Ein neues Mitglied im SMV-Zentralvorstand
Die Geigerin Birgit Thorgerd Müller wurde an der diesjährigen SMV-Delegiertenversammlung als neues Mitglied des Zentralvorstands gewählt. Wir stellen sie vor.
Die Antworten zu unseren Fragen über ihre Motivation und das Leben als freischaffende Musikerin gab sie uns schriftlich.
Birgit Thorgerd Müller wuchs bis zum Abitur 1988 im bayerischen Coburg auf.
Schulbegleitend erhielt sie ab 1986 als Jungstudentin bei Jacob Gilman in München Violin-Unterricht. Das anschliessende reguläre Studium schloss sie mit dem Konzertexamen ab. Eine weitere Ausbildung erfolgte in der Klasse von Nora Chastain in Winterthur. Zusätzliche künstlerische Impulse erhielt sie in Violin-Meisterkursen u. a. bei Aaron Rosand, Zhakar Bron und Grigori Zhislin.
Von 1993 – 1995 spielte sie im Radio-Sinfonie-Orchester Stuttgart, bevor sie aus privaten Gründen nach Zürich umzog und eine Familie gründete.
Seit dem Umzug in die Schweiz arbeitet sie freischaffend/interimistisch vor allem im Orchester des Opernhauses Zürich (Philharmonia Zürich) und regelmässig als Zuzügerin in den meisten Orchestern der Deutschschweiz (Luzern, St. Gallen, Winterthur, Basel, Bern), im benachbarten Ausland (SWR Symphonieorchester, Münchner Philharmoniker, Rundfunkorchester des Bayerischen Rundfunks) und z. B. im Gstaad Festival Orchestra.
Die Zusammenarbeit u. a. mit Nikolaus Harnoncourt, Zubin Mehta, Bernard Haitink, Herbert Blomstedt, Teodor Currentzis, Daniele Gatti und Jaap van Zweden gab und gibt ihr wertvolle Impulse und lässt sie den Beruf der Orchestermusikerin weiterhin mit Leidenschaft ausüben.
Daneben widmet sie sich auch Solo- und Kammermusikkonzerten. Ein grosses Anliegen sind ihr Ur- und Erstaufführungen zeitgenössischer Komponisten. Gerhard Deutschmann, Andreas Willscher und Vahram Babajan widmeten ihr bereits Werke.
Birgit Thorgerd Müller, was motiviert Dich zur Mitarbeit im Zentralvorstand des SMV?
Nicht primär im Zusammenhang mit der Vorstandsarbeit, doch sehr am Herzen liegt mir, das Bewusstsein bzw. die Sensibilisierung für den Wert der Musik für die psychische Gesundheit unserer Gesellschaft zu stärken. Dies völlig unabhängig davon, ob man Musik selbst gestaltet oder «nur» konsumiert.
Hierzu eine kleine Begebenheit von einer Reise nach Nové Město nad Metují in Tschechien diesen Sommer: Im Hof des dortigen Schlosses hatte der Besitzer ein Klavier aufgestellt, mit dem expliziten Hinweis, dass man, sofern man ein wenig Klavier spielen könne, doch gerne musizieren möge. Während unseres kurzen Aufenthaltes wurden Handys weggesteckt und es ergaben sich Gespräche zwischen Fremden, zwischen Klavierspielenden und Zuhörenden über Musik und völlig andere Themen. Die Stimmung veränderte sich spürbar. Für mein Empfinden spricht Musik in uns allen etwas Verbindendes, Friedensstiftendes an. Diese positive Wirkung können wir nach meiner Meinung viel breiter nutzen.
Meine Motivation, im Zentralvorstand des SMV mitzuwirken, entspringt dem tiefen Wunsch, die Interessen und Anliegen meiner Kolleginnen und Kollegen aktiv zu vertreten und zu stärken. Hierzu kommt mir entgegen, dass ich gerne verbindend zwischen einzelnen Menschen und Gruppen wirke. Diese Fähigkeit möchte ich nutzen, um den Zusammenhalt innerhalb unserer Gemeinschaft zu fördern und gemeinsame Ziele voranzutreiben.
Ein besonderes Anliegen ist mir auch die adäquate Vergütung der Musikerinnen und Musiker. Ich bin der festen Überzeugung, dass die wertvolle Arbeit, die wir leisten, fair und angemessen honoriert werden muss. Dafür möchte ich mich mit Nachdruck einsetzen, um die Rahmenbedingungen für das Musikschaffen in der Schweiz weiter zu verbessern.
Im Gremium möchte ich daran arbeiten, dass unsere Stimme im kulturellen Diskurs noch stärker Gehör findet und dass wir als Verband nachhaltig und zukunftsorientiert agieren.
Wie erlebst Du den Alltag als Freischaffende?
ich kenne persönlich sowohl das Festangestelltsein sowie das Freischaffendenleben. Die Schweiz bietet in den Ballungszentren eine lebendige kulturelle Vielfalt mit grossem Bedarf an Musikern. Die Kultur wird gefördert, sodass eine Vielzahl an Projekten stattfinden kann. Die klassische Szene ist recht überschaubar, so dass man sich grossteils kennt und sich als Freischaffende untereinander auch gegenseitig unterstützen kann. Im Idealfall ist der Alltag durch die Flexibilität musikalisch vielseitig.
Neben diesen sehr bereichernden Aspekten gibt es natürlich die finanziellen und logistischen Herausforderungen: die Auftragsdichte ist nicht immer gleich und die Projekte sind auch nicht immer gleich gut bezahlt.
Was kann der SMV zusätzlich unterstützend für Freischaffende tun?
Der SMV bietet schon jetzt eine Vielzahl an Unterstützungsmöglichkeiten. Zum Beispiel von rechtlicher Hilfe über laufende Mindesthonorarverhandlungen bis zu einem Notfallfonds. Wünschens- und erstrebenswert für mein Empfinden ist eine stärkere Vernetzung unter den Freischaffenden und spezielle Trainings oder Workshops. Hierfür können noch mehr Impulse vom SMV ausgehen.
Aus eigener Erfahrung weiss ich allerdings auch, dass Freischaffende durch die geforderte berufliche Dauerflexibilität zeitlich oft schlecht Ausserberufliches planen können. Hier bleiben wir als SMV dran und versuchen, die Freischaffenden zu erreichen, das Gruppengefühl zu stärken, auch um der Stimme der freischaffenden Musiker gesellschaftlich und politisch mehr Gewicht zu geben.