Italien-Romantik im Wettstreit mit der Moderne
Im Wolkensteinsaal des Konstanzer Kulturzentrums am Münster erklang am 18. Juni 2016 das KlaVierHändeKonzert des Thurgauer Komponisten Frédéric Bolli zusammen mit der Italienischen Sinfonie Felix Mendelssohns. Die Uraufführung des neuen Werks hatte am 12. Juni in Nürnberg stattgefunden.
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Unter Leitung von Florian Grieshammer konzertierte das Collegium musicum Nürnberg, verstärkt durch Mitglieder der Südwestdeutschen Philharmonie. Solistinnen im Klavierkonzert waren Katja und Ines Lunkenheimer. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die alte, wohl vertraute Sinfonie Mendelssohns fügte sich stimmig zur zeitgenössischen Musik Bollis. Oder: Zeitgenössisches und Altbewährtes können sich sehr wohl ergänzen.
Dennoch war es hilfreich, dass der Komponist ein paar einführende Worte anbrachte. Fréderic Bolli sprach über seine Komposition auf unterhaltsame Weise und liess so die aufmerksamen Zuhörer an den Rafinessen des KlaVierHändeKonzerts teilhaben. Originell ist bereits der Titel: ein Sprachspiel, das den üblichen Terminus technicus «Konzert für Klavier zu vier Händen und Orchester» auf eine knappe Formel bringt. Zwar knüpft Bolli durchaus in Form und Satzfolge an die Tradition des klassischen und romantischen Klavierkonzerts an. Das Werk hat drei Sätze. Im ersten Satz verwendet Bolli als Grundschema gar die klassische Sonatensatzform. Allzu leicht könnte man ihm daher vorwerfen, konventionell zu schreiben. Das Moderne und Zeitgenössische zeigt sich bei ihm aber im Detail. Ferner in der differenzierten Einbeziehung von Klangfarben und der besonderen Instrumentation.
«Capriccio» ist der Eröffnungssatz betitelt. Er beginnt mit einem raschen Lauf für die Pianistinnen. Es geht rhythmisch prägnant zu im Kopfthema. Der Seitengedanke ist eher lyrisch. Einige Themen und Motive sind bewusst einfach gehalten, somit können diese selbst auf der Pauke angespielt werden. Den Kopfsatz prägt aber auch ein lyrisch träumerischer Mittelteil in langsamerem Tempo. In den schnellen Teilen werden Klangballungen, Cluster, regelrechte Tontrauben, eingebaut. Virtuoses und sehr räumliches Spiel entfaltet sich auf den Tasten von den tiefsten bis in die höchsten Register. Katja und Ines Lunkenheimer setzten ihren Part gekonnt um. Themen und Motive werden zwischen Klavier und Orchester hin und her gespielt; wechseln von den Holzbläsern rüber zum Schlagwerk des Xylophons und wieder zurück zum Klavier. Nach der Reprise konnten sich die Solistinnen in einer weitgespannten Kadenz austoben. Auch dies bezeugt, wie sich Bolli auf die Tradition bezieht, ohne deshalb verstaubt zu sein. Dafür ist diese Musik im besten Sinne zu lebendig. Auch das Collegium musicum wurde dem anspruchsvollen Orchesterpart durchaus gerecht.
Der zweite langsame Satz ist mit «Elegie für Elke» betitelt. Es ist eine Trauer-Musik von fast neo-romantischer Ausdruckskraft. Der Satz knüpft in gewisser Weise an die Tradition des französischen Barock an. Sogenannte «Pièces de Tombeau», gesetzt für Cembalo oder Laute bzw. in Form einer Solo- oder Trio-Sonate, erinnerten an verstorbene Musiker und Komponisten. Ein expressives Solo für Englischhorn, basierend auf einer Zwölftonreihe, stimmt in diesen elegischen Charakter des Satzes wirkungsvoll ein. Da aber Elke eine lebensfrohe Natur war, wechselt später die Stimmung ins Tänzerische. Ein Walzer erscheint im Klaviersolopart. In den Streichern dominieren Seufzerfiguren mit Glissandi. Spannungsvoll setzten die Nürnberger die «Elegie für Elke» um. Florian Grieshammer gelang es, in seinem Dirigat den grossen Bogen des Satzes zu beschwören.
Das Finale mit Rondo-Charakter zeigt wiederum klassische Züge. Eine muntere Spielmusik im besten Sinne, mit einigen Extras. Ein Extra ist etwa ein kleiner eingeschobener Kanon, der von den Streichern con sordino gespielt wird. Viel Witz enthält das Finale und lässt durchaus an den Humor eines Joseph Haydn denken. Reizvolle Solo-Passagen von Klarinette und Fagott sind eingewoben. Die Motive werden munter hin und her gespielt. Allerdings kontrastiert wieder, ähnlich wie im ersten Satz, ein melancholischer Mittelteil mit dem spielfreudigen Charakter des Stücks, bevor das Rondo-Thema wieder einsetzt.
Nach einer kurzen Pause folgte Felix Mendelssohns Lobpreis auf Italien, die Italienische Sinfonie, in welcher der Komponist eigene Reiseeindrücke verarbeitet. Wie sein Freund und Förderer Johann Wolfgang von Goethe sieht Mendelssohn in Italien das gelobte Land der Künste und der Hochkultur und feiert in seiner Musik die landschaftliche Schönheit und antike Grösse Italias. Heitere südliche Klangfarben zeigt bereits das eröffnende Allegro vivace. Grieshammer nahm das Tempo etwas verhaltener als man es bei diesem Satz gewohnt ist. Dennoch setzten die eröffnenden bläserschillernden Fanfaren wirkungsvolle Akzente. Das Andante con moto evoziert eine feierliche Prozession singender Mönche, die zu choralartigem Gesang dahinschreiten. Die feierliche Melodie schwebt über einem pochenden Ostinato-Bass und verdeutlicht Mendelssohns Beschäftigung mit Johann Sebastian Bach. Auch dieser Satz mit seufzenden Flöten und Klarinetten wurde klangschön umgesetzt. Etwas vom Duft blühender Orangenhaine mag das menuettartige Con moto moderato einfangen. Vor allem im romantisch sehnsüchtigen Trio mit sanften Waldhornklängen und wiegenden Holzbläsern. Im Finale wird der Saltarello, ein schneller italienischer Tanz, zelebriert.