„Ein mega wichtiger Job!“ – Nemos Dank an die Musikschule Biel
Fünf Wochen nach dem ESC-Gewinn empfing die Stadt Biel Nemo mit einem grossen Fest – da durfte die Musikschule Biel, an der Nemo jahrelang Unterricht nahm, nicht fehlen. Ein kurzer Einblick in den Anlass weit ausserhalb des regulären Musikschulalltags, und ein Gespräch mit Nemos ehemaliger Gesangspädagogin Helena Danis über den Umgang mit besonders ambitionierten Schüler:innen.
Bilder: Tanja Lander
Lire ce texte en français / in italiano
„So etwas erlebt man wohl nur einmal“, sagt Luca Carangelo, Mitglied der vierköpfigen Schulleitung der Musikschule Biel. Im Rahmen des Willkommensfests von ESC-Gewinner:in Nemo in Biel vom 17.6. durfte die Musikschule einen zwanzigminütigen Auftritt gestalten – zwei Formationen, geleitet von Nemos ehemaligen Musikpädagog:innen an der Musikschule Biel, traten auf die Bühne und brachten Nemo und der feiernden Menge ein Ständchen. Die erste Gruppe von Gesangsschülerinnen, einige davon grosse Fans von Nemo, schon vor dem ESC, waren sichtlich freudig nervös und sangen das von Helena Danis arrangierte Medley vor dem voll besetzten Burgplatz mit grosser Publikumsmitwirkung. Und die zweite Gruppe, ein Perkussionsensemble von Richard Lepetit brachte viel Groove in die Bieler Altstadt.
Nemo zeigte sich von den Auftritten sichtlich gerührt. „Es ist eine riesige Aufgabe, die Motivation und die Freude an der Musik an die nächste Generation weiterzugeben“, sagte das vielgereiste Musiktalent, an die Musikpädagog:innen gerichtet. „Danke, dass ihr das macht, es ist ein mega wichtiger Job!“ Auch bei den Musikschüler:innen bedankte sich Nemo persönlich – die eigenen Auftritte mit der Musikschule hätten einen festen Platz im Herz.
„Wir sind ausgesprochen glücklich, dass alles so wunderbar und erfolgreich verlaufen ist“, so Luca Carangelo. Zwei Wochen vorher war die Dienststelle Kultur der Stadt auf die Musikschule zugekommen – Grund dafür war Nemos jahrelanger Unterricht im Kinderchor, im Perkussions-Ensemble und in den Fächern Gesang und Klavier. Um ihre Angebote bei den Bieler Schulkindern bekannt zu machen, veranstaltet die Musikschule unter anderem jährlich eine Reise durch die Musikschule Biel für die 1.-6. Klassen einer ausgewählten Primarschule aus Biel und Umgebung. Gut möglich, dass sie durch diesen Anlass mit nationaler Strahlkraft aber noch einen weiteren grossen Bekanntheitssprung machen konnte. Wenige Tage nach dem Auftritt erreichte die Musikschule jedenfalls erste Fanpost, die doch bitte an Nemo weitergeleitet werden solle.
Nemo mit Schülerinnen der Musikschule Biel und Gesangspädagogin Helena Danis
IM GESPRÄCH MIT NEMOS GESANGSPÄDAGOGIN
Schon mit sechzehn war für Nemo klar, dass die Musik den Lebensweg bestimmen sollte – unterstützt wurde der zukünftige Star dabei unter anderem von Lehrpersonen der Musikschule Biel. Gesangslehrerin Helena Danis berichtet vom Umgang mit besonders ambitionierten Schüler:innen, und davon, dass Gesangsunterricht auch Normalbegabten viele Vorteile bringt.
Helena, du unterrichtest seit über zwanzig Jahren Gesang, seit zwei Jahren auch Ukulele. Wieviel Platz nimmt das Unterrichten in deinem Leben ein?
Im Schnitt unterrichte ich an drei Tagen an der Musikschule Biel. Daneben bin ich selber aktiv als Musikerin tätig, früher mit Electropop-Projekten wie Electric Blanket, und heute mit Musikkabarett.
Die Begabtenförderung ist ein wichtiges Thema für Musikpädagog:innen. Wie begleitest du begabte Schüler:innen?
Ich motiviere sie dazu, zusätzlich zum Gesangsunterricht möglichst auch noch ein Instrument wie Gitarre oder Klavier zu erlernen, damit sie sich selber begleiten und Songs schreiben lernen. Nebst dem Instrument selber sind auch Musiktheorie und Solfège wichtig, und das Sammeln von Erfahrung auf der Bühne. Die Musikschule Biel hat sehr viele Angebote im Bereich Ensemble- und Bandunterricht.
Empfindest du es als grosse Verantwortung, begabte Schüler:innen zu fördern?
Auf jeden Fall. Man führt viele Standortbestimmungen, sucht Gespräche, auch mit den Eltern. Ich versuche, sie aus der Komfortzone zu locken, aber immer so, dass die Freude und die Motivation hoch bleiben. Überfordern möchte ich sie nicht, denn in der Schule läuft auch viel. Zu beachten ist, dass es im Bereich Gesang es verschiedene individuelle Entwicklungsstufen gibt. Es gibt Schüler:innen, die haben schon mit 12 eine Wahnsinnsstimme, bei anderen kommt es erst später. Ich gebe ihnen Zeit. Und das Allerwichtigste ist immer, die Schüler:innen einzubeziehen.
Hast du viele Schüler:innen, die sich für ein Studium an einer Hochschule entscheiden?
Ich würde sagen, es ist etwa eine Schüler:in pro alle zwei bis drei Jahre, die an die Hochschule weitergehen, oder an eine Musicalschule. Es ist schön, ihre Wege zu verfolgen – plötzlich sieht man sich wieder, oder man bekommt mit, dass sie mit Berufskolleg:innen spielen.
Kann man den Schluss ziehen, dass Begabtenförderung zwar erfüllend, aber auch aufwändig ist?
Ja, schon. Man ist im ständigen Austausch mit den anderen involvierten Lehrpersonen und muss selber auch schauen, dass man dranbleibt, auch bei den Studienvoraussetzungen an den Hochschulen, die sich immer wieder ändern.
Du hast auch Nemo begleitet. Wie hast du Nemo als Schüler:in erlebt?
Das war 2016. Damals wurde Nemo als Rapper:in durch die SRF Show „Die grössten Schweizer Talente) bekannt, bekam einen Plattenvertrag und war sehr beschäftigt und ständig unterwegs zwischen Biel, Bern und Zürich. Nemo wollte die Technik aufpeppen, die Stimme öffnen – damals selber knapp aus dem Stimmbruch. Wir haben Pop-Gesangstechnik gemacht und auch einige Jazzstandards einstudiert. Nemo hat aber auch eigene Songs oder Ideen gebracht, an denen wir gearbeitet haben.
Würdest du Nemo als besonders ambitioniert bezeichnen?
Nemo wusste schon als Kind, dass die Bühne das Ziel war. Da muss man nicht mehr viel motivieren (lacht). Es ging darum, Nemo zu begleiten, Inputs zu geben. Ich finde es schön, wenn man das schon so früh weiss, und sich dafür entscheidet, einen solchen Weg einzuschlagen, auch ohne Sicherheit. Zu dieser Zeit war Nemo gerade mit der obligatorischen Schulpflicht fertig.
War da eine kleine Stimme in dir, die Nemo am liebsten geraten hätte, vielleicht doch die Matura zu machen?
Nein. Ich fand, Nemo solle das versuchen. In der Schweiz hat man ja auch später noch viele Möglichkeiten. Bei Nemo hatte ich nie das Gefühl, dass es nichts wird. Ich finde sowieso, dass sich das in der Schweiz mehr Leute zutrauen sollten, voll auf die Kunst zu setzen. Auch ohne Hochschulabschluss. Es gibt viele Wege.
Nicht alle Schüler:innen sind so ambitioniert – die Breitenförderung ist auch ein grosser Teil deines Alltags.
Die Breitenförderung ist mein Haupt-Business. Da kann man so viel bewirken! Ich möchte die Freude am Singen wecken und fördern. Auch mit dem Ukulele-Unterricht, den ich seit kurzem anbiete, ist das mein Ziel. Mir ist es wichtig, dass alle Schüler:innen in jeder Lektion etwas Neues lernen und jedes Mal kleine Fortschritte machen können – mit Fokus auf die Freude am Musikmachen.
Gesangsunterricht ist also nicht nur für Menschen mit herausragender Stimme geeignet?
Nein, überhaupt nicht!
Bietet Gesangsunterricht auch – salopp gesagt – Normalbegabten Vorteile?
Hinstehen und vor anderen Leuten zu singen ist ein grosser Schritt, besonders auch für Erwachsene. Man entwickelt ein Bewusstsein für die eigene Stimme, für die Körperhaltung. Die Stimme gibt viel Einblick in den Menschen. Sie ist gewissermassen ein Spiegel der Seele.
Live-Stream des Events (ab 1:29 Beitrag Musikschule Biel)