Rico Gubler – Musik, Recht und Europa an der KMHS
Seit dem 1. Februar 2023 leitet der Saxophonist, Komponist und Jurist sowie ehemalige Präsident der Musikhochschule Lübeck Rico Gubler die Musikabteilung der Hochschule der Künste Bern und ist ein neues Mitglied der Konferenz Musikhochschulen Schweiz (KMHS).
Gespräch mit Rico Gubler, dem neuen Fachbereichsleiter Musik an der Hochschule der Künste Bern (HKB).
Rico Gubler, was sind nach drei Monaten Ihre Prioritäten als Leiter des Fachbereichs Musik an der HKB?
Es gibt grundsätzliche Prioritäten für die Leitung einer Musikhochschule. Wichtig ist eine ständige Pflege und Verbindung der beiden (scheinbaren) Pole zwischen hohem künstlerischem Anspruch —d.h. die Vertiefung m positiven Sinne des «Elfenbeinturms» — und der aktiven Öffnung in die eine Hochschule tragende Gesellschaft hinein, bis hin zur konkreten Gestaltung von gesellschaftlich spürbar relevanten Themen z.B. kulturpolitischer oder soziokultureller Prägung. Damt verwandt ist der stetige Diskurs über den Musikbegriff im Wandel und die daraus abgeleiteten strategischen, manchmal auch nur taktischen Schritten.
Drittens gilt es im modernen Musikhochschulwesen eine Diskurs-, Entscheidungs- und Kommunikationskultur zu pflegen, die sowohl musik-, als auch hochschulspezifisch sowie gesellschaftlich anschlussfähig ist. Konkret laufe ich aktuell durch die Hochschule, durch Bern und die Schweiz, um möglichst viele der inspirierenden und Viel ältigen Persönlichkeiten unserer Hochschule, unserer Partnerinstitutionen und Kooperationspartner kennenzulernen. In der Schweiz lernt man in der Primarschule «warte, uege, lose, laufe» —das habe ich auch im Ausland nicht verlernt, mit zwei kleinen aber wesentlichen Abweichungen: warten will ich nicht, und «lose» kommt vor «luege» .
Da Sie auch Jurist sind, inwiefern beeinflusst die Verbindung zwischen Musik und Recht Ihren Managementstil?
Erstens beeinflusst es meine Sicht «auf Kunst zu schauen» und zwar aufgrund meiner Schwerpunkte im Jurastudium, die Rechtskulturgeschichte und insbesondere die vielfältigen Interpretationsmethoden. Mein Umgang mit Text jeglicher Art, auch nicht schriftlichem fixiertem Text wurde dadurch meines Erachtens flexibler und gewann an Perspektiven und Horizont.
Die knapp zehn Jahre in Deutschland haben mich gelehrt, dass nicht nur meine juristische Ausbildung mitprägend ist, sondern ganz spezifisch der Umgang mit dem schweizerischen Recht. Ich habe gelernt, Gesetze und Regeln als geronnene gesellschaftliche Übereinkunft, als gemeinsame Geschichte zu verstehen, die im besten Falle zur Erreichung eines übergeordneten Ziels dienen, meistens aber zumindest hilfreich sind, um ein real relevantes Spannungsfeld zu bearbeiten und in Bewegung zu bringen. Wobei mir immer wichtig ist, dass eine klar gelebte Struktur wesentlich mehr bringt als eine Unzahl von möglichst genauen Detailregelungen, die im Normalfall nur die Grenzfälle und Ausnahmen vermehren.
Vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrung als zuständiges Councilmitglied für die Pop and jazz Platform (PJP) der European Association of Conservatoires (AEC) und als ehemaliges Mitglied der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM): Wie wichtig ist für Sie im Schweizer Kontext ein Gremium wie die KMHS?
Die AEC hat für mich mehrere Vorteile für die Schweiz. Die Musikhochschullandschaft in Europa ist enorm vielfältig und die spezifischen regionalen und nationalen Herausforderungen bewegen die Hochschulen zu sehr unterschiedlichen und durchaus Interessanten Lösungen, von denen wir mit etwas Transferkreativität profitieren könn(t)en. So sind gewisse Länder • m musikspezifischen Qualitätsmanagement sehr viel weiter, andere sind Treiberinnen zum Thema «Artistic Citizenship» und wiederum andere Hochschulen gehen frische Wege in den Bereichen Forschung oder Entrepreneurship. Gerade wir Föderalismus-erprobten Schweizerinnen und Schweizer sollten es gewohnt sein, genau hinzuschauen, was in anderen Strukturen ausprobiert Wird, um «das Gute» zu adaptieren und «das Sch echte» zu vermeiden.
Die KMHS ist sowohl Echoraum für die sorgfältige Arbeit der Hochschulleitungen in ihren Institutionen, wie auch der Ort, an dem wichtige Allianzen geschmiedet werden müssen, um übergeordnete Themen erfolgreich zu bearbeiten wie z.B. die Musikalisierung der Gesellschaft, die Entwicklung bzw. den Schutz des öffentlich-rechtlich finanzierten Hochschu systems und die Position der Musik in der schweizerischen Fachhochschullogik.
Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Herausforderungen, denen sich die Schweizer Musikhochschulen in den nächsten Jahren stellen müssen?
Der Blick auf das Weltgeschehen, auf das kleine Länder oft sensibler oder zumindest schneller reagieren als grössere Nationen, lässt – norddeutsch gesagt — hohe See vermuten in den kommenden Jahren. Darauf blicke ich aber nicht nur mit Sorge, sondern auch mit grossem Interesse, weil die dominierenden Themen wie Ressourcenve knappung, Migration, die Kohäsionsfrage ‚m sozialen Bereich oder die erst noch kommenden Auswirkungen der Digitalisierung in der gesellschaftlichen Tiefe auch den Kunstbegriff sowie die öffentlich-rechtliche Finanzierungslogik bzw. das Förder- und Rezeptionsverständrms massiv beeinflussen werden und daraus Neues entstehen wird. Bereits das traditionelle Rollenverständnis von Komponierenden hat sich in wen ‚gen Jahren grundlegend verändert. Das ist hochinteressant, durchaus inspirierend und bietet auch Viele Chancen.