Gehörschutz an Musikhochschulen

Musikerinnen und Musiker sind in ihrem Beruf sehr häufig potenziell schädigenden Schallpegeln ausgesetzt. Schutz wäre möglich. Doch ist Gehörschutz auch genügend in der Lehre verankert?

Wenn man Gehörschutz und Musik verbindet, denken wahrscheinlich viele spontan an die Rockband, die in ohrenbetäubender Lautstärke in einem kleinen Keller übt, oder an den DJ, der stundenlang bei hämmernden Bässen in einer Disco auflegt. In solchen Situationen ist Gehörschutz offensichtlich und wahrscheinlich für jeden und jede nachvollziehbar.

Aber Gehörschutz wäre, so zeigen verschiedenste Messungen, auch in Bereichen oder Situationen angezeigt, die weniger offensichtlich sind. 

Das Gehör ist ein äusserst sensibles Sinnes-Organ, mit welchem wir leiseste Geräusche oder Klänge wahrnehmen können – und genau deshalb ist es auch sehr filigran und verletzlich. 

Eine der zentralen Herausforderungen beim Gehörschutz ist wohl, dass sich eine Gehörschädigung nicht, wie z.B. bei einer Sehnenscheiden-Entzündung, durch Schmerzen angekündigt, sondern sich schleichend anbahnt. Wurde das Gehör über einen langen Zeitraum überlastet, ist es oft zu spät und ein irreversibler Gehörschaden die bittere Realität. 

Und genau aus diesem Grund sollten bereits angehende Berufsmusiker:innen für das Thema sensibilisiert und geschult werden. 

Sollten! Wie und ob Gehörschutz an Schweizer Musikhochschulen thematisiert und angewendet wird, hat die Kalaidos Musikhochschule in einer weiteren Umfrage erforscht. Das Ziel dieser Studie war es, die aktuelle Anwendung von Massnahmen zum Schutz des Gehörs unter Dozierenden von Schweizer Musikhochschulen numerisch zu erfassen, sowie die Gründe (kognitiv, sozial) für Anwendung oder Nichtanwendung zu eruieren.

Zusammengefasst zeigt die Studie, dass ein fundiertes Gehörschutzmanagement selten Teil des professionellen Musikstudiums ist. 

Von den insgesamt 111 Teilnehmenden haben lediglich 25 (23 Prozent) angegeben, einen Gehörschutz im Unterricht zu verwenden. Im Vergleich dazu setzen bei den Berufsorchestern rund 70 Prozent einen solchen ein (Chiller & Portner, 2020). Dieser Wert entspricht aber auch der Praxis an Musikschulen, wo nur 26 Prozent der Lehrpersonen Gehörschutzmassnahmen treffen (Hänni, 2021).

Die Studie zeigt auch, dass zwischen den verschiedenen Instrumenten grosse Unterschiede bezüglich Gehörschutzpraxis bestehen:
während Dozierende für Schlagzeug, Perkussion und Mallets über 80 Prozent einen Gehörschutz verwenden, sind es bei Holzblasinstrumenten und Ensembles, Orchester oder Bands jeweils rund ein Drittel; alle anderen trafen noch seltener gehörschützende Massnahmen. Erstaunlich ist, dass von den Dozierenden für laute Blasinstrumente mit einem dB(A) ab 90 (Klarinette, Saxophon, Trompete, Posaune, Horn) niemand das Gehör schützte. Auch wenn hier berücksichtigt werden muss, dass sich in dieser Gruppe nur wenige Dozierende an der Studie beteiligten, gibt dies doch einen Hinweis darauf, wie wenig verbreitet Gehörschutz bei diesen Instrumenten ist.

Das soziale Klima unter den Dozierenden bezüglich Gehörschutz war zwar gut, was sich in gegenseitigem Verständnis und wenig Hemmungen bei der Anwendung von Gehörschutz-massnahmen äusserte. Das Bewusstsein für die eigene Gefährdung war hingegen verzerrt und wer selbst eine ungünstige Risikoeinschätzung hatte, thematisierte Gehörschutz auch seltener mit den Studierenden.

Unterschätztes Risiko

Wie auch bei Berufsorchestern oder Amateurformationen analog festgestellt (siehe SMZ-Beitrag 3/2022), wird das tatsächliche Risiko auch hier in vielen Fällen subjektiv unterschätzt. 

Denn auch beim Unterrichten kann man sein Gehör einer erheblichen Belastung aussetzen:

In 61 Prozent der hier evaluierten Fälle unterrichteten die Befragten ein Instrument mit einem mittleren Schallpegel von mindestens 86 dB(A), was laut der Suva als potenziell gefährdend gilt.

Somit waren es also weniger soziale, als vielmehr kognitive Faktoren (also wie sehr man sich selbst subjektiv gefährdet fühlt), welche das Gehörschutzmanagement an Musikhochschulen bestimmte. So berichtet ein Grossteil der teilnehmenden Dozierenden, dass ihre Studierenden – obwohl Gehörschutz thematisiert wird – im Unterricht kaum oder nie Massnahmen zum Schutz ihres Gehörs ergreifen. Und dabei bestätigen Studien (Auchter & LePrell, 2014), dass ein früh gelernter Umgang mit Gehörschutz sinnvoll ist.

Es besteht also Handlungsbedarf. Und diesen hat die Konferenz der Musikhochschulen Schweiz (KMHS) bereits erkannt und deren Mitglieder überlegen sich, ob und wie Lehrkräfte sensibilisiert und das Thema verstärkt in den Musikunterricht integriert werden könnte. Und das ist gut so, denn schliesslich geht es doch darum, das Gehör – und damit das Kapital künftiger Musiker:innen – zu schützen.

Der ausführliche Schlussbericht finden Sie auch unter
kalaidos-fh.ch/de-CH/Forschung/Fachbereich-Musik/Schwerpunkt-Gehoerschutz

Literaturverzeichnis

Auchter, M., & Le Prell, C. G. (2014). Hearing Loss Prevention Education Using Adopt-a-Band: Changes in Self-Reported Earplug 

Use in Two High School Marching Bands. American Journal of Audiology, 23(2), 211-226.

Chiller, S., & Portner, S. (2020a). Gehörschutz in Amateurmusikgruppen: Schlussbericht. Kalaidos Fachhochschule Schweiz.

Hänni, S. (2021), Gehörschutz im Musikunterricht. Hochschule der Künste Bern.

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