Blasmusik zum Anschauen
Woher kommt die Blasmusik, wie hat sie sich entwickelt, worin besteht ihr Charakter? Solchen Fragen spürt die Ausstellung «Von Tuten und Blasen» nach, damit die Blasmusik nicht zum Museumsstück wird.
In der Schweiz ist ein Wandel der gesellschaftlichen und kulturellen Alltagsgestaltung im Gang, der möglicherweise dramatische Auswirkungen haben, politisch aber kaum zum Thema gemacht wird. Ein Blick ins Historische Lexikon der Schweiz zeigt: Der Schweizerische Kunstverein wurde 1806 gegründet, die Schweizerische Musikgesellschaft und die Schweizerische Gesellschaft «zur Beförderung des Erziehungswesens» 1808, der Eidgenössische Turnverein folgte 1832. Sie übernahmen zu ihrer Zeit, noch vor der Gründung der Parteien, die politische Volksbildung. Im 20. Jahrhundert spielten sie eine entscheidende Rolle im Aufbau politischer Mündigkeit und Kompetenz. In den Dörfern und Quartieren ermöglichten es Chöre, Blasmusiken und Turner den künftigen Politikern, Erfahrungen in der finanziell soliden Durchführung von Projekten aufzubauen und das Bewusstsein zu schärfen, wie wichtig es ist, politische und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Letzteres will immer weniger gelingen. Chöre und Musikvereine kämpfen mit Mitgliederschwund, nicht zuletzt, weil immer weniger bereit sind, diese so wichtige Verantwortung zu übernehmen und sich über längere Zeit zu binden.
Selbstreflexion «zieht» nicht …
Wie schwierig es ist, hier Gegensteuer zu geben, scheint nun auch die Musikinstrumentensammlung Willisau zu spüren zu bekommen. Sie setzt sich mit ihrer engagierten Sonderausstellung Von Tuten und Blasen – Blasmusik – grosse Tradition mit Zukunft dafür ein, dass der Alltag einer Dorfmusik, der Brassband MG Schwarzenberg, zum Gegenstand der Reflexion wird. Die Basis bilden Materialien des Fotografen Hans Ueli Alder, der die Neuuniformierung des Ensembles dokumentiert hat. Die Sammlung und ihr Leiter Adrian Steger haben die Bilder mit Objekten aus dem Fundus und Instrumenten aus der «Klingenden Sammlung» in Bern ergänzt. Sie verfolgen die Spuren der Blasmusiken zurück bis zu den Trommlern und Pfeifern des Mittelalters.
Offenbar stösst die Schau aber nicht auf die Resonanz, die frühere Sonderausstellungen zu Holzarten im Instrumentenbau, Glocken, Hausorgeln, Mundharmonikas und Zupfinstrumente erzeugt haben. Ob es damit zu tun hat, dass Blasmusiker ihr eigenes Tun vielleicht wenig hinterfragen und im Verein einfach eine gute Zeit haben wollen oder dass in der Blasmusikszene nur Aufmerksamkeit erzeugen kann, wer aus dem Inneren der Gemeinschaft operiert, kann man offenlassen.
… praktisches Tun und Tüfteln schon
Zu der Ausstellung hat das Museum, das in den Räumen der früheren Druckerei des Willisauer Boten Unterschlupf gefunden hat, eine Reihe von Klangproben organisiert. Zu Gast waren jeweils an einem Sonntagnachmittag Kleinformationen der Brassband MG Schwarzenberg, der Feldmusik Willisau, der Jugendmusik der Brassband MG Schwarzenberg und das «Brussig Quartett» der Stadtmusik Willisau. Eine erfreulich grosse Schar an Interessierten und Fachleuten besuchte am 11. März in diesem Rahmen eine Präsentation des Trompeters Markus Würsch, Dozent an den Hochschulen Luzern und Bern, und des Zimmerwalder Instrumentenbauers Konrad Burri. Sie stellten eine Rekonstruktion der Klappentrompete vor. Mit Klappen wurde um 1800 experimentiert, um den Tonumfang des Naturtoninstrumentes in chromatischen Regionen zu erweitern. Die technisch mit zahlreichen Kompromissen behaftete Lösung entfiel mit der Erfindung der heute üblichen Ventiltrompete. Burris Klappentrompete ist allerdings mehr als eine historische Rekonstruktion, sie stellt ein Weiterdenken und Perfektionieren der Technik dar. Würsch zeigte denn auch eindrücklich, wie damit eine Klanglichkeit und ein Eigencharakter kreiert werden kann, der das Ausdruckspektrum der Trompete durchaus bereichert.
Die Musikinstrumentensammlung Willisau ist 2003 eröffnet worden. Sie vereint seit 2010 die Sammlung des Luzerners Heinrich Schumacher, die lange im Richard-Wagner-Museum auf Tribschen in Luzern zu sehen war, mit der Kollektion des Ehepaars Leonie und Christian Patt-Tobler aus dem bündnerischen Malix. Letztere besteht aus nach wie vor spielbaren Instrumenten mit dem Schwerpunkt Mittelalter und Renaissance, die Christian Patt selber nachgebaut hat – das geht von Fideln über Trumscheite und Psalterien bis zu Zinken. Die Sammlung Patt hat die Luzerner Albert-Koechlin-Stiftung 2001 aufgekauft. Sie war zuvor im Kulturhaus Stadtmühle Willisau zu sehen.
Die Sonderausstellung Von Tuten und Blasen ist bis 24. Juni 2018 verlängert worden. Auch weitere Klangproben stehen auf dem Programm. Man kann sich darüber auf der Webseite der Instrumentensammlung informieren. Es wäre aber sicher auch interessant, wenn Blasmusikverbände die Schau später an regionalen oder kantonalen Musikfesten als Wanderausstellung zeigen würden. Sie könnten damit ein Zeichen dafür setzen, dass das Blasmusikwesen in der Schweiz eine eigene Geschichte und einen eigenen Charakter hat, und es sich durchaus lohnt, diese auch an der Basis zu reflektieren.