Meine Konzentration und mein spirituelles Verständnis finden hier mehr Raum
Zeyu Zhao studiert Klavier an der Kalaidos Musikhochschule im Studiengang Master of Arts in Performance und ist Preisträger des diesjährigen Jstvan Kertész-Wettbewerbs.
Zeyu Zhao. Foto: zVg
In Dalian/China aufgewachsen, studiert er seit 2015 in Europa, erst an der Universität Augsburg und im Anschluss an der Kalaidos Musikhochschule. Zeyu Zhao liebt es zu singen, zählt Bohemian Rhapsody zu seinen Lieblingssongs und mag den 2. Satz der neunten Sinfonie Beethovens aufgrund des hellen, aufmunternden und vorwärtsdrängenden Themas.
Herr Zhao, als Preisträger des diesjährigen Jstvan Kertész-Wettbewerbs gratulieren wir Ihnen ganz herzlich! Wie stehen Sie zu Wettbewerben?
Ich mag Wettbewerbe, da sie mir die Möglichkeit geben, an mir zu arbeiten und mehr Erfahrungen auf der Bühne zu sammeln. Dementsprechend ist es auch jedes Mal eine grosse Herausforderung, sich darauf vorzubereiten: es braucht viel Zeit und hartes Training.
Was fordert Sie am meisten heraus?
Während des Auftritts am Wettbewerb begegnet man immer wieder Sondersituationen, welche im normalen Üben und Spielen meist nicht vorkommen. Damit muss man umgehen, was gleichzeitig natürlich auch die Stresstoleranz schult. Mein Ziel bleibt, einen konzentrierten mentalen Zustand zu bewahren und alles daran zu setzen, mein Verständnis und meine Liebe zur Musik zu zeigen. In einer solchen Situation finde ich das anspruchsvoll.
Da scheinen Sie sich nicht erst seit kurzem damit zu beschäftigen. Wurden Sie früh in Klavier gefördert?
Ja, als Kind habe ich viel geübt, was teils schwierig war, da niemand in der Familie ein Instrument spielte. Meine Mutter hat mich jedoch immer sehr unterstützt. Sie spielte als Kind für kurze Zeit Geige und liebt die Musik so sehr, dass sie mir das Klavierspielen ermöglichen wollte. Ich bin ihr heute sehr dankbar, dass sie mich unterstützt und ermutigt hat, nie aufzugeben.
Eltern können eine entscheidende Rolle im Zugang zu einem Instrument wahrnehmen. Wie erleben Sie im Vergleich zu Ihren eigenen Erfahrungen die musikalische Bildung in Deutschland?
Wie fest Eltern miteinbezogen sind, kann ich nicht beurteilen. Mir scheint der Zugang freier gestaltet und mit mehr Spass verbunden zu sein. Zudem denke ich, dass die Musiker/innen in Deutschland ein tieferes Verständnis der klassischen Musik besitzen. In China wird mehr Wert auf das Training der Finger und der Technik gelegt. In Deutschland wird die Technik immer mit dem Stilbewusstsein verknüpft. Persönlich empfinde ich hier mehr Ruhe, um mich mit der Musik zu beschäftigen und sie zu fühlen. Meine Konzentration und mein spirituelles Verständnis finden hier mehr Raum.
Seit 2014 leben Sie in Europa. Wie haben Sie den Wechsel aus China erlebt?
Nach meiner Ankunft in Europa und einem Jahr sprachlicher und pianistischer Vorbereitung habe ich meine Prüfungen bestanden und 2015 mein Studium begonnen. Am Anfang war ich allein, ohne Familie oder Freunde. Aufgrund der noch fehlenden Sprachkenntnisse fühlte ich mich erst sehr allein, teils unbehaglich und sogar ängstlich. Nach einiger Zeit habe ich mich jedoch allmählich an das Leben hier gewöhnt. Jetzt kann ich meinen Alltag mit Studium und Freizeit nach meinen Wünschen gestalten, gehe regelmässig ins Fitnessstudio und versuche in den Ferien durch Reisen die unterschiedlichen Kulturen der europäischen Länder kennen zu lernen.
Sie tragen eine Vielfalt an kulturellen Eindrücken und Erfahrungen mit sich. Welche Rolle nimmt das Singen darin ein?
Ja, das Singen von Popsongs ist ein Hobby von mir, sowohl auf Chinesisch als auch auf Englisch. Mein Lieblingssänger in China ist Jay Chou. Er komponiert seine Lieder selbst und ist im Bereich R&B sowie Rap unterwegs, wobei er sich von unterschiedlichen Stilen wie klassischer Musik oder traditionell chinesischer Volksmusik inspirieren lässt. Er verwendet auch viele traditionelle chinesische Volksinstrumente, vermittelt meinem Empfinden nach viel positive Energie und ermutigt die Menschen, dem Leben offen zu begegnen. Meine liebste Band in Europa ist Queen. Ich liebe ihr musikalisches Talent und ihre Leidenschaft für das Songwriting. Ihre Songs sind für mich mehr als nur Popsongs, sondern eher Kunstwerke.