Corona – Herausforderungen und Chancen

Die Coronakrise hat die Arbeitsbedingungen für musikermedizinische Angebote fundamental verändert.

Interview: Cornelia Suhner — Unsere Gründerin und Ehrenpräsidentin Pia Bucher ist als langjährige Kinesiologin von den massiven Einschränkungen für Therapieangebote direkt betroffen. Im Interview gibt sie beispielhaft Auskunft darüber, was dies für Fachleute wie sie beruflich und privat bedeutet.

Pia Bucher, Sie sind Komplementär-therapeutin und arbeiten mit Musikerinnen und Musiker. Mit welchen Themen kommen diese zu Ihnen in die Therapie?

In der Musikbranche ist man zahlreichen Stressfaktoren ausgesetzt, die zu berufsspezifischen, physischen und psychischen Beschwerden führen können. Typische Themen sind etwa Stress bei Auftritten, Kritik, Zeitdruck, Muskelverspannungen, Haltung, Atmung, sowie im Falle von Blechbläser Ansatz-Dysfunktionen. Bei fokalen Dystonien arbeiten wir dabei interdisziplinär mit Fachärzten der SMM zusammen.

Warum haben Sie sich als Kinesio-login auf Musik spezialisiert?

Ich hatte als Berufsmusikerin selber mit einer fokalen Dystonie zu kämpfen und musste deswegen meine Karriere aus medizinischen Gründen aufgeben. Ich beschloss deshalb, eine musikermedizinische Institution zu gründen: das war die Geburtsstunde der SMM im Jahr 1997. Mein Anliegen war es, frühzeitig zu helfen und eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für Musikermedizin in der Schweiz anzubieten. Damals absolvierte ich körperorientierte Weiterbildungen und die Ausbildung zur Kinesiologin.

Musik-Kinesiologie MK ist ein Spezialgebiet der Angewandten Kinesiologie, die sich mit musikpraktischen Themen und dem Stressabbau bei Musizierenden befasst. Nach langjähriger Erfahrung als Bühnenkünstlerin und Instrumentalpädagogin war das für mich der richtige Ansatz. Meine Arbeit beinhaltet heute – ergänzt durch musikermedizinische Weiterbildungen – Retraining bei Blechbläserdystonien und Musiker-Auftrittscoaching.

Wegen des bis Ende April gültigen Berufsverbots entstanden starke Einschränkungen bezüglich der Betreuung von Klienten. Noch sind Schutzmassnahmen und Praxishygiene Pflicht. Wie haben Sie den Lockdown persönlich erlebt?

Ein positives Zeichen war die plötzlich eingetretene Ruhe im Alltag und die Entschleunigung. In der Musikwelt war mit einem Schlag der übliche Alltagsstress und Druck weg: keine Konzerte, Proben, Probespiele, und wegfallende Reisezeiten. Therapiesitzungen waren plötzlich nicht mehr dringend – «akute Hilferufe» wegen Auftrittsstress oder Musikerbeschwerden blieben aus. Meine Klientel nahm sich viel mehr Zeit, die neuen Übestrukturen zu praktizieren und zu vertiefen, in Ruhe Konzerte einzustudieren… Wo es erforderlich war, konnten weitere Massnahmen telefonisch besprochen werden.

Haben sich die Themen und Fragen der Betroffenen während des Lockdowns verändert?

Corona hat die Musikszene lahmgelegt – es herrscht eine grosse Ungewissheit.

Viele Freischaffende spüren existenzielle Not wegen der Gagenausfälle.

Neue Themen sind: finanzielle Situation, Existenzängste und Zukunftsperspektiven oder der Stress bezüglich des ungewohnten Online-Unterrichts oder des Präsenzunterrichts mit Abstandsregeln.

Welche Folgen und Nachwehen erwarten Sie für ihre Klientel und für Sie als Therapeutin?

Allgemein findet ein Umdenken statt. Es sind innovative Konzepte gefragt. Die Herausforderung verlangt Flexibilität und Kreativität in allen Bereichen.

Können Sie etwas aus Ihren thera-peutischen oder persönlichen Er-fahrungen dieser Zeit in die «neue Normalität» mitnehmen?

Die Entschleunigung ist eine wertvolle Bereicherung. Sie schafft Frei-räume, um neue Möglichkeiten auszuprobieren oder eigene kreative Prozesse anzustossen. Innovative Impulse – wie zum Beispiel Online-Weiter-bildungen oder ergänzende Unterrichtsformen – lassen Vertrauen und Zuversicht in das Potenzial der Digitalisierung aufkommen.

Webseite von Pia Bucher:

> www.sana-musica.ch

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