Neujahrsbrief der Co-Präsidentinnen

Liebe Musiklehrpersonen in der Schweiz
Liebe Kolleginnen und Kollegen

Musiklehrperson in der heutigen Zeit zu sein, ist ein anspruchsvolles Unterfangen! Die Schüler*innen haben immer weniger Zeit, und so ist die Verlockung für sie gross, einfach bei einer Online-Musikschule ein wenig virtuellen Unterricht zu nehmen. Hier wird maximale Flexibilität versprochen, und der Spass ist scheinbar garantiert. Man kann auch nur ganz unverbindlich ein 10er-Abo lösen und muss sich nicht verpflichten. Das Setting entspricht genau unserem Zeitgeist: mit kleinem Aufwand an Zeit und persönlichem Einsatz ein möglichst schnelles Resultat erreichen – Spassfaktor inklusive. Dass auf diese Weise seriöser Musikunterricht kaum möglich ist, wissen qualifizierte Musiklehrpersonen genau.

Vielen Laien ist nicht bewusst, dass gerade dies der unschätzbare Wert von Musikunterricht ist, dass die Schüler*innen sich verbindlich über einen längeren Zeitraum auf den Unterricht einlassen müssen, dass sie hunderte Stunden üben müssen, um ein relativ einfaches Stück schön und musikalisch spielen zu können, dass dann aber dieses echte Können zu einer tiefen Freude und einem besseren Selbstbewusstsein führt. Sie können sich auch nicht vorstellen, dass es Jahre intensiver Beschäftigung mit dem Instrument braucht, um ein/e professionelle/r Musiker*in zu werden. So viel Aufwand gilt in der heutigen Zeit als total unmodern.
Musikunterricht schafft damit aber einen Gegenpol zur Hektik dieser schnelllebigen Zeit, in der alle schnelle Resultate fordern, in der die Anzahl psychischer Erkrankungen exponentiell wächst, weil keine Zeit für die Mitmenschen bleibt. Musikunterricht ist eben nicht nur das Erlernen eines Handwerks, er ist Balsam für die Seele, weil der Mensch hier innehalten darf und sich auf dieses Projekt einlassen muss. Die Schüler*innen reisen zur Lehrperson, denn nur in der realen Auseinandersetzung mit einer qualifizierten Fachperson ist vertieftes Lernen möglich; das wissen wir spätestens seit der Corona-Pandemie. Und obwohl man im Kontext von Musikunterricht gerne Begriffe wie „innehalten“, „bei sich ankommen“, „im Augenblick sein“ verwendet, ist er keine Therapie, in der man die Seele einfach baumeln lassen kann. Ein Instrument zu erlernen ist ein komplexer Vorgang, der die volle Aufmerksamkeit braucht, bei dem alle Sinne dabei sein müssen und sich der Geist auf die Tätigkeit fokussiert. Es fordert den Menschen in seiner Ganzheit mit all seinen Gedanken, Gefühlen und seinem Körper. Nur so kann Lernen stattfinden. Und dabei ist es unerheblich, ob wir Studierende auf ein Diplom vorbereiten, oder ob wir mit einem geistig behinderten Kind arbeiten.

Und gerade weil Musikunterricht so antizyklisch ist, wird sein Wert oft nicht erkannt. Musiklehrpersonen werden, im Gegensatz zu Musiker*innen, sehr oft als nicht wichtig empfunden. Musikunterricht wird zum unverbindlichen Hobby, und dabei geht vergessen, dass auch die grossen Stars einmal solchen Musikunterricht genossen haben, dass sie aber an einem Punkt verbindlich ja gesagt haben und sich voll und ganz mit ihrer Lehrperson auf ihr Instrument eingelassen haben.

Seien Sie stolz auf Ihren Beruf! Wie schwer es manchmal auch scheint in dieser hektischen Zeit, in der alles immer sofort erreicht werden muss, dies aber nichts kosten darf. Den physischen Musikunterricht wird es immer geben, er ist unersetzbar! Wir sind ein Gegengewicht, das hilft die Menschheit in der Balance zu halten, sie gesund zu erhalten. Im Musikunterricht ist der Augenblick noch ein wertvolles Gut, „Verbindlichkeit“ und „sich auf etwas einlassen können“ sind notwendige Qualitäten, und dabei  sind qualifizierte Lehrpersonen besonders wichtig. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft!

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein erfolgreiches neues Jahr, lassen Sie sich auf keinen Fall entmutigen! Schreiten Sie zuversichtlich voran! Der SMPV wird Ihnen auch in diesem Jahr zur Seite stehen und alles für ihn in der Macht Stehende tun, damit Musikunterricht auf allen Ebenen den Stellenwert bekommt, der ihm zusteht!

Annette Dannecker und Paola De Luca
Co-Präsidentinnen SMPV

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