Einfluss von künstlicher Intelligenz in der Musik
Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (kurz KI) beeinflusst die Entwicklung unserer Gesellschaft schon seit geraumer Zeit. Doch tut sie dies auch in der Musik und im Musik-Studium?
Auch wenn wir uns dessen sehr oft nicht bewusst sind, wird KI-Technologie bereits in zahlreichen Bereichen unseres täglichen Lebens eingesetzt, so u.a. in der Kommunikation, der Arbeitswelt, dem Gesundheitswesen, dem Transportwesen oder dem Unterhaltungssektor. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Technologie in Zukunft verstärkt zur Lösung verschiedener Herausforderungen unserer Gesellschaft beitragen wird, wie z.B. dem Klimawandel oder der Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität.
In aller Munde ist KI jedoch seit Dezember 2022, als das US-amerikanische Unternehmen OpenAI die Internetplattform ChatGPT online stellte. ChatGPT versteht, was ein Benutzer in Textform schreibt, ist lernfähig, beantwortet Fragen oder schreibt Textpassagen mit natür-lich klingenden, nahezu fehlerfreien Konversa-tionen in Echtzeit.
Rasante Entwicklung
Zur Zeit befindet sich die Entwicklung jedoch noch in einem frühen Stadium, sodass man den inhaltlichen Aussagen von ChatGPT mit äusserster Vorsicht Glauben schenken sollte, da diese gemäss Aussagen verschiedener KI-Experten in einem Bereich zwischen «brillant» und «atemberaubend dumm» liegen. Aber bei der rasanten Entwicklung ist davon auszugehen, dass sich dies sicherlich schnell ändern wird.
Und spätestens, nachdem im Januar 2023 bekannt wurde, dass ChatGPT an einer Elite-Uni einen Master of Business Administration (MBA) mit einer genügenden Note bestanden haben soll, wird nicht nur an Universitäten und Hochschulen rege diskutiert, wie man mit dieser neuen Herausforderung umgehen soll.
Lösungsansätze sind unterschiedlich: da, wo KI per Reglement als Hilfsmittel nicht gänzlich verboten wird, muss z.B. deren Einsatz transparent dokumentiert werden und die Eigenständigkeitserklärung wird um den Hinweis ergänzt, dass KI lediglich als Hilfsmittel und nicht zur Lösungsfindung verwendet wurde.
Einmal abgesehen vom sicherlich spannenden philosophischen Diskurs um den Ursprung einer Idee, (resp. hier der Lösung eines Problems) beim Einsatz von KI, dürfte der Nachweis, dass sich jemand nicht an diese Vorgabe gehalten hat, (zumindest im Moment) recht schwierig sein.
Denn es ist z.B. noch nicht gesichert, ob eine entsprechend weiterentwickelte Plagiats-Software erkennen können wird, ob ein Text selber geschrieben, oder von einem «Ghostwriter», was KI in diesem Falle ist, generiert wurde.
Ob es sich tatsächlich um eigene Arbeiten und eigene Gedanken von Studierenden handelt, wird eine Prüfungskommission wohl am ehesten in einem rein persönlichen, wissenschaftlichen Fachgespräch (dem sog. Kolloquium) herausfinden.
KI im Musikstudium
Wie aber könnte KI – einmal abgesehen von deren Einsatz in theoretischen Fächern eines Musikstudiums oder zum Verfassen eines CD-Booklets oder Konzertprogrammes – die Musik direkt beeinflussen?
Um das Publikum mit einer Live-Performance an einem Konzert zu berühren, brauche ich als Musiker primär zwei Dinge: Gefühle und eine ausgereifte Instrumental- oder Gesangs-Technik, die es mir erlaubt, meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen.
Dass eine Maschine in der Lage sein wird, z.B. eine Interpretation einer Chopin Etüde von einem menschlichen Vorbild zu kopieren und diese technisch und musikalisch hochstehend nachzuspielen, scheint wahrscheinlich.
Doch damit wird höchstens eine gute Kopie ohne eigenständige, künstlerische Aussage und Vision geschaffen. Und nicht zu vergessen: das Publikum will auch am echten Leben von echten Musiker:innen teilhaben.
Wie sieht es in der Komposition aus? Bereits heute gibt es einige Kompositions-Maschinen (wie z.B. AIVA), die mit unzähligen Musik-Daten gefüttert wurden und die in der Lage sind, die Schlüssel-Strukturen der Musik (also Rhythmus, Melodie und Harmonie) zu analysieren und Notenfolgen zu generieren, die statistisch am wahrscheinlichsten sind – mit teilweise erstaunlichem Ergebnis.
Aber statistische Wahrscheinlichkeit wird immer nur höchstens zu Mittelmässigkeit führen. KI wird zwar viele Bereiche der Musikproduktion verändern und dass KI Melodien komponiert werden, welche als Hintergrund-Musik oder Game-Soundtracks verwendet werden, ist bereits heute Realität.
KI und die Pädagogik
Und wird KI die pädagogische Arbeit verändern? Dass musikalische Interpretationen hochgeladen, durch KI analysiert und diese basierend darauf wertvolle Anregungen abgibt, scheint wohl in naher Zukunft real zu sein – denn nicht zuletzt beschäftigt sich auch die Forschungsabteilung der Kalaidos Musikhochschule intensiv mit dieser Entwicklung in Kooperation mit der ETH Zürich, dem Pianisten Ingolf Wunder und seiner Firma. Ob ein solches Tool den persönlichen Musikunterricht vollständig ersetzen wird, scheint sehr unwahrscheinlich.
Bei erfolgreicher Pädagogik geht es doch darum, mit den individuellen Fähigkeiten, Schwächen oder Gefühlen eine:r Schüler:in zu arbeiten, sodass ganz persönliche musikalische Aussagen und Visionen entstehen können. Ob KI diese typisch menschlichen Eigenschaften jemals imitieren kann?
So oder so – selbst Expert:innen können nur schwer einschätzen, zu was KI in der Lage sein wird. Aber Musik wird ohne Menschen wohl nie auskommen.