Das Festival als Spielwiese

Seit 2010 organisiert die Internetplattform Norient ein jährlich stattfindendes Musikfilm-Festival. Vom 15. bis 18. Januar wurde es zum sechsten Mal durchgeführt.

Foto: norient / syrianmetaliswar.com

Es war die Passion für das Aufspüren neuer Musiktrends, die Thomas Burkhalter vor zwölf Jahren dazu brachte, Norient zu gründen. Das Netzwerk für lokalen und globalen Sound und Medienkultur dient bis heute als Orientierungshilfe für Musikströmungen aus allen Himmelsrichtungen und war auch für die Entstehung des Norient-Musikfilm-Festivals ausschlaggebend: 2008 wurden Burkhalter, von Beruf Musikethnologe, und der Journalist und Medienkünstler Michael Spahr mit ihrem Dokumentarstreifen Buy More Incense ans Internationale Musikfilm-Festival «Muzyka i Swiat» nach Krakau eingeladen. Ihr Beitrag, der sich mit indischen und pakistanischen Secondo-Musikern in London auseinandersetzte, wurde mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. «Der Anlass hat uns beeindruckt», sagt Burkhalter. Und zwar so sehr, dass die beiden beschlossen, es selber mit einem Festival zu versuchen.

Zwei Jahre später wurde in Bern das Norient-Musikfilm-Festival aus der Taufe gehoben. Damals wie heute dauert es drei Tage und geht im Berner Kino Reitschule über die Bühne. Während die erste Ausgabe rund 600 Zuschauer anzog, lag die Zahl beim letzten Mal deutlich über 1400. Womit man in der Bundesstadt an die Grenzen des Machbaren gestossen ist, aber eins ist klar: «Wir wollen am jetzigen Standort bleiben, nicht zuletzt aus atmosphärischen Gründen.» Dennoch gab und gibt es Änderungen: 2013 entschloss sich Michael Spahr dazu, die Co-Leitung abzugeben; aktuell entscheidet Thomas Burkhalter alleine übers Programm – zumindest in letzter Instanz. Und seit diesem Jahr zeigt das von Stadt und Kanton Bern, der Burgergemeinde, dem Migros-Kulturprozent, dem Südkulturfonds und durch Eintritte finanzierte Festival auch erstmals Präsenz in St. Gallen. Damit sich der Aufwand, Gäste und Live-Acts eigens in die Schweiz zu bringen, überhaupt lohne, wie Burkhalter ausführt.

An die 150 Filme habe er für die letzte Ausgabe gesichtet, elf davon fanden Aufnahme ins Programm. «Das Qualitätsgefälle war einmal mehr sehr gross», entsinnt sich der 41-Jährige. Mit anderen Worten: Nur wenige Werke verfügen über das erhoffte künstlerische Potenzial. Auch wenn das Festival unterdessen viele Filme – und das meist als Stream oder Download – zugesandt bekomme, müssten seine Helfer und er sich weiterhin selbst auf die Suche machen, erläutert Burkhalter. «Unser Netzwerk ist dabei eine grosse Hilfe.» Unerlässlich sei zudem das Nachforschen in Blogs, und zur Not recherchiere man selbst via Google – etwa mit Suchbegriffen wie «Hip Hop, Bali und Documentary».

Dass die Qualität der Musikfilme in der jüngeren Vergangenheit insgesamt gestiegen sei, kann Burkhalter nicht bestätigen. «Gleichwohl denke ich, dass das Niveau der von uns gezeigten Filme über die Jahre höher geworden ist.» Die Selektion werde jedenfalls immer strenger. «Und aufwendiger.» Damit ein Film es in die Auswahl schafft, sollte sich ein Regisseur möglichst intensiv mit den porträtierten Musikerinnen und Musikern beschäftigen und auf Plattitüden verzichten. «Und natürlich braucht ein Beitrag eine fesselnde Story oder ein spannendes Format.»

Zu seinen persönlichen Highlights der vergangenen Festival-Ausgabe zählt Burkhalter nebst Human Shields, ein Feature des irischen Radiomachers Bernard Clark über den Gaza-Krieg, auch Syrian Metal Is War, der von syrischen Metal-Musikern und ihrem Umgang mit dem Bürgerkrieg handelt. «Regisseur Monzer Darwish hat den Film unter Gefahren gedreht und lebt inzwischen im algerischen Exil.» Und welche Botschaft möchte das Norient-Musikfilm-Festival seinen Besuchern übermitteln? «Alles, was wir machen, will aufzeigen, dass auch in einer digitalen Welt spannende Filme und Musik kreiert werden», antwortet Burkhalter. Und bringt damit zum Ausdruck, dass es auch künstlerisches Leben abseits des Kommerz gibt.

Bis dato hat erst ein einziger Schweizer Beitrag Aufnahme ins Programm gefunden. Den bislang offerierten Werken habe es mitunter an Brisanz gemangelt. «Zu oft waren es blosse Porträts einheimischer Bands.» Vergleicht Burkhalter die erste Ausgabe des Events mit der jüngsten, dann fällt ihm auf, wie sehr das Festival mit den Formaten spielt. «So unterschiedliche Gefässe wie Radio, audiovisuelle Performances, Live-Shows oder Vorträge sind bei uns nicht nur möglich, sondern explizit erwünscht.» Das Norient-Musikfilm-Festival sei eine Spielwiese, auf der experimentiert werden könne – und solle, sagt Burkhalter. Und lässt die Vorfreude auf die kommende Ausgabe bereits deutlich aufblitzen.

Das 7. Norient Musikfilm Festival findet vom 14. bis 17. Januar 2016 statt.

www.norient.com

 

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