Musik und Recht: Frieren im Unterrichtsraum, um eine Energiemangellage zu vermeiden?

Die Vermieterschaft hat in Unterrichtsräumen eine Mindesttemperatur von 20° zu gewährleisten. Der Vermieter darf keine tieferen Temperaturen einführen und schon gar nicht durch eigenmächtige Kontrollgänge durchsetzen.

Aus der Rechtsberatungspraxis des SMPV: Dr. iur. Yvette Kovacs, Rechtsberaterin des SMPV und Rechtsanwältin in Zürich, beantwortet Fragen von SMPV-Mitgliedern.

Frage eines SMPV-Mitgliedes: Meine Vermieterin ruft dazu auf, Strom zu sparen, um eine Energiemangellage in der Schweiz zu verhindern. Sie schreibt neu eine Raumtemperatur von 18° in meinem Unterrichtsraum vor und ist letzthin unangekündigt erschienen, um die Temperatur zu kontrollieren. Darf sie das?

Dr. Kovacs:  1. Die Rechte und Pflichten der Mietenden und Vermietenden sind in den Artikeln 253 ff. OR und in der dazu erlassenen Verordnung geregelt. Dort ist u.a. geregelt, dass die Mietparteien gegenseitig zur Rücksichtnahme und zum sorgfältigen Umgang mit der Mietsache verpflichtet sind. Insbesondere ist das Mietobjekt in einem gebrauchstauglichen Zustand zu übergeben und zu erhalten, was auch eine normale Raumtemperatur mitumfasst. Es besteht aber keine Vorschrift, durch die eine genaue Mindest- oder Höchsttemperatur vorgegeben wird. Jedoch haben sich in der Praxis Richtwerte für verschiedene Wohnungsräume herausgebildet, die auf der Website energieschweiz.ch aufgeführt werden: Für Wohn- und Aufenthaltsbereiche soll demnach mindestens eine Temperatur von 20° gegeben sein. Dies gilt auch für Unterrichtsräume.
Sofern sich aus dem bestehenden Mietvertrag keine anderweitige Vereinbarung ergibt, kann daher aus dem OR und der zugehörigen Verordnung keine direkte, rechtlich durchsetzbare Pflicht zum Sparen der Ressourcen abgeleitet werden, auch wenn der schonende und verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen immer im Interesse sämtlicher Beteiligter liegt.
Werden die genannten Temperaturrichtwerte unterschritten, so kann ein mietrechtlicher Mangel vorliegen. Die Mieterschaft hat dann grundsätzlich einen Anspruch auf eine Reduktion des Mietzinses. Die Höhe der Reduktion ist einzelfallabhängig und liegt im Ermessen des Gerichts. In Einzelfällen wurde bei einer Unterschreitung der Mindesttemperatur um ein paar Grad eine Mietzinsreduktion im Umfang von 10 bis 20 Prozent gewährt.

2. Über dem Mietrecht stehen die öffentlich-rechtlichen Gesetze und Verordnungen, die dem Schutz der Landesversorgung dienen (Landesversorgungsgesetz LVG).
Artikel 32 des LVG kann als Grundlage für Massnahmen herangezogen werden, die im Hinblick auf die Bewältigung einer schweren Mangellage getroffen werden müssen. Der Bundesrat hat bisher keine drohende Strommangellage ausgerufen. Indessen wurde eine Verordnung entworfen, die bereit liegt, um im Ernstfall in Kraft gesetzt zu werden. Der Verordnungsentwurf enthält alle möglichen Massnahmen für den Fall einer schweren Mangellage. Das heisst nicht, dass auch alle in Kraft gesetzt werden, falls es zu einer Mangellage kommen sollte. Unter anderem soll das Heizen von Innenräumen auf 20 Grad begrenzt werden. Dieser Wert entspricht dem Mindestwert, der schon heute im Mietrecht praktiziert wird.
Wie werden die Verbote kontrolliert? Die Bestimmung basiert darauf, dass sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung an Gesetze hält. Kontrollen und Strafverfolgung liegen in der Kompetenz der Kantone. Das LVG bietet keine Basis für Ordnungsbussen. Verstösse gegen die Vorschriften werden als Vergehen geahndet und können per Strafbefehl von der Staatsanwaltschaft behandelt werden. Nicht vorgesehen ist aber die Kontrolle der Einhaltung der Massnahmen durch Private, insbesondere die Vermieter.

3. Das Fazit ist, dass die Vermieterschaft in Unterrichtsräumen eine Mindesttemperatur von 20° zu gewährleisten hat. Der Vermieter darf keine tieferen Temperaturen einführen und schon gar nicht durch eigenmächtige Kontrollgänge durchsetzen

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