Vergessenes hörbar machen

Am 17. und 18. Januar 2015 fand im Basler Hans-Huber-Saal die erste Ausgabe eines neuen Festivals statt, das sich der jüdischen Musik widmet. Im Fokus stand dieses Jahr die «Neue Jüdische Schule».

Doric-Streichquartett mit Chen Halevi, Klarinette. Foto: Liron Erel

«Das Mizmorim-Festival verdankt seinen Namen biblischen Gesängen und Psalmen, den Mizmorim eben, welche die musikalische Form des Gebets und des gedanklichen Austausches im jüdischen Glauben darstellen.» So erklärt es die Website www.mizmorimfestival.com. Eine Gruppe engagierter Musikerinnen und Musiker um den renommierten Klarinettisten Chen Halevi verwirklichte unter tatkräftiger Unterstützung der Israelitischen Gemeinde Basel ein hochstehendes, sympathisches Musikfest mit hörenswerter Musik.

Der Präsident der Israelitischen Gemeinde Basel, Guy Rueff, der zugleich als Finanzchef des Festivals fungiert, wünschte sich in seinem Begrüssungswort, dass Mizmorim in Basel in ein paar Jahren die gleiche Bedeutung für die jüdische Musik haben werde, wie die Swiss Indoors für das Tennis: «Alle haben einmal klein angefangen.» – Diese Aussage passte zum bescheidenen Publikumsaufmarsch, nicht aber zum Gebotenen, das wesentlich mehr Zuhörer verdient hätte.

Die «Neue Jüdische Schule» als Nationalstil
Während sich in der Musik die nationalen Schulen etwa von Russland, Tschechien, Spanien oder Norwegen ungehindert entwickeln und im kulturellen Bewusstsein verankern konnten, wurde die Entwicklung der jüdischen Schule nach nur drei Dekaden erst durch den Stalinismus und dann durch den Nationalsozialismus gewaltsam beendet. 1908 begannen jüdische Komponisten – in der Folge des neu erwachten Nationalgedankens, der sich am ersten Zionistenkongress 1897 in Basel verdichtete – sich für die Quellen ihrer Musik zu interessieren. Das Zentrum der jüdisch-nationalen Bewegung in der Musik wurde Russland. In St. Petersburg wurde die «Gesellschaft für Jüdische Volksmusik» gegründet. Zu Beginn lag das Interesse beim Sammeln, Bearbeiten und Herausgeben von jüdischer Folklore. Hunderte von Konzerten im In- und Ausland, Lesungen und ethnologische Expeditionen wurden organisiert. Viele Komponisten erhielten eine Plattform zur Präsentation ihrer Werke. In der ersten Phase spielten unter anderen die Komponisten Joseph Achron, Michail Gnesin, Alexander und Grigori Krejn sowie Alexander Weprik eine wichtige Rolle. Ende der Zwanzigerjahre wurde der Sitz der Gesellschaft nach Moskau verlegt. Zunehmend von kommunistischem Gedankengut durchdrungen musste sie Ende 1929 ihre Tätigkeit in Russland ganz einstellen.

Inzwischen hatten sich aber Aktivitäten in ganz Europa und auch in der Schweiz ausgebreitet. Wien wurde das neue Zentrum. Die wichtigsten Komponisten waren hier Israel Brandmann, Joachim Stutschewsky und Juliusz Wolfsohn. 1938 war es schliesslich der Nationalsozialismus, der ein Weiterbestehen der Gruppierungen vereitelte. Stutschewsky floh in die Schweiz und organisierte am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zusammen mit seinem befreundeten Musikerkollegen Alexander Schaichet in Zürich und Basel Konzerte mit jüdischer Musik. Die beiden mussten als russische Juden bereits 1914 ein erstes Mal in die Schweiz fliehen. Während sich der Geiger Schaichet in Zürich etablierte, ging Stutschewsky 1924 nach Wien. Schon bei diesem ersten Aufenthalt hatten die beiden etliche Konzerte durchgeführt.

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