen bereichernden optischen Kontrapunkt.

Am Samstag nahm die Sopranistin Maja Boog zusammen mit ihrem Klavierbegleiter Simon Bucher das Publikum mit auf eine zauberhafte Reise zwischen Romantik und Scherz. Die fünf hingebungsvoll vorgetragenen Lieder von Alma Mahler (1879–1964) liessen einen bedauern, dass von den rund 100 Liedern, die Alma Mahler komponiert hat, nur deren siebzehn erhalten sind. Eine wehmütige Tiefe erzielte die Sängerin mit den Sechs Liedern op. 13. von Clara Schumann (1819–1896). Ich stand in dunklen Träumen (Heine) gelang in seiner erschütternden Schlichtheit besonders packend. Ergänzt wurden sie durch vier impressionistische Lieder der Schweizer Komponistin Caroline Charrière (*1960). Den humoristischen Schlusspunkt setzten vertonte Fabeln von Isabelle Aboulker (*1938).

 

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