Für Mund oder Hand
In der Musikinstrumentensammlung Willisau ist eine Sonderausstellung von Harmonikainstrumenten aus Trossingen zu Gast. Hauseigene Bestände zeigen die Entwicklung vom Langnauerli zum Schwyzerörgeli.
Es hat sich unter Musikfreunden herumgesprochen, dass die ehemalige Druckerei des Willisauer Boten im Luzerner Hinterland zum Zentrum für Musikinstrumente geworden ist. Begonnen hat die Erfolgsstory im Jahr 2000. Damals hat die Albert-Koechlin-Stiftung die Sammlung von Christian Patt erworben, der sich durch Bildquellen zum Nachbau von Mittelalter- und Renaissanceinstrumenten hatte inspirieren lassen. Aus dieser Kernsammlung ist die Musikinstrumentensammlung Willisau entstanden, deren Leiter, ein Primarlehrer und gelernter Orgelbauer, in Wechselausstellungen vorerst die Verknüpfung mit dem lokalen Instrumentenbau des musikalisch regen Städtchens suchte. Es gelang Adrian Steger aber auch, angereiste Besucher durch Konzerte mit Alter Musik in den grossen Museumsraum und in die schönen Barockkirchen von Willisau zu locken.
Den eigentlichen Aufschwung erlebte das kleine Museum aber durch die Sammlung Heinrich Schumacher, die von 1943–2009 im Richard-Wagner-Haus auf Tribschen in Luzern zugänglich war und seit 2010 nun in Willisau ausgestellt ist. Anstelle eines Sammlungskatalogs publizierte Adrian Steger 2013 in der Reihe Innerschweizer Schatztruhe zusammen mit Martin Kirnbauer, Martina Papiro, Franz Peter und Georg Anderhub ein informatives Musikinstrumenten-ABC von Alphorn bis Zugposaune.
Durchschlagender Erfolg mit durchschlagender Zunge
Nach Ausstellungen über Kirchenglocken (2013) und Hausorgeln (2015) sind bis Ende Juni 2016 zahlreiche Harmonikainstrumente unter dem Titel In aller Munde und in vielen Händen zu sehen. Es handelt sich um eine durch hauseigene Musikinstrumente und Leihgaben ergänzte Wanderausstellung des Harmonikamuseums der Firma Hohner in Trossingen (Baden-Württemberg). In diesem seit 150 Jahren weltberühmten Zentrum für Mund- und Handharmonikabau sorgen noch heute über hundert Angestellte für die Bedürfnisse des Weltmarktes, spielen doch allein in den Vereinigten Staaten 40 Millionen Menschen Mundharmonika. Die Ausstellung lässt in einem zehnminütigen, aus firmeneigenem Material zusammengeschnittenen Dokumentarfilm die Beliebtheit dieser Instrumentenfamilie erahnen. Als Schweizer Beitrag wird die Entwicklung vom kleinen Langnauerli im frühen bis zum viel reicheren Schwyzerörgeli am Ende des 19. Jahrhunderts mit schönen Exponaten aus Privatbesitz dokumentiert. Neben einer originellen Auswahl aus 25 000 Mundharmonikas des Trossinger Museums amüsieren Kuriositäten wie Drehharmonium, Cécilium oder Mélopone und Hörstationen.
Das Prinzip der Tonerzeugung mittels einer durchschlagenden Zunge (Metallstreifen, der an der einen Seite über die Spalte in der Stimmplatte fixiert ist und mit Atem- oder Balgluft zum Schwingen und Klingen gebracht wird) lässt sich anhand grosser, von Steger konstruierter Modelle wortwörtlich begreifen. Vergleicht man diese Tonerzeugung mit den durchschlagenden gewendeten Zungen des asiatischen Blasinstruments Sheng, das als Ausgangspunkt für die Harmonikabewegung in Europa gilt, erhärtet sich die Vermutung, nicht dieses Aerofon, sondern ein in der ganzen Welt verbreitetes Idiofon, die Maultrommel, habe Instrumentenmacher in Wien, Berlin, Moskau und Paris zur Erfindung von Musikinstrumenten mit durchschlagender Zunge inspiriert.
Sonderausstellung: In aller Munde und in vielen Händen bis 26. Juni 2016
Musikinstrumentensammlung Willisau, Am Viehmarkt 1 (Gebäude Willisauer Bote), 6130 Willisau
Öffnungszeiten: jeden Mittwoch und monatlich am 2. und 4. Sonntag von 14–17 Uhr.
An den übrigen Tagen nach telefonischer Voranmeldung: 041 971 05 15