Mensch, Musik, Maschine
Im Rahmen des Festivals «Wir sind die Roboter» waren vom 29. September bis 1. Oktober das Roboter-Orchester der belgischen Logos Foundation und die Soundmaschinen von Roland Olbeter zu hören.

«Wir sind die Roboter», so prangt es von den Plakaten für das Festival. Wer spricht da? Wer ist wir? Wir alle? Sind wir etwa alle schon zu Robotern geworden, zu Automaten, gesteuert von Computern, Algorithmen und Smartphones? Oder sprechen da die Maschinen? Und wie klingt eigentlich Robotermusik? Ist das etwas unerhört anderes als das, was wir bislang unter Musik verstanden haben? Etwas ganz Neues, das unsere «verstopften und abgestumpften Wahrnehmungskanäle» erweitern kann, wie Philipp Rhensius in der Neuen Zürcher Zeitung vom 22. Juli 2016 schrieb?
«Was wir im Rahmen des Festivals hören werden», so heisst es im Programmheft, «ist keine Roboter-Musik, sondern Menschen-Musik, die von Maschinen gespielt wird.» Nun, das klingt zunächst mal nicht unerhört anders als alles, was wir bislang kennen. Eher im Gegenteil. Und nach einer Auseinandersetzung damit, dass wir längst alle zu Robotern geworden sind, klingt das leider auch nicht. Auch wenn die Roboter hier die erste Geige spielen werden: Der Mensch bewahrt in jedem Fall die Kontrolle. Schade!
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- Graphic Art: Marion Wörle
- Ausschnitt aus dem Plakat
Von Frankenstein bis Star Wars
Die Wahl des Veranstaltungsortes versöhnt wieder. Es fühlt sich an, als tauchte ich hinab in eine Gothic Novel. Der Schornstein der ehemaligen Brauerei, eines Industriebaus aus Backstein, ragt in den dunklen Nachthimmel, schwach angeleuchtet von einem roten Scheinwerfer. Eine finstere Treppe führt hinab in den Keller, aus dem ein leichter Modergeruch aufsteigt, und es würde einen nicht wundern, fände man unten das Labor eines Dr. Frankenstein vor. Stattdessen klingt aus der Tiefe ein mechanisches Carillon herauf, das Erik Saties Vexations spielt. Satie hatte die vielen Wiederholungen komponiert, um den Pianisten damit zu quälen. In der Installation von Gerhard Kern übernimmt die unliebsame Aufgabe ein Automat: wie praktisch! An anderer Stelle leuchten in einem feuchten Kellerraum kleine Lichtpunkte im Dunkeln, von denen ein elektronisches Zirpen ausgeht. Cicadas von Michele Pedrazzi erzeugt so eine Atmosphäre wie in den dystopischen Filmen von Jean-Pierre Jeunet.
Im Obergeschoss sind die Maschinen aufgebaut, für die die Kuratoren des Festivals Kompositionsaufträge vergeben haben. Auf einer der beiden Bühnen stehen die skulptural anmutenden Roboter der belgischen Logos Foundation: auf Sackkarren montierte Orgelpfeifen, Perkussionsinstrumente, Helikontrichter, dünne, schwingende Metallstreifen, versehen mit Schlägeln, Schläuchen, Drähten und blinkenden Lichtern. Das Roboter-Orchester aus Gent entstand in den Sechzigerjahren und wurde im Folgenden stetig weiterentwickelt, so dass das Ensemble aus sieben Robotern an Star Wars, Alien und Mad Max gleichzeitig erinnert. Das Duo Hacklander/Hatam kombiniert in der Uraufführung Enlistment as Alignment die perkussiven Logos-Instrumente, die so sprechende Namen tragen wie «Troms», «Temblo» und «Psch», mit programmierten Computersounds und dem live von Colin Hacklander gespielten Schlagzeug. Die Rhythmen von Mensch und Maschine verbinden sich hier zu einer vielschichtigen Komplexität. Die Cellistin Okkyung Lee verwendet das gleiche Logos-Instrumentarium kombiniert mit einem Cello für ihre Komposition SoomNoRae. Hier wirkt die Perkussion der Roboter im Kontrast zu dem Instrument, das von Okkyung Lee gespielt wird, monoton und stumpf; der Klang des Cellos gewinnt klar über die Maschine. Doch die Roboter schlagen zurück. Der eine setzt einfach nicht an der richtigen Stelle ein. Von wegen der Mensch hat immer die Kontrolle! Der Techniker muss eingreifen und die Programmierung noch mal neu starten. Der unerwartete Fehler im System unterbricht den starren Ablauf, den die Maschine der Instrumentalistin aufdrückt, und erzeugt für einen Moment ein Gefühl von Lebendigkeit.
Auch die Kuratoren Marion Wörle und Maciej Sledziecki, die als Duo gamut inc zusammen arbeiten, haben für die Logos-Instrumente ein Stück komponiert: Planet Nine. Unter der Decke dreht sich eine schwarze Discokugel und sprenkelt den Raum mit hellen Lichtpunkten. Wörle und Sledziecki sitzen wie die Piloten eines Raumschiffs vor ihrem Laptop und schauen dem vorprogrammierten Treiben der Roboter zu. Düstere Dronesounds entführen einen in einem weiten Bogen in unendliche musikalische Weiten. Und einen Moment lang nimmt man die Roboter nicht mehr als blosse Jahrmarktattraktionen wahr, sondern als Instrumente – oder gar als Instrumentalisten.
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- Foto: Christoph Voy
- «Troms» aus dem Instrumentarium der Logos Foundation
Klänge aus den Achtzigern
Die zweite Instrumentengruppe, für die im Rahmen des Festivals komponiert wurde, sind die Soundmaschinen von Roland Olbeter. Seine «Pollywoggs», länglich und mit grauer Kunststoffoberfläche, erinnern an Maschinen in den Fertigungshallen der Automobilindustrie, sind aber klanglich den Instrumenten eines Streichquartetts nachempfunden. Olbeters zweite Instrumentengruppe, «Sound clusters» genannt, sieht aus wie mutierte Fagotte oder Klarinetten, erzeugt aber gitarrenartige Klänge. In den 12 Stücken für Olbeters Maschinen, die Piotr Kurek für unterschiedliche Kombinationen der Instrumente komponiert hat, werden die Sounds der einzelnen Instrumente deutlich herausgestellt. Leider klingen die «Pollywoggs» wie billige Synthies aus den Achtzigern, so dass der Klang den technischen Aufwand nicht so recht zu rechtfertigen vermag. Und auch der szenische Eindruck der Sound Machines lässt zu wünschen übrig, sieht man doch als Zuschauer gar nicht so genau, wie die Klänge eigentlich erzeugt werden. Weil die Sounds ausserdem immer technisch verstärkt werden, also ohnehin aus den Lautsprechern kommen, fragt man sich, wo da eigentlich der Unterschied liegt zu einem Backtrack oder einer abgespielten CD.
Nach drei Tagen Roboter-Festival sehnt man sich in jedem Fall wieder nach Musik von Menschen für Menschen, mit Stimmen und Atem und körperlicher Präsenz, die einem die verstopften Wahrnehmungskanäle öffnet und die eigene Lebendigkeit spüren lässt.
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