Innovation und Musikschule – wie geht das?

Rund 200 Teilnehmende trafen sich am 17./18. Januar in Baden zum Forum Musikalische Bildung (FMB) und diskutierten über Innovation, Mitwirkung und Design Thinking. Gäste wie Raphael Gielgen, Trendscout bei vitra, Wirtschaftswissenschaftlerin und Unternehmerin Barbara Josef und KI-Experte Raphael-Emmanuel Eastes warfen grosse Fragen auf, die an den gemeinsamen Stehlunches intensiv diskutiert wurden.

Diskussionen und Pausengespräche am FMB (Foto: Gabi Pavanello)

Zukunftsforscher:in werden

Wir leben in einer (Arbeits-)Welt, die sich ständig verändert und weiterentwickelt, und sich davor zu verschliessen, sei schwierig, unmöglich und auch unnötig – dies der Grundtenor der Referent:innen. Raphael Gielgen ermutigte dazu, die Rolle eines Zukunftsforschers oder einer Zukunftsforscherin einzunehmen, um die Zukunft aktiv mitzugestalten. Es lohne sich, neue Fähigkeiten zu entwickeln und diese zu reflektieren. Als ausserordentlich wichtig sieht er die Kraft von Erzählungen und Ritualen, die dabei helfen könnten, eine wünschenswerte Zukunft für alle zu schaffen. Er sieht besonderes Potenzial in der Musik, um eine solche Verbindung herzustellen.

Auch Barbara Josef betont die Kraft des „Wir“: „Die Herausforderung besteht darin, in einer individualisierten Welt zu einem starken Wir zu finden.“ Es gehe darum, gemeinsame Werte zu pflegen. Die Zeit der Innovation und der Individualität sei vorbei – wir lebten in einer Zeit der Omnikrisen und Resilienz und Teamarbeit seien wichtiger denn je.

Bewahren und optimieren – und allenfalls reduzieren

Schulentwicklungs-Spezialist Stephan Huber stellte seinen BIO+-Ansatz vor. „Schulen brauchen Innovation“, sagte er zum Einstieg. Im Vordergrund stehe dabei die Frage nach der Strategie. Der BIO+-Ansatz schlägt vor, ein Gleichgewicht zu finden zwischen „Bewahren, innovieren, optimieren“, und gleichzeitig auch Sorge zu den vorhandenen Ressourcen zu tragen, indem reduziert oder sistiert wird, was sich als aufwändig und wenig nützlich erweist. Zudem lohne es sich, auf eine Schatzsuche zu setzen, statt sich auf die Fehlersuche zu machen – dies aus der Erkenntnis heraus, dass die Arbeit nie fertig ist, und es deshalb Sinn macht, auf Positives und Erfreuliches zu setzen. Schliesslich wünschte er den anwesenden Schulleiter:innen viel Mut: „Wer eine Schule führt, muss mutige Entscheidungen treffen“, meinte er, „Dabei wünsche ich Ihnen ein gutes Händchen.“

KI und der Musikunterricht

Wie hat sich die künstliche Intelligenz entwickelt? Was kann die künstliche Intelligenz heute leisten – und wie können wir sie einsetzen? Nach einem Abriss über die Geschichte der künstlichen Intelligenz von Gilbert Nouno (Haute école de musique de Genève) gab Richard Eastes, der den VMS bei der Erarbeitung des Digitalisierungskonzepts unterstützt hat, konkrete Hinweise zur Nutzung von ChatGPT. Er wies zum Beispiel darauf hin, wie wichtig Prompt Engineering sei: KI könne nur hilfreich antworten, wenn man ihr eine Rolle, eine Tonalität, eine Mission und ein Format vorgebe. Im Musik-Unterricht sehen beide vier Aufgaben für KI: als Nachschlagewerk, als Assistentin, als Sparring Partner und als Ghostwriter. Dazu gehören konkrete Anwendungen wie KI-Playbacks, die Zusammenstellung von Übungen oder eines Übeplans.

Zum Schluss liessen sie KI das Referat in Form eines Songs zusammenfassen. ChatGPT schrieb einen Liedtext, und das Musik-Tool Suno komponierte die Musik dazu in den gewünschten Stilen Trash Metal und Reggae. Ausschnitt aus den generierten Texten: „Algorithmen tanzen durch die Melodie, verleihen der Musik neue Magie.“

Aus Lego die Musikschule der Zukunft bauen

Mit dem Team des Zukunftslabors aus Baden schliesslich beschäftigten sich die Teilnehmenden mit Design Thinking. „Wir wollen schnell ins Machen kommen“, sagte Simona Hofmann – Bedürfnisse erfassen, Ideen und Prototypen entwickeln, umsetzen und weiterentwickeln. In vier verschiedenen Workshops beschäftigten sich die Anwesenden mit Fragen rund um die Institution Musikschule, sowie auch mit Komposition von Musik mithilfe von AI. „Es war sehr toll, wieder einmal mit Lego zu bauen“, sagte ein Teilnehmer des Workshops Lego Serious Play, wo die ideale Musikschule gebaut und diskutiert – und wie in den anderen Räumen auch – sehr viel gelacht – wurde. Für Applaus sorgten schliesslich die innert kürzester Zeit entwickelten Ideen für ganz neue Anlässe/Konzerte und Zielgruppen, und besonders auch die von mehreren Gruppen kreierten KI-Songs.

Lego Serious Play: Workshop (Foto: Gabi Pavanello)

Zwei Hauptpreise für inklusive Projekte

Zehn innovative Projekte aus Schweizer Musikschulen präsentierten sich im Rahmen des Good Practice-Wettbewerbs mit Videos und Live-Interviews einer Jury und dem Publikum. Den zweiten Preis nahm die Musikschule Münchenstein mit ihrem Projekt „Klingende Schulen“ entgegen, und den Publikumspreis erhielt die Musikschule Alpnach mit dem Schulentwicklungs-Projekt „Musikschule plus“. Einstimmig hatte die Jury entschieden, nicht nur einen, sondern gleich zwei erste Hauptpreise zu verleihen – den einen an die Musikschule Oberemmental mit „The Happy Fridays“ und den anderen an die École de jazz et de musique actuelle EJMA Valais „Musicien-ne au-delà du handicap“ (ausführlicher Bericht in der nächsten Ausgabe).

Live auf Sendung: der Radiobus

Eine Klasse der Kantonsschule Baden ging mit dem Radiobus der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi live auf Sendung und stellte den Gästen spannende Fragen. Der Radiobus wird im laufenden Jahr in der ganzen Schweiz an Musikschulen zu Besuch sein – eine Aktion im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums des Verbandes. Letzteres wurde mit einem besonderen Höhepunkt eingeläutet, nämlich der Enthüllung des aufgefrischten visuellen Erscheinungsbildes des VMS. Das neue Logo spielt mit der visuellen Darstellung von Frequenzen, und die Farben sind frisch-fröhlich – ein erster Paukenschlag im Jubiläumsjahr.

Radiobus: die Tournee geht los (Foto: Gabi Pavanello)

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