Stimmen aus dem Archiv
Die Archivalien der SMG haben seit August ein neues Heim in der UB-Basel gefunden. Ein fünfköpfiges Archivteam hat die Bestände über den Sommer akribisch sortiert, fachgerecht verpackt und für den Transport nach Basel vorbereitet. «Lauschen» Sie den Stimmen aus dem SMG-Archiv.
«Lieber Herr Doktor, Sie wissen gar nicht, was Sie mit Ihrem Schreiben vom 8.1.55 – für das ich Ihnen trotzfem [sic!] danke – angestellt haben: einem Basler zuzumuten, am Fasnachtsmontag in Bern einen Vortrag zu halten! Spass beiseite: wenn alle Stricke rissen, käme ich sogar am 28.2 nach Bern, denn ich freue mich sehr darauf. […]» So liest sich der erste Abschnitt aus der Antwort von Hans Ehinger an Kurt von Fischer, damaliger Präsident der SMG-Sektion Bern, auf dessen Einladung für einen Vortrag. Ein humorvoller Brief wie dieser ist nur ein kleiner Bestandteil des SMG-Archivs, welches aus Protokollen, Mitgliederlisten, Korrespondenzen, Veranstaltungsprogrammen und vielen weiteren Dokumenten besteht. Seit einigen Jahren stellte sich für die SMG die Frage, wie diese Dokumente aus der Geschichte der SMG fachgerecht aufbewahrt werden können. Auf die Initiative von Zentralpräsidentin Cristina Urchueguía wurde im Dezember 2022 mit der Universitätsbibliothek Basel, wo die Bestände der Ortsgruppe Basel schon lagern, ein Vertrag geschlossen, damit die SMG-Archivalien in deren Bestand übergehen können und für die Forschung zugänglich sind. Während die Bestände der Sektion Svizzera italiana bereits im Staatsarchiv des Kantons Tessin aufbewahrt werden, waren die restlichen Bestände bei den verschiedenen Sektionen in der Schweiz verteilt. Das Archivmaterial der SMG wurde meist in Ordnern, Kisten und Couverts aufbewahrt und musste für die Archivierung sortiert und neu verpackt werden.
Nie wieder Bostitch: die Materialität des Archivs
Dem Aufruf der SMG folgend fand sich dafür ein beherztes, fünfköpfiges Archivteam zusammen, bestehend aus Cristina Urchueguía, Tim Bösiger, Dominic Studer, Gabrielle Favre und Helen Gebhart. Im Juli folgte das Team der Einladung von Iris Lindenmann (Fachreferentin Musik) und Lorenz Heiligensetzer (Sammlungsverantwortlicher Archive) in die UB-Basel, wo eine Einführung in die Kunst der Archivierung geboten wurde. Zur grossen Freude des Archivteams wurden auch weisse Laborkittel zur Verfügung gestellt. Bald war klar, dass bei der Archivarbeit ständig Entscheidungen gefällt werden müssen: Welche Dokumente müssen archiviert werden und welche können getrost weggeschmissen werden? Soll eine übergrosse Seite in ein Sonderformat gepackt werden, oder besser gefaltet archiviert werden? Wie werden Papiere am besten verpackt, damit die ursprüngliche Ordnung von Forscher:innen wiedererkannt werden kann? Nach dem Workshop machte sich das Team an die Arbeit, die Archivalien der Sektion Basel, Zürich, Bern und der Zentrale zu sichten und neu zu verpacken. In den darauffolgenden Wochen kämpfte das Team intensiv gegen eingerostete Heftklammern, zusammengeklebte Seiten und viel Staub aus mehreren Jahrhunderten. Dominic Studer, der die Arbeit im ersten Moment eher als eintönig empfand, erzählt von seinen Erfahrungen: «Kaum etwas war so mühsam, wie dünnes Durchschreibepapier von den teilweise rostigen Bostitch-Klammern zu entfernen. Umso schöner war dafür, wenn man einen relativ «metallfreien» Ordner zum Archivieren erwischte. Auch die langfristige Wirkung von Klebeband auf Papier war recht erstaunlich. Das sind denke ich Dinge, die man sich beim Archivieren der eigenen Akten kaum überlegt. Seit dem Praktikum habe ich keinen Bostitch mehr verwendet!».
Zum Vorschein kamen bei der Archivierung viele spannende Dokumente: kalligraphisch gestaltete Mitgliederausweise, handgeschriebene Briefe auf unterschiedlichstem Papier, Veranstaltungsprogramme, darunter ein Vortragskonzert bei der Sektion Zürich von Wanda Landwoska «Cembalo und Clavichord bei J.S. Bach» aus dem Jahr 1922. Besonders aufregend war es zu entdecken, welche bekannten Musikwissenschaftler:innen in der Vergangenheit schon bei der SMG vorgetragen hatten.
Auf den Spuren der Familie
Neben der Geschichte der SMG liessen sich auch persönliche Spuren im SMG-Archiv verfolgen, wie Gabrielle Favre erzählt: «Meine Eltern waren beide Musikwissenschaftler und Mitglieder der SMG; mein Vater engagierte sich auch im Vorstand der Sektion Bern, und meine Mutter war über mehrere Jahre, in der gleichen Sektion als Rechnungsrevisorin tätig. Beide nahmen natürlich oft an den von der SMG angebotenen Veranstaltungen teil, an welche ich sie öfters auch begleitete. Von daher erwuchs mein historisches Interesse an der Archivierung der SMG-Dokumente, und es freute mich während der Projektarbeit ganz besonders, wenn wir im Team auf Dokumente stiessen, die «Spuren meiner Eltern» enthielten.»