70 Jahre im Dienst der Musiker*innen
Die Deutsche Orchestervereinigung DOV, die grösste Interessenvertretung für Berufsmusiker*innen in Deutschland, hat sich umbenannt und firmiert ab sofort unter unisono.
Die DOV wurde 1952 in Düsseldorf von professionellen Musiker*innen gegründet, um gemeinsam ihre kulturellen und wirtschaftlichen Interessen zu vertreten und den künstlerischen Nachwuchs zu fördern. 1971/72 trat der mit dem Deutschen Bühnenverein vereinbarte Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) in Kraft. Für Musiker*innen in kommunalen Orchestern existierte damit eine umfassende Absicherung ihrer Arbeitsverhältnisse mit konkreten Regelungen zu Arbeitszeiten und Vergütungen. Sie ist bis heute international vorbildlich. Während in der Schweiz jedes Orchester seinen eigenen Gesamtarbeitsvertrag hat, an dessen Ausarbeitung der SMV jeweils beteiligt ist, sind die deutschen Orchester in eine national einheitliche Tarifstruktur eingebunden. Je nach Orchesterstärke gehören die Klangkörper in die Vergütungsgruppen A – D, wobei es zahlreiche Ausnahmen gibt, unter anderem für die Rundfunkorchester und -chöre, die einen eigenen Tarifvertrag besitzen.
Detaillierter Tarifvertrag für alle Orchester
Der neuste, 2019 zwischen dem Deutschen Bühnenverein (Bundesverband der Theater und Orchester) und der Deutschen Orchestervereinigung abgeschlossene «Tarifvertrag für die Musiker in Konzert- und Theaterorchestern» listet in 63 Paragraphen auf 78 Seiten minutiös nicht nur alle relevanten Details bezüglich der Arbeitsbedingungen, der Arbeitszeit, des Engelts und der Sozialbezüge auf, sondern regelt zum Beispiel auch die Wahl, die Zusammensetzung und die Aufgaben des Orchestervorstands. Der §17 legt die Verteilung der Planstellen in den jeweiligen Vergütungsgruppen fest, so muss etwa ein sogenanntes B-Orchester (66 Musiker*innen) über 36 Streicherstellen verfügen, ausserdem bei den Bläsern über 4 Flöten, 3 Oboen, 4 Klarinetten, 3 Fagotte, 5 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen und eine Tuba.
Grosse Wertschätzung
Die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft wurde 2014 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Die DOV schreibt, dass die Anzahl und Vielfalt der Berufsorchester in Deutschland weltweit einzigartig sei, und dass Konzerte und klassische Live-Musik in Konzerthäusern, Theatern oder auf Musikfestivals vierzig Prozent mehr Besucher hätten als die 1. Bundesliga im Fussballstadion. Dennoch ist zu beklagen, dass die Zahl der Orchester von 168 im Jahr 1992 auf aktuell 129 zurückgegangen ist. Die Deutsche Musik- und Orchestervereinigung unisono sieht als eines ihrer wichtigsten Ziele, den Abbau fester Arbeitsplätze vollständig zu stoppen und sich langfristig für den Aufbau neuer Jobs zu engagieren. Seit 2002 hat unisono einen Kooperationsvertrag mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Zur Durchsetzung von Tarifforderungen wird auch hin und wieder gestreikt (siehe Bild).
Enorme Herausforderungen
unisono vertritt die Interessen von rund 12 800 Mitgliedern in Berufsorchestern und Rundfunkchören sowie von immer mehr Freischaffenden, Studierenden und Lehrbeauftragten an Musikhochschulen. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den Orchestern und Rundfunkensembles liegt bei über 90 Prozent. Grossen Zulauf erhält der Verband seit einigen Jahren von Freischaffenden, die vor allem wegen der Erfahrungen während der Pandemie auf eine starke Interessenvertretung setzen. unisono-Geschäftsführer Gerald Mertens sagt dazu: «Der Erhalt und Ausbau guter Rahmenbedingungen für die Ausübung des Musikerberufs steht im Zentrum unserer Arbeit, und zwar unabhängig davon, ob unsere Mitglieder festangestellt oder freiberuflich arbeiten. Gemeinsam und solidarisch vertreten wir die Interessen der Mitglieder am erfolgreichsten. Vor uns liegen grosse Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels, des Klimawandels und weiterer, sich überlagernder Krisen.» unisono ist Gründungsmitglied und im Vorstand des «Netzwerks Junge Ohren», zu dessen Trägern auch der SMV gehört. Diese Institution bringt im deutschsprachigen Raum Protagonisten aus allen Bereichen der Musikvermittlung zusammen, damit sie sich regelmässig austauschen und voneinander lernen können.