Helvetisches Feuer in Meiningen
Der Schweizer Philippe Bach leitet seit 2010 als Generalmusikdirektor die geschichtsträchtige Hofkapelle. In seinen Programmen baut er mit vielen Schweizer Interpreten und Werken Brücken von einem Land ins andere.
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Von Bach zu Bach. So liesse sich verkürzt die Geschichte der gut 325-jährigen Hofkapelle von Meiningen beschreiben. Es war Johann Ludwig Bach, ein ferner Verwandter des grossen J. S., der, gefolgt von weiteren Mitgliedern der weitverzweigten Familie, im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts mit der Hofkapelle die Residenzstadt Sachsen-Meiningen zu einem bedeutenden Musikzentrum formte. Seit sechs Jahren steht nun ein ganz anderer Bach, nämlich ein Schweizer Bach, als Generalmusikdirektor an der Spitze der Meininger Musikkultur: Philippe Bach, der in Bern, Genf, Zürich und Manchester Horn und Dirigieren studiert hatte, übernahm 2010 eines der geschichtsträchtigsten deutschen Orchester.
Stolze Geschichte
Meiningen ist eine ruhige und schmucke südthüringische Kleinstadt zwischen Rhön und Thüringer Wald, die von der Unbill der jüngeren deutschen Geschichte einigermassen verschont geblieben ist. Meiningen ist jedoch auch ein einzigartiges kulturelles Zentrum. Da ist eben zunächst die Hofkapelle, ein gut sechzigköpfiges Sinfonieorchester, dessen kometenhafter Aufstieg vor und um 1900 mit Namen wie Franz Liszt, Johannes Brahms, Hans von Bülow, Richard Strauss und Max Reger oder demjenigen des Geiger Alexander Ritter und des Klarinettisten Richard Mühlfeld verbunden ist. Es war die Meininger Hofkapelle, die nicht bloss der räumlichen Nähe wegen, sondern aufgrund ihrer hervorragenden Qualitäten während Jahren das Bayreuther Festspielorchester prägte. Da ist das Meininger Theater, in dem – ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts und wohl erstmalig in der Geschichte – eine Frühform des Regietheaters und ein konsequent naturalistisches Regie- und Bildkonzept entwickelt wurde, das unter dem Stichwort «Meininger Prinzipien» Geschichte gemacht hat. Während Jahren tourte das Meininger Theater auf den neugebauten Bahnstrecken durch Europa, immer die detailfreudigen und voluminösen Bühnenbilder des Coburger Theatermalers Max Brückner in bis zu 20 Bahnwaggons dabei. Kein Wunder, verehren die Meininger Herzog Georg II. noch heute wie einen Stadtvater. Der sogenannte «Theaterherzog» hatte ab 1866 über ein halbes Jahrhundert Orchester und Theater nicht allein gefördert, er hatte Regie geführt und Bühnenprospekte skizziert, und nicht zuletzt als sozialliberal denkender Politiker dem wilhelminischen Kaiserreich die Stirn geboten.
Da sind heute zudem die auf experimentelle Stücke ausgerichteten Kammerspiele, das Puppentheater oder die Kleinkunst- und Tanzhäuser … Meiningen ist eine ausserordentliche Kunststadt und mit seinen gut 20 000 Einwohnern nur gut halb so gross wie Thun oder so gross wie Aarau.