Lampenfieber meistern: Mit mentaler Stärke auf der Bühne glänzen

Nervosität vor Auftritten kennt fast jede*r Musiker*in. Sebastian Rosenberg zeigt, wie du mit Atemübungen, positivem Denken und Visualisierungen deine Nervosität kontrollierst und dein volles Potenzial abrufst. Praktische Tipps und Techniken, um mit Gelassenheit und Freude auf die Bühne zu gehen.

Du stehst mit weichen Knien auf der Bühne, dein Puls rast und deine Hände sind schwitzig. Eigentlich wolltest du dich auf das Musizieren fokussieren, doch jetzt drehen sich deine Gedanken nur noch um deine Nervosität. Kommt dir diese Situation bekannt vor?

Lampenfieber kann die Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen. Wenn der Körper unter Stress steht, wird das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, welches Symptome wie Zittern, Schwitzen oder eine flache Atmung auslöst. Obwohl die Stressreaktion unterbewusst abläuft, lässt sie sich durch gezielte Techniken beeinflussen – zum Beispiel durch bewusstes Atmen.

Eine hilfreiche Technik für bewusstes Atmen ist die «Quadratatmung», welche folgendermassen funktioniert:

Positioniere dich bequem und richte deine Aufmerksamkeit «nach innen». Atme ruhig ein und aus. Zähle dann beim Einatmen bis fünf und folge gedanklich der ersten Seite eines imaginären Quadrats. Halte den Atem für die gleiche Dauer an, ohne Anspannung (die zweite Seite), atme dann aus und folge der dritten Seite des Quadrats. Halte den Atem wieder an, um die vierte Seite zu vervollständigen. Wiederhole diesen Zyklus. Passe die Dauer der Seitenlängen deinen Bedürfnissen an.

Es gibt viele verschiedene Atemtechniken, und jede Person reagiert anders. Es ist wichtig, herauszufinden, welche Technik dich am besten beruhigt oder aktiviert, damit du die Kontrolle über deine Nervosität zurückgewinnst.

Neben der Atemtechnik spielt auch der Umgang mit störenden Gedanken eine wichtige Rolle. «Störende Gedanken» sind solche, die uns in stressigen Situationen von der Aufgabe ablenken oder uns negativ beeinflussen – etwa während eines Konzerts oder Probespiels. Ein effektiver Ansatz, um mit solchen Gedanken umzugehen, ist das WAVE-Prinzip des Sportpsychologen Jörg Wetzel (aus «GOLD – Mental stark zur Bestleistung», Jörg Wetzel, 6. Auflage, 2019). «WAVE» steht für:

1. Wahrnehmen: Erkenne bewusst deine Gedanken, Gefühle und körperlichen Reaktionen.

2. Anhalten: Stoppe den Gedankenstrom aktiv, indem du «Stopp» oder «Halt» sagst.

3. Verändern: Ersetze negative Gedanken durch positive, konstruktive Denkmuster.

4. Einüben: Wiederhole den neuen Gedanken und prüfe seine Wirkung.

Beispiele: Statt «Schon wieder einen Ton nicht sauber getroffen, wie peinlich!» könntest du sagen: «Ich kann das besser. Abhaken und weitermachen!» Oder anstatt zu denken «Wenn ich jetzt nervös werde, funktioniert es sicher nicht» könnte der Gedanke lauten: «Ich bleibe ruhig und musiziere, wie ich es zu Hause tue.» Indem du lernst, deine Gedanken aktiv zu lenken, kannst du deine Nervosität in den Griff bekommen und dich besser fokussieren.

Mentales Training bietet zudem die Möglichkeit, Konzertsituationen zu üben. Visualisierungstechniken helfen dabei, ein positives ­Konzerterlebnis nochmals mit allen Sinnen zu durchleben oder eine zukünftige Aufführung gedanklich vor einem imaginären Publikum zu proben. Diese Methode bereitet dich mental auf den «besonderen Moment» vor, damit du die Nervosität besser antizipieren und ihr gelassen begegnen kannst. In vielen Fällen ist die dritte oder vierte Aufführung viel leichter als die Premiere.

Die Momente kurz vor der Performance sind entscheidend für den Erfolg. Eine sorgfältige Planung und das Training dieses Ablaufs, unterstützt durch mentale Techniken, sind genauso wichtig wie die technische und musikalische Vorbereitung.

Nervosität lässt sich nicht vollständig eliminieren, doch mit mentalen Techniken kannst du lernen, sie zu steuern und einen positiven Umgang damit zu entwickeln. So kannst du auch in stressigen Momenten deine Leistung zuverlässig abrufen und mit Gelassenheit auftreten.

 

Sebastian Rosenberg
… berät Musiker*innen und gibt Kurse und Workshops im Themenbereich Mentaltraining, unterrichtet Trompete und leitet Ensembles an der Musikschule Rontal LU.

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