«Komplexe Fragen stimulieren mich»
Die Stabübergabe am Departement Musik der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ist erfolgt. Michael Eidenbenz befragt den neuen Direktor Xavier Dayer über seine Vorstellungen, Wünsche und Motive.
Xavier Dayer, neuer Direktor des Departements Musik der ZHdK, im Gespräch mit seinem Vorgänger.
Xavier Dayer, dass künstlerische Laufbahnen in Leitung und Management münden, ist nicht mehr selbstverständlich. Was führte dich auf diesen Weg?
Ich habe einen vielfältigen Lebenslauf, Als Komponist habe ich früh schon Aufträge bekommen und seit den 90er Jahren viel für Ensembles und Orchester geschrieben. Mit 25 wurde ich Theoriedozent, habe an verschiedenen Orten unterrichtet und wurde schliesslich Studiengangsleiter und Dozent für Komposition an der HKB. Einst habe ich klassische Gitarre studiert, die Beziehung zum Instrument bedeutet mir immer noch viel. Seit 2011 bin ich Vorstandspräsident der SUISA und habe dabei das Management mit seinen rechtlichen Herausforderungen, Themen des Marktes und der Internationalisierung kennengelernt. In leitender Verantwortung mit verschiedenen Persönlichkeiten Lösungen zu suchen und dabei Vereinbarungen zu treffen, die nicht bequem, sondern zukunftsfähig sind, ist intellektuell anregend. Komplexe Fragen stimulieren mich. Das Komponieren bleibt dagegen die künstlerische Beschäftigung in gänzlicher Eigenverantwortung.
Leitung bedeutet, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Mitarbeitenden gut arbeiten können.
Genau. Die Leitung ist nicht eine künstlerische Aufgabe, sondern soll den Erfolg vieler Interessen ermöglichen. Und ich habe grosses Vertrauen in das Modell der Kunsthochschule. Ich bin überzeugt, dass in einer jungen Generation das Schaffen und der «Konsum» von Musik mehr und mehr in Verbindung mit anderen Künsten steht, während die losgelöste Musik oft verteidigt und vermittelt werden muss. Aber vielleicht wirken auch traditionelle Konzerte plötzlich wieder wie ein «Dopamin-Detox»! Die Kunsthochschule ist der richtige Ort, um darüber nachzudenken.
Die Hochschulwelt wird durch technologische Neuerungen und gesellschaftliche Veränderungen herausgefordert, gleichzeitig beruht ihre Wirksamkeit auf Kontinuität.
Themen wie künstliche Intelligenz sind brisant für die Hochschulen, durchaus im positiven Sinn. KI wird vieles übernehmen, was wir bisher der menschlichen Kreativität zugeschrieben haben. Das wirft grosse rechtliche, ethische und wirtschaftliche Fragen auf. Manchmal denke ich, dass wir eher von «universeller Plünderung» als von KI sprechen sollten, da sich einige wenige Profitunternehmen die gesamte Weltkultur aneignen. Umso mehr werden wir immer mehr die Bedeutung der menschlichen Transmission verstehen. Qualitäten wie Persönlichkeit, Bühnenpräsenz usw. werden wertvoller. Wir müssen das Land besetzen, das nicht von diesen Unternehmen genutzt werden kann.
Dennoch muss man immer mehr erklären, was Musikhochschulen tun – auch Leuten in der Kunstwelt, die wenig Ahnung davon haben…
Ja, ich kenne dieses Sisyphos-Gefühl, es gibt eine Banalisierung der öffentlichen Meinung. Es gehört halt zum Job, zu vermitteln und die Bubbles zu verlassen. Wir dürfen aber nie vergessen, dass das Wichtigste auf der Ebene des Lehrens geschieht. Studieren gleicht einer Photosynthese zwischen Dozierenden und Studierenden. Wir alle haben
Erinnerungen an Schlüsselmomente des Studiums. Diese geschahen im lernenden Kontakt, in der
Arbeit an der Sache, nicht in Sitzungsräumen.
Und was erwartest du von der Konferenz der Musikhochschulen der Schweiz?
Sie ist eine Gelegenheit, über den eigenen Hochschulkreis hinaus zu blicken, gemeinsam Schwerpunkte abzusprechen – und sich über Begriffe wie «Exzellenz» im Sinne eines anspruchsvollen, aber breiten Qualitätsverständnisses klarzuwerden. Und dank ihrer Kollegialität kann sie den unvermeidlichen Wettbewerb zwischen den Institutionen konstruktiv und anregend gestalten.
Worauf freust du dich?
Auf die Leute, auf Kontakte, auf spannende Kolleginnen und Kollegen in der Lehre, in der Kunst und in der Forschung. Ich sehe grossartige Sachen und bin sehr neugierig. Es ist eine grosse Freude, Teil dieses Abenteuers ZHdK zu sein.