Career Services
Verschiedene Schweizer Musikhochschulen bieten ihren Musikstudierenden im Rahmen von Karrierezen-tren die Möglichkeit, sich mit dem erfolgreichen Start ins Berufsleben auseinander-zusetzen. Diese Stellen, hier werden jene aus Luzern und Zürich vorgestellt, bilden die eigentliche Schnittstelle zwi-schen Studium und Beruf.
Martin Huber — Bereits im Jahr 2005 konstatierte George Caird (Generalsekretär der Association Européen des Conservatoires (2005-2010)) in einem Artikel der Neuen Musikzeitung (Ausgabe 6/2005, 54. Jahrgang) eine starke Zunahme von sogenannten Portfolio-Karrieren im angelsächsischen Raum. Der Begriff meint, dass Musiker nicht mehr ausschliesslich aus einer Tätigkeit ihr Einkommen generieren, sondern sich ihre Existenz aus vielen verschiedenen Arbeitsbereichen sichern werden; neben der Bühnentätigkeit und dem Unterrichten auch z.B. in der Kulturadministration, dem Journalismus, der Vermittlung etc. An den internationalen Hochschulen läuft die Vorbereitung auf die vielgestaltige Arbeitswelt unter dem Begriff des «career development», oder auch «professional development». Es geht nicht zuletzt um Beschäftigungsfähigkeit und im weitesten Sinne um unternehmerische Selbständigkeit. Dies meint in unserem Kontext weniger klassisches Unternehmertum als vielmehr die Entwicklung von Selbstkompetenzen des «Musikers als Einzelunternehmer».
Was im angelsächsischen Raum schon lange Realität ist, zeigt sich im deutschsprachigen Raum etwas retardiert, ist aber doch deutlich spürbar und nur mehr schwer zu negieren: Einher mit einer Diversifizierung des Musikerberufs ist eine Verschiebung von der Anstellung zur freischaffenden Tätigkeit festzustellen. Während die Anzahl Musikstudierender stabil ist, wird die Anzahl der Festanstellungen kleiner. Dies betrifft den Markt der Orchesterstellen genauso wie den Markt der Musikschulstellen. Am spürbarsten ist dies natürlich in der Klassik, aber zumindest bei den Musikschulen betrifft es alle Sparten. Es war anzunehmen, dass diese Entwicklung in der Schweiz mit Verzögerung und weniger stark eintreten würde; die andauernde Covid-Krise dürfte den Prozess allerdings gewaltig beschleunigen.
Freischaffende Tätigkeit meint bestenfalls auch berufliche Selbständigkeit. Berufliche Selbständigkeit und Scheinselbständigkeit werden aber sehr oft verwechselt, wie die aktuelle Misere deutlich zeigt. So liegt die soziale Absicherung vieler Musiker*innen im Argen, und gerade zu Beginn dieser Krise konnten viele freischaffende Musiker*innen infolge fehlender echter Selbständigkeit keine staatlichen Hilfsgelder in Anspruch nehmen. Weniger Festanstellungen und die mangelnde soziale Absicherung von Freischaffenden: Niemand kann daran interessiert sein, eine wachsende Anzahl Musikerinnen im Prekariat zu wissen – oder sie dahin zu schicken. Die Gründe für mangelhafte Selbstkompetenz im Umgang mit der Selbständigkeit liegen denn unter anderem auch in der Ausbildung.
Der Weg zum Studium führt traditionell über die Hauptfachlehrkraft. Das Hauptfach beansprucht dann auch den grössten Teil des Curriculums der meisten künstlerischen oder musikpädagogischen Studiengänge. Transferkompetenzen sind typischer Weise nur marginal – oft im Wahlbereich im Rahmen von einigen wenigen Credits – vertreten. Dies trägt sehr wohl dem Bedürfnis der Studierenden Rechnung, welche natürlicherweise so viel Zeit wie möglich dem Hauptfach widmen möchten und von denen auch nicht erwartet werden kann, dass sie die Komplexitäten des sie erwartenden Berufsumfelds vorwegnehmen können. Sowohl bei Studierenden wie bei Dozierenden herrschte – zumindest bis vor Kurzem – die Einstellung: «Das lernt man dann alles nachher». Die Kritik an den Hochschulen, nur unzureichend auf die tatsächlichen Anforderungen der beruflichen Tätigkeit vorbereitet worden zu sein, wird denn auch in aller Regel erst mit Abstand von einigen (Berufs-) Jahren formuliert.
Das Career Center Musik der ZHdK (CCM) führt seit nunmehr fünf Jahren ein solides Grundangebot an Transferkompetenzen wie «Musik & Recht», «Kulturpolitik», «Musikfinanzierung», «Soziale Sicherheit», «Buchhaltung für Musiker*innen» und «Social Media & Digital Communication». Zusammengefasst in das Modul «business & administration» ist es sowohl in den grossen künstlerischen Studiengängen curriculare Pflicht als auch für Externe in Form von Weiterbildung zugänglich. In den Wahlpflichtbereich gehört das Modul «producing & presentation». Es ermöglicht im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe den Zuwachs von Fähigkeiten in selfproducing (Audio & Video) und dessen Vermarktung und Integration in das eigene Portfolio. Beratung, Einzel und Ensemblecoaching ergänzen das Angebot für Studierende, Mitarbeitende und Externe. Spannend wird sein, in welcher Form Transferkompetenz und «career development» in die aktuell stattfindende Studienreform Major-minor Eingang finden wird.
Die Nachfrage nach dem Angebot des Career Centers Musik nahm in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu, seit der Covid-Krise steigt sie allerdings stark. Und so wie die Digitalisierung einen Quantensprung erfahren hat, so könnte in Bezug auf die Themen des «career developments» für die Hochschulen gelten, die Möglichkeit beim Schopf zu packen und dem Modell des Career Centers Nachhaltigkeit zu verschaffen; dies, indem Career Centers und deren Services gestärkt ausgestaltet, institutionell implementiert und (wichtig!) curricular verankert werden. Dabei ist zu hoffen, dass die Nähe zum Fach auch bei grossen interdisziplinären Kunsthochschulen wie der ZHdK erhalten und strukturell mitgedacht wird. Nur so wird gewährleistet, dass die Akzeptanz und Sinnhaftigkeit für die Studierenden gegeben ist und auch nach dieser Krise fortwährt.
Martin Huber
… verantwortet an der ZHdK das Career Center Musik, das Modul «Career Skills», und das «Orchestermanagement». Er ist Flötist, Instrumentallehrer, Arrangeur und Konzertveranstalter.
Clemens Kuratle — Nach einem abgeschlossenen Musikstudium, egal ob mit Performance-, Pädagogik-, Schulmusik- oder Orchesterdiplom, finden sich nur die wenigsten Alumni als Angestellte im Vollpensum wieder. Die Orchesterstellen sind rar, Pensen an Musikschulen ebenso und zudem meist nur in Teilzeit ausgeschrieben, von der unsteten und prekären Freelance-Tätigkeit im Pop-, Independent- und Jazzbereich ganz zu schweigen. Es ist ein von Idealismus getriebener Berufsstand, den die Studierenden wählen. Die Berufsrealität von freischaffenden Musiker*innen erfordert vielfältigste Kompetenzen in Bereichen wie Administration, Networking, Marketing, Social Media etc. und daneben eine unglaubliche Disziplin, um neben all diesen Tätigkeitsfeldern die Hauptsache, das aktive Musizieren, Komponieren und Produzieren, nicht aus den Augen zu verlieren! Das alles ist nötig, um in diesem hoch kompetitiven Umfeld über einen längeren Zeitraum mitmischen zu können.
An der Hochschule Luzern – Musik werden die sogenannten «Business-Skills» bereits seit längerer Zeit in einem für Bachelor- wie auch Masterstudierende obligatorischem Modul («Musik und Beruf») vermittelt. Schrittweise über die Jahre auf- und ausgebaut von Michael Zollinger, wird in verschiedenen halbtägigen Kursen musikfernes und doch immens wichtiges Know-How vermittelt.
Die Dozierenden sind allesamt hauptberuflich nicht in der Lehre, sondern in den Bereichen tätig, zu denen sie an der HSLU auch dozieren. So soll gewährleistet sein, dass die sich rasant wandelnde Umgebung für ausübende Musiker und Musikpädagogen in den Kursen jederzeit gut abgebildet ist. Mit dem Ziel, dass die Studierenden optimal auf die herausfordernde Berufsrealität – von einem klaren Alltag kann ja keine Rede sein – vorbereitet sind.
Durch den Gesamtverbund der Hochschule Luzern, der neben dem Departement Musik auch noch die Departemente Design & Kunst, Technik & Architektur, Wirtschaft und Informatik einschliesst, profitieren die Studierenden zusätzlich von einem Angebot, welches für alle Studierenden der Gesamthochschule zugänglich ist. Der Careers Service bietet den Studierenden neben der Vermittlungsplattform Musik für Ihren Anlass auch die Möglichkeit, ihr CV von einem Musikschulleiter oder einem Orchesterjurymitglied auf Herz und Nieren prüfen zu lassen.
Mit Smart-Up verfügt die Hochschule zudem über eine Plattform, welche Studierende wie Dozierende in Coachings unterstützt. Durch die Vernetzung mit den anderen Departementen können Studierende wie auch Dozierende bei grösseren Projekten, wie zum Beispiel einer Orchestergründung, einem Musikvermittlungskonzept oder ähnlichem, ein eigens auf sie zugeschnittenes Coaching aus einem reichhaltigen Pool von Fachpersonal in Anspruch nehmen.
Eine grosse Herausforderung der Lehre in unserem Bereich besteht darin, auf die verschiedenen Niveaus und Bedürfnisse der Studierenden eingehen zu können. Die Bandbreite reicht in allen Studiengängen von bereits selbständig angemeldeten und unabhängigen Freelance-Musikern, über aktive Musikpädagogen bis zu Studierenden, die frisch vom Gymnasium kommen und noch wenig Praxiserfahrung ausserhalb einer Bildungsinstitution aufweisen können. Um dieser Bandbreite gerecht zu werden, wird auch unser Angebot auf das neue Studienjahr angepasst. Zukünftig werden die Studierenden während den ersten vier Semestern im Bachelor und den ersten zwei Semestern im Master aus einem ausgebauten Kursangebot ein auf sie abgestimmtes Programm absolvieren können. Den Startschuss bildet ein halbtägiger Kurs, wo anhand einer Standortbestimmung der Wissensstand und das Tätigkeitsfeld der Studierenden festgestellt wird. Anschliessend werden anhand dieser Standortbestimmung die zu besuchenden Kurse für das Studienjahr festgelegt. Ergänzt wird das Kursangebot von einer Sprechstunde, welche die Studierenden bei ihren eigenen Projekten, insbesondere auch ihrem Abschlussprojekt, aber auch bei Projekten ausserhalb des Studiums, unterstützen soll. Wenn Studierende mit komplexeren Fragestellungen auftauchen, können sie so auch gezielt an das umfassendere Coachingangebot von Smart-Up vermittelt werden.
Kooperation mit lokalen Netzwerken
Unsere Vision ist, dass neben dem ausgebauten Kursangebot neu auch Panels und Co-Workingspaces mit integrierten Coachingangeboten – dies unter anderem in Zusammenarbeit mit lokalen Netzwerken wie zum Beispiel Other Music Lucerne oder Say Hi! – Teil unseres Modulangebots sein sollen. Ziel ist es, dass sich der Hochschul- und Berufsalltag der Studierenden grösstmöglichst gegenseitig befruchtet und nicht konkurrenziert. Wir glauben, dass aufgrund solcher Kooperationen unsere Studierenden besser vorbereitet und mit noch mehr Praxiserfahrung aus unseren Studiengängen entlassen werden können. Aber nicht nur das. Eine solche Zusammenarbeit setzt auf allen Ebenen Ressourcen und Impulse frei, welche, so sind wir überzeugt, auch die Kulturlandschaft in Luzern nachhaltig bereichern werden.
Clemens Kuratle
… ist freischaffender Musiker, Komponist, Gründer des Labels antidrò-records und Dozent am Institut für neue Musik, Komposition und Theorie der HSLU – Musik und verantwortlich für das Modul «Musik und Beruf».
Note
Titel aus: E. Bishop, Eine Curriculum-Analyse künstlerisch-instrumentaler Studiengänge. Zeitschrift für Kulturmanagement 1/2020
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