«Kann man das fürs Leben brauchen?»

In der Klosterkirche Königsfelden überzeugte am 27. Mai die Schüler-Performance «leise brüllen» von Brigitta Luisa Merki mit Tanz, Musik und Video.

Fotos: Alex Spichale / www.tanzundkunst.ch,Foto: Alex Spichale

Alles musste auf den Punkt genau bereit sein, als es für 120 Kinder und Jugendliche der Schulen in Windisch hiess, vor mehreren Hundert Zuschauerinnen und Zuschauern leise zu brüllen. Nach babel.überall mit der Schule Neuenhof bei Baden im Jahr 2014 realisierte Brigitta Luisa Merki, die Leiterin des Festivals Tanz & Kunst Königsfelden, damit ihr zweites pädagogisches Projekt; ein ambitiöses dazu, gestalteten doch die Jüngeren, also Primarschüler der 5. und 6. Klasse, und die Schulabgänger, die 4. Real- und Sekundarschülerinnen und -schüler zusammen diese einmalige Aufführung.

Nach viermonatiger Arbeit in einzelnen, anstrengenden Workshops, die von professionellen Kräften geleitet wurden, war die letzte Probewoche dem Zusammenfügen und dem Feinschliff gewidmet, drei Tage in der Turnhalle und am Schluss in der einmaligen Ambiance der Klosterkirche. Merki überschreitet mit ihren Projekten Grenzen, indem sie Künstler aus verschiedenen Bereichen zusammenbringt. Die diesjährige 90-minütige Vorstellung war geprägt von Musik (Rapperin Big Zis und Perkussionist Gilson de Assis), Tanz (Patrick Grigo), visueller Gestaltung (Jacqueline Weiss), Trickfilm (Anka Schmid), Videoprojektion (Ursula Palla) und bildender Kunst (Roman Sonderegger). Merki oblag die Gesamtdramaturgie.

Zorn, Lebensfreude, Frust
Was die Künstler zusammen mit den Schülerinnen und Schülern erarbeiteten, verblüffte, erfreute und berührte gleichermassen. Erstaunlich, wie die beteiligten Lehrpersonen die ganz eigene Welt der jungen Akteure erfassten und deren Befindlichkeit aus ihnen herauslockten. Der Titel leise brüllen steht für einen inneren Zorn, der sich zwar laut Bahn brechen will, jedoch nur leise geäussert wird. Seelenaufruhr, Lebensfreude oder Frust wurden angesprochen und mit künstlerischen Mitteln ausgedrückt.

Die Rapperin Big Zis trug dafür Statements der Schülerinnen und Schüler zusammen und kreierte daraus einen neuen Song: «Wänns da ine brüllt, ghörsch dusse fascht nüt … brüll liislig vo ine gäg usse … brüll liislig vo usse gäg ine.» So sang sie nach einem witzigen Trickfilm-Intro mit zwei Holzpuppen, die das Gefühl des Fremdgesteuert-Seins suggerierten. Die gesamte Handlung lebte von solchen assoziativen Bildern, teils durch Video-Sequenzen dargestellt, welche die Performance klug unterteilten, teils aber auch durch Hip-Hop- und Bodypercussion-Darbietungen der vielen Akteurinnen und Akteure.
Das Niveau war hoch, verlangt waren Rhythmussicherheit, Konzentration, Aufeinander-Eingehen sowie Akrobatik und Tanz. «Am Anfang brauchte es grosse Überzeugungsarbeit, um die Jugendlichen zu motivieren», meinte Merki bei ihrer Eröffnungsansprache. Waren die Jüngeren laut Merki noch schnell zu begeistern, so hatten die Schulabgängerinnen den Kopf zuweilen an einem ganz anderen Ort: «Wozu soll ich das machen, kann man es brauchen fürs Leben?» war eine häufig gestellte Frage.

In den Endproben erübrigten sich solche Sinnfragen, da spürten die Teilnehmenden, welcher «Drive» alle erfasste. Viele Eltern attestierten Merki, dass ihr Kind über sich hinausgewachsen sei, an Selbstsicherheit gewonnen und im Umgang mit anderen neue Seiten zeige. Eigentlich kein Wunder, denkt man sich, wenn man den vergnüglichen, abwechslungsreichen und berührenden Abend erlebt hat.
 

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