Warnsignal Schmerz
Das 16. Symposium der SMM und der SIS beschäftigt sich in Luzern mit einem Thema, das keinesfalls verdrängt werden sollte.
SMM — Schmerzerfahrungen gehören zum Musikeralltag. Sie können Karrieren behindern oder gar beenden. Es sei denn, man versteht sie als Signale, künstlerische Ambiti-onen oder berufliche Verpflichtungen so zu steuern, dass Gesundheit und Unversehrtheit des Leibes nicht gefährdet werden. Galt früher einmal Durchbeissen und Ignorieren von physiologischen und körperlichen Widerständen als Zeichen falsch verstandener Professionalität, ist heute klar, dass nur kluge, informierte Rücksicht auf das eigene körperliche Wohlergehen ein langes und befriedigendes Musikerleben gewährleisten kann.
Am Symposium der SMM weist der Psychiater und Psychotherapeut Stefan Büchi – er ist Ärztlicher Direktor der Privatklinik Hohenegg –darauf hin, dass Schmerz nie ein isoliert zu betrachtendes körperliches Phänomen ist, sondern eine Grunderfahrung, die gleichermassen kognitive, emotionale und soziale Aspekte beinhaltet. Dazu diskutiert er die Konsequenzen dieses Schmerzverständnisses für die Therapie.
Anke Steinmetz, die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin (DGfMM), wird darlegen, dass neben einseitigen und oft lang andauernden statischen Belastungen auch instrumentenspezifische und ergonomische Aspekte in der Schmerzentwicklung eine wichtige Rolle spielen. Erfolgreiche Therapien chronischer Schmerzsyndrome, so die Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin, erfordern in der Regel multimodale interdisziplinäre Behandlungskonzepte.
Aktuelle Erkenntnisse der internationalen Bindegewebsforschung mit Relevanz für die Musik-Medizin präsentiert Robert Schleip, der Leiter der Forschungsgruppe für Faszien an der Universität Ulm. Faszien (Bindegewebe) bilden ein feinmaschiges Geflecht, das Muskeln, Knochen und Organe umhüllt und durchdringt. Sie finden sich aber auch in der Haut, in den Knorpeln, den Knochen, den Gelenken, den Sehnen sowie in Gehirn und Rückenmark. Schleip erörtert unter anderem das Präventive Faszientraining zur Vorbeugung gegen Überlastungsschäden und die Rolle der faszialen Mechanorezeptoren für die propriozeptive Körperwahrnehmung.
Eine Präsentation ist praktischer Anleitung zur Selbsthilfe gewidmet. Die Spezialisten Horst Hildebrandt, Oliver Margulies und Marta Nemcova von der Musikersprechstunde der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) zeigen das Repertoire von Selbsthilfemöglichkeiten auf – neben sogenannten Engpassdehnungen und Selbstmassagetechniken unter anderem ein optimiertes Zusammenwirken von feinmotorischen Komponenten mit einer geordneten Stütz- beziehungsweise Haltungsmotorik.
Erfahrungen aus der Musikersprechstunde des Luzerner Kantonsspitals steuern in einer zweiten Präsentation Urs Schlumpf, Beate Walter und Katja Bucher bei. Sie zeigen auf, wie lokal muskuläre Überforderungen sich mit technischen Fehlern vermischen.
Eine nachhaltige Rehabilitation gelingt dabei nur dank einer interdisziplinären Vorgehensweise, bei welcher der diagnostizierende Arzt, die behandelnde Physio- oder Ergotherapeutin und der zuständige Musikpädagoge zu einer unité de doctrine gelangen.
Für die von der SMM-Präsidentin Martina Berchtold-Neumann moderierte Veranstaltung im Marianischen Saal in Luzern werden 5 SGARM Credits vergeben. Anmelden kann man sich bis am 15. Oktober über die Webseite der SMM am Ende der Symposiums-Seite (www.musik-medizin.ch/aktuelles-symposium) oder im Sekretariat der SMM.