Krabbelkonzerte
Der SMPV Thurgau veranstaltet seit Februar Konzerte für die Kleinsten und ihre Eltern. Jedes dieser Konzerte ist einer bestimmten Stilrichtung gewidmet: Jazz im Februar, Barock im März, zeitgenössische Musik im April und Romantik im Mai.
Ich spreche mit Jakob Valentin Herzog, der die Reihe zusammen mit Sarah Bächi, Barbara Hidber und Wolfgang Pailer organisiert hat und der im März-Konzert gespielt hat, über die ersten Erfahrungen mit dem neuen Format.
Marianne Wälchli: Was hat euch dazu motiviert, Krabbelkonzerte zu organisieren?
Jakob Valentin Herzog: Wir kennen die Situation als Eltern, in welcher ein Konzertbesuch doch immer erheblichen Aufwand mit sich bringt. Es muss ein Babysitter gefunden werden und alles organisiert sein. Oder wenn man mit einem Kleinkind ins Konzert geht, kann man nie sicher sein, dass man auch bis zum Schluss bleiben kann. Die Idee war also, einen niederschwelligen Konzertbesuch zu ermöglichen. Idealerweise kann dies für Eltern auch unabhängig von Kindervorstellungen der Anstoss sein, wieder am kulturellen Leben teilzunehmen. Zudem feiert die Sektion Thurgau das 10-jährige Jubiläum der Neugründung, wodurch wir ermutigt waren, etwas Neues und Grösseres auszuprobieren.
Im ersten Konzert warst Du mit Deiner kleinen Tochter im Publikum, im zweiten Konzert hast Du selbst gespielt. Was hast Du dabei erlebt?
Zuerst kommt eine Armada von Kinderwagen. Danach beginnt ein fröhliches, buntes Gewusel. Zu Beginn des Konzerts ist es ganz still, aber dann steigt der Geräuschpegel bis zum Schluss des Konzerts kontinuierlich an. Wunderbar ist die Frische, mit der Kinder und Eltern das Konzert erleben. Ehrfurcht und Vorsicht, die wir aus dem klassischen Konzertbetrieb kennen, sind zum Glück weit weg.
Von den Musiker*innen verlangt es viel Konzentration, dafür sind die Reaktionen der Kinder sehr unmittelbar und direkt. Die Dankbarkeit der Kinder und Eltern ist enorm bereichernd, und das schönste Geschenk ist es, wenn man später von unbekannten Zuhörer*innen auf der Strasse Komplimente fürs Konzert bekommt.
Warum habt ihr für jedes der ersten vier Konzerte eine andere Stilrichtung programmiert?
Das hat sich aus der Zusammensetzung des Vorstands ergeben. Sarah Bächi ist Jazz-/Pop- Musikerin, Barbara Hidber hat nebst Geige auch Komposition studiert, Wolfgang Pailer hat die Idee des romantischen Akkordeonkonzerts eingebracht, und ich selber habe eine Ausbildung als Barockcellist. Diese Vielfalt bietet dadurch auch Leuten, die normalerweise keine Konzerte besuchen, eine willkommene Abwechslung. Und beim geübten Konzertpublikum lässt sich die Neugier auf ihm unvertraute Stile wecken.
Hast Du den Eindruck, dass die Kleinsten unterschiedlich auf verschiedene Musikstile reagieren?
Eigentlich nicht. Selbstverständlich reagieren sie stärker, wenn sie ein verjazztes Andrew Bond Lied schon kennen, aber auch Corellis Follia hatte eine mitreissende Wirkung. Interessanter sind hierbei die Reaktionen der verschiedenen Altersstufen. Während unter 2- bis 3-jährige Kinder eher dazu tendieren, einfach zuzusehen, sind die grösseren aktiver – der Wow-Effekt nutzt sich da schneller ab.
Welche Raumart eignet sich für solche Konzerte; mit wieviel Publikum kann das funktionieren?
Ein grosser, heller Raum mit einem Teppichboden. Sehr hallige Räume sind ungeeignet – ein gewisser Geräuschpegel besteht ja ständig.
Das ZKO (Zürcher Kammerorchester) bietet solche Konzerte im viel grösseren Rahmen an – dies natürlich in Konzerträumen, die so gebaut sind, dass der Bühnen-Klang verstärkt wird. Wo das nicht der Fall ist, sind 80 Personen sicher ein Maximum
Geht es nur darum, dass die Kleinen klassische Musik erleben und dass ihre Eltern mit ihnen Konzerte besuchen können, oder gibt es schon musikvermittlerische Aktivitäten in den Konzerten?
Dank der verschiedenen Ideen der Mitwirkenden ist eine Vielfalt an Formen entstanden. So wurden die Kinder im ersten Konzert animiert, mit Tüchern mitzutanzen, während wir das zweite als «normales» Konzert angelegt haben. Das kommende Konzert mit zeitgenössischen Kompositionen wird dagegen wieder sehr interaktiv werden. Die reine Konzertform, ist vielleicht nicht ganz ideal für ein heterogenes Publikum, wie wir es im Thurgau haben
Kannst Du allgemein die Reaktionen des grossen und kleinen Publikums beschreiben?
Die sind sehr vielfältig! Von Kindern, die nur beobachten, zu Kindern, die zu tanzen beginnen, die auf Instrumente zu krabbeln oder sich mehr für ihr Gspändli interessieren als für die Musik. Manche Eltern animieren ihre Kinder, sich zu bewegen, andere geniessen es, einfach mal ruhig die Musik geniessen zu können. Für einige Erwachsene ist es offenbar der erste Konzertbesuch überhaupt, und die Reaktionen sind durchwegs sehr positiv ausgefallen.
Plant ihr, die Reihe fortzusetzen und was möchtet ihr nach den ersten Erfahrungen allenfalls verändern?
Ich für meinen Teil auf jeden Fall, aber ein Vorstandsbeschluss dazu steht noch aus.
Meine Frau und ich würden zum Beispiel gerne noch Bilder integrieren – sie malt wunderbar und sitzt schon an den ersten Skizzen. Sarah Bächi schlägt vor, vielleicht auch das «Danach» noch geselliger zu gestalten, so dass man auch andere Familien kennenlernen kann. Aber das Wichtigste ist, dass man von dem, was man aufführt, überzeugt ist – Kinder sind da unglaublich sensibel.