Gesangsliteratur für den Anfangsunterricht

Claudia Iten studiert im Master Pädagogik an der Kalaidos Musikhochschule und hat mit ihrer Masterarbeit «Gesangsliteratur im stimmbildnerischen Prozess. Eine Materialsammlung für den Anfängerunterricht» den Kertész-Pädagogikpreis 2021 gewonnen.

Annette Kappeler und Xavier Pfarrer — Claudia Iten ist in Zug aufge-wachsen. Sie bewegt sich gerne in der Natur, trifft Freund*innen und interessiert sich für psychologische Themen. Sie hört Blues, Swing und Opern, aber geniesst oft einfach die Stille. Sie kann auf eine internationale Gesangskarriere zurückblicken – so sang sie an der Deutschen Oper Berlin, am Staatstheater Nürnberg, am Theater Aachen, an der Nederlandse Reisopera, in Rennes, Cagli-ari und Bogotá… Für die Partie der Isolde in Wagners Tristan wurde sie für den Golden Mask Award nominiert.

Claudia Iten, Sie haben eine Werksammlung für den Anfangs-unterricht erstellt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Ich wollte mich mit einem Thema befassen, das in der Praxis wichtig ist. Als Lehrerin habe ich den Anspruch, für verschiedene Stimmen passende Lieder parat zu haben. Zudem war mir das Repertoire der Popularmusik wichtig, da dies im Unterricht gefragt ist.

Gab es bisher keine solchen Nachschlagewerke?

Im nicht-englischen Kulturraum nicht. Im englischen Sprachraum (USA) wird über Kriterien für den Schwierigkeitsgrad von Liedern und eine Systematik technischer Aspekte geforscht. Nachschlagewerke sind aber eher für den Unterricht von Studierenden oder fortgeschrittenen Laien. Im deutschsprachigen Raum gibt es die Beihefte von Heinrich von Bergen für den Anfangsunterricht. Nur sind die vorgeschlagenen Lieder ziemlich veraltet.

Was sind Ihrer Ansicht nach Gründe dafür?

Es ist nicht einfach, Lieder für den Entwicklungsprozess von Gesangsschüler*innen zu systematisieren. Es gibt ja unendlich viele Lieder. Die Erarbeitung eines Katalogs ist aufwendig und nicht sehr kreativ… Aber ein gut ausgewähltes Lied hilft und motiviert, Fertigkeiten zu trainieren, v.a wenn man es auch gerne singt.

Wo kann man Ihren Katalog finden, wenn man ihn als Lehrperson verwenden möchte?

Man kann sich per E-Mail bei mir melden: kontakt@claudia-iten.com

Unterrichten Sie auch erwachsene Schüler*innen? Worauf kommt es im ersten Lehrjahr Gesang an?

Ja. Wenn jemand noch keinen Gesangsunterricht hatte, geht es darum, den Funktionskreis der Atmung und den eigenen Körper als Teil der Gesangsstimme kennenzulernen. Parallel dazu werden erste Gesangsübungen in einer bequemen Mittellage und die Weitung der Kehle als Resonanzraum eingeführt.

Sie haben in Ihrer Kindheit auch Violine gespielt. Wo könnten Geigen- und Gesangspädagog*innen voneinander lernen?

Ich denke, die Wahrnehmung von (Ent-)Spannung im eigenen Körper wäre für Geiger*innen sehr wichtig, denn ihr Körper ist auch Teil des Instruments. Ebenso kann ein bewusster Atem dem Violinspiel helfen. Umgekehrt habe ich durch das Geigenspiel eine Sensibilität in Bezug auf Intonation entwickelt. Das Spielen von Streichquartetten (mit Eltern und Bruder) war die beste Schulung für meine spätere Laufbahn. Denn auch als Solistin ist man Teil eines Ganzen.

Sie stehen auf Opernbühnen, studieren und unterrichten. Unsere Kalaidos-Idee der Verein-barkeit von Beruf und Privatleben in allen Ehren, aber mehr als 24 Stunden am Tag können auch wir Ihnen nicht bieten. Wie krie-gen Sie das unter einen Hut?

Ja, ich habe viel zu tun. Das Gute an der Kalaidos ist, dass man selbst bestimmen kann, wie schnell und intensiv man studiert. Die Kunst ist, sich nicht stressen zu lassen und eins nach dem anderen zu tun. Da habe ich noch Entwicklungspotential…

Wie haben Sie Corona in Ihrem Alltag erlebt?

Die Herausforderung war, meine Fixkosten zu decken. Da ich in Deutschland wohne, konnte ich in der Schweiz keinen Ersatz für abgesagte Konzerte beantragen, obwohl meine Konzerttätigkeit hier ist. Es wurde mir bewusst, wie ich als freischaffende Sängerin überhaupt keine Absicherung habe. Ich habe die Zeit genutzt, um an meiner Masterarbeit zu arbeiten und eine Ausbildung als Sprecherin und als Chorleiterin zu beginnen. Wenn man wartet, bis man wieder singen darf, fällt einem die Decke auf den Kopf. Jetzt habe ich wieder Konzerte. Das ist ein befreiendes Gefühl, wieder auftreten zu dürfen!

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