Von Arbon bis Zug – von Harfe bis Saxophon
Vom 4. – 6. März wurden in der ganzen Schweiz die Klassik-Entradas des Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs 2022 durchgeführt. Das Finale findet vom 28. April bis 1. Mai in Zürich statt.
Heinrich Baumgartner — Gestartet wurde in fünf von sieben Spielorten am Freitag, 4. März um 9.30 Uhr, in Arbon, Liestal, Neuenburg, Winterthur und Zug. Genf stiess eine halbe Stunde später dazu und Lugano am Samstag, 5. März. An fast allen Spielorten wurde in mehreren Räumen parallel vorgespielt. So fanden – in Zusammenarbeit mit den örtlichen Musikschulen – bis zu 19 Vorspiele gleichzeitig statt. Abgeschlossen wurde der Riesenevent durch die Bekanntgabe der Ergebnisse und die Beratungsgespräche mit den Teilnehmenden, gesondert nach den einzelnen Instrumenten. Diese Gespräche fanden letztmals im Lauf des Sonntagnachmittags oder frühen Abends statt und wurden durch die vierköpfigen Fachjurys umgesetzt, Fachjurys für Akkordeon, Blockflöte, Cello, Fagott, Harfe, Horn, Kammermusik, Klarinette, vierhändiges Klavierspiel, Kontrabass, Musik vor 1750, Oboe, Orgel, Panflöte, Querflöte, Saxophon, Schlagzeug, Violine, Viola und zeitgenössische Musik. (Der Wettbewerb wird für die verschiedenen Instrumente im Zweijahresrhythmus durchgeführt.)
Unglaublich, wenn man bedenkt, was es braucht, um einen solchen Anlass gut über die Bühne zu bringen. Am Wochenende selber ist nur die Spitze des Eisbergs zu sehen. Die lange Vorarbeit ist nur zu erahnen.
Dies gilt allerdings nicht nur für die Organisation des Anlasses, sondern ebenso für die Vortragenden. Die Früchte stunden-, wochen-, ja, monatelanger Auseinandersetzung mit dem Instrument und mehreren Werken werden hier live dargeboten ohne Netz und doppelten Boden. Korrekturtaste und Resetknopf gibt es nicht.
Meine Eindrücke von diesem Event beschränken sich auf ein paar wenige Ausschnitte. Ich habe Harfenvorspiele in Arbon und Saxophonvorspiele in Zug gehört. An beiden Orten nahm ich eine wenig wettbewerbsmässige Stimmung wahr. Die paar anwesenden Zuschauer*innen – vor allem Musiklehrpersonen und Eltern von Vortragenden – wurden in den hellen, grosszügigen Räumen der Musikschule willkommen geheissen, das Programm wurde angesagt. Die Vortragenden hatten genügend Zeit, um sich einzurichten. Die Vorgaben des Reglements sehen eine vernünftige Programmlänge für die einzelnen Vortragenden vor. Die Jury war so in den Zuschauenden platziert, dass sie für die Vortragenden nicht als «Mauer» wahrgenommen wurde.
Jedenfalls hatte ich bei keinem und keiner Vortragenden den Eindruck, dass er oder sie Spiessruten lief. Die Partien, in denen Musik gestaltet wurde, überwogen bei weitem.
Das Niveau war durchwegs hoch. Die Programme waren abwechslungsreich gestaltet. Ein jazziges Stück fehlte auch in den Klassik-Programmen nicht und wurde in der Regel noch engagierter vorgetragen als die klassischen Stücke.
In einem Musikwettbewerb kann man schnell einmal verletzt werden. Man zeigt beim Musizieren stets viel von sich und ist dementsprechend verwundbar. Der Leiter des Konservatoriums Winterthur, Christian Ledermann, fasst das in seinen einleitenden Worten zum Programm der Entrada 2022 in Winterthur so zusammen: «Unser Ziel ist es, dass alle Musizierenden ihr Können in einer positiven Atmosphäre und in ruhigem, kompetentem Umfeld optimal präsentieren können.»
Bei denjenigen Vorspielen, die ich erlebt habe, ist das vollumfänglich gelungen. Mich hat auch erstaunt, wie viele der Teilnehmenden bei ihren Kolleg*innen im Publikum sassen, aber auch wie viele Lehrpersonen den Vorträgen anderer Schüler*innen beigewohnt haben.
Der Entrada-Wettbewerb von der Begrüssung am Vormittag des 4. März bis zum Abschliessen der Musikschulen am Sonntagabend ist in verschiedener Hinsicht nur die Spitze des Eisbergs. Aus meiner Sicht als Zuhörer war es aber ein besonders gelungener Eisberg, der den Teilnehmenden besonders viele wertvolle Erfahrungen, Begegnungen und Eindrücke vermittelt hat.
Die Klassik-Kategorie ist mit Abstand die grösste im Rahmen des Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs, aber nicht die einzige. Vom 28. April bis 1. Mai 2022 sind im Rahmen des Finales in Zürich einige ausgezeichnete Vortragende nochmals zu hören. Bereits am 9. April findet in Bern das Come Together des Jazz&Pop-Wettbewerbs statt, am 29. April die Live-Performances des Kompositionswettbewerbs und der Kategorie Free Space. Angaben zu diesen Veranstaltungen finden sich auf der Homepage des Wettbewerbs.